Neugestaltungskonzept Lübecker Straße vorgestellt
Genau ein Jahr nach einer Planungswerkstatt im März 2018 mit Anwohner*innen aus der Lübecker Straße über deren Kritik, Wünsche und Anregungen zu ersten Umgestaltungs-Überlegungen für die Lübecker Straße stellte Alexander Reimann vom Planungsbüro LK Argus das im Auftrag des bezirklichen Straßen- und Grünflächenamts erstellte Umgestaltungskonzept am 6. März 2019 in einer vom Prozesssteuerer „Koordinationsbüro für Stadtentwicklung und Projektmanagement“ (KoSP) moderierten Veranstaltung vor.
Nach einer Präsentation der Bestands- und Konfliktanalyse stellte LK Argus den Auftrag aus den vorherigen Beteiligungsveranstaltungen dar:
- Vermeiden von anwohnerfremden Verkehren (Zu- und Abfahrt Schultheiss-Garage und Moa-Bogen-Garage)
- Reduzieren der Fahrgeschwindigkeit
- Ordnen des ruhenden Verkehrs, Vermeiden des Parkens in zweiter Reihe
- Möglichst Erhalt der Anzahl an Parkplätzen im Straßenraum
- Schaffen eines Angebotes für kurzzeitigen Parkraumbedarf (Laden & Liefern)
- Verbessern der Querungsbedingungen
- Erhöhen der Aufenthaltsqualität
- Schaffen eines Platzbereiches vor dem Spielplatz südlich Perleberger Straße
- Vorsehen von Begrünung, Fahrradständern, Bänken, Mülleimern
Verschiedene Varianten für die Verkehrsorganisation in der Lübecker Straße bezogen auf den Knoten mit der Perleberger Straße wurden vorgestellt:
- Der Ist-Zustand,
- eine Führung mit zwei gegenläufigen Einbahnstraßen – jeweils in Richtung Perleberger Straße,
- zwei kurze gegenläufige Einbahnstraßen nur jeweils am Kreuzungsbereich mit der Perleberger Straße, der jeweilige „lange“ Abschnitt als Gegenverkehrslösung,
- oder jeweils volle Durchfahrtsperren an der Perleberger Straße.
Die Planer präferieren die dritte Variante mit den kurzen Abschnitten gegenläufiger Einbahnstraßen in Richtung Perleberger Straße, versehen mit einer Freigabe für den Radverkehr auch gegen die Einbahnrichtung. Diese Lösung unterbindet einerseits unerwünschte Durchgangsverkehre, Anlieger haben bei der Ausfahrt Wahlfreiheit (weniger Umwegeverkehr) und im Nicht-Einbahnstraßen Abschnitt hat Gegenverkehr einen geschwindigkeitssenkenden Einfluss.
Für die Fahrbahnaufteilung wurden als Varianten neben dem Bestand mit beidseitigem Längsparken kombiniertes Längs- und Schrägparken, die Kombination von Längs- und Querparken sowie einseitiges Querparken angeführt.
Die resultierende Vorzugslösung von Planer*innen und Bezirksamt: Eine Verkehrsführung mit kurzen Einbahnstraßen am Knoten Perleberger Straße und eine Fahrbahnaufteilung mit Längs- und Querparken bei einer Fahrbahnbreite von 5,5 m. Als weitere geschwindigkeitsdämpfende Maßnahme ist sowohl für den nördlichen wie den südlichen Abschnitt der Lübecker Straße jeweils eine Verschwenkung der Fahrbahn geplant, indem die Seite für Längs- bzw. Querparken getauscht und so die durchgängige Sichtbeziehung verhindert wird. Im Bereich der Fahrbahnversätze soll die Fahrbahn angehoben werden, um auch so zum Langsamfahren aufzufordern, gleichzeitig sind hier Querungsstellen für Fußgänger*innen vorgesehen.
Mit der Fahrbahnbreite von 5,50 m sind auch die Verantwortlichen nicht glücklich. Nach ihren ursprünglichen Überlegungen sollte die Fahrbahn in den Zweirichtungsabschnitten 5,0 m breit werden, um genügend geschwindigkeitsdämpfend zu wirken. Die Feuerwehr fordere aber mittlerweile bei Neuplanung bzw. Umbau eine Fahrbahnbreite von 5,5 m Metern um bei einem Brand von Häusern schnell an diese anleitern zu können. Die immer schwerer gewordenen Pkw seien im Ernstfall nicht mehr so leicht wie früher aus dem Weg zu schaffen. Bei der vorgesehenen Lösung für das Parken werden gegenüber dem Bestand in den Parkierungsbereichen die nutzbare Gehwegbreiten um 70 cm verringert: auf den jeweiligen Längsparken Abschnitten durch bauliche Verringerung (Versetzen des Bordsteins näher zur Häuserkante), auf den Querparken Abschnitten durch den Überhang der parkenden Fahrzeuge über den Gehweg.
Im Streckenbereich sind vier „Mehrzweckbereiche“ für Kurzzeitparken, Liefern und Laden sowie Fahrradbügel in Kombination mit Querungsstellen bzw. Gehwegüberfahrten beabsichtigt, als geschwindigkeitsdämpfendes Element sind dort „Moabiter Kissen“ geplant, die aber seitlich noch genügend Platz für Fahrradfahrende lassen. In den „Versatzbereichen“ und „Mehrzweckbereichen“ sollen zumindest im südlichen Abschnitt der Lübecker Straße auch Straßenbäume gepflanzt werden, so es denn bei den vorhandenen im Straßenraum liegenden Leitungen möglich ist. Da nach Erfahrungen in den vergangenen Jahren die vorhandenen Leitungspläne immer wieder von der Realität abwichen, müssen die nach den Plänen für Pflanzungen vorgesehenen konkreten Bereiche jeweils noch durch Untersuchungen auf Tauglichkeit überprüft werden. Für den nördlichen Bereich der Lübecker Straße liegen keine Leitungspläne vor, so dass für diesen Abschnitt keine Bäume vorgesehen sind, weil der Aufwand für die Untersuchung zu hoch wäre. Die Gesamtzahl der Stellplätze verringert sich in dem Konzept von derzeit ca. 160 auf ca. 140. Die beiden vorhandenen Stellplätze für mobilitätseingeschränkte Personen bleiben erhalten.
Um vor dem Spielplatz Lübecker Straße 20 bis hin zur Kreuzung mit der Perleberger Straße einen Platzbereich zu schaffen, ist die als Einbahnstraße (Radfahrer frei) geplante Fahrbahn am westlichen Rand mit einer Breite von 4 m geplant, der Bürgersteig bleibt wie im Bestand bei 4 m. Für den Platzbereich einschließlich Gehweg auf der Ostseite (bisher 3,85 m breit) steht bei dem Vorschlag eine Breite von insgesamt 16,5 m bis zur Haus- bzw. Spielplatzkante zur Verfügung. Das südliche Ende des Platzbereiches liegt etwa auf Höhe des Hauseingangs der Lübecker Straße 19. Die konkrete Freiraumplanung für den Platzbereich ist eine künftige Aufgabe für ein Landschafts-/Freiraum- Planungsbüro.
Knotenpunkte
Der Kreuzungsbereich (im Planerdeutsch „Knotenpunkt“) Lübecker Straße / Perleberger Straße stellt in dem vorgestellten Konzept ein zentrales Element zu einer Verkehrsberuhigung dar. Die als gegenläufige Einbahnstraße (Radverkehr frei) jeweils in Richtung Perleberger Straße vorgesehenen Fahrbahnen des südlichen und nördlichen Abschnitts sind versetzt zueinander vorgesehen. Zudem erhält die Perleberger Straße im Kreuzungsbereich über die Gesamtlänge eine Mittelinsel. Der Kfz-Verkehr in der Perleberger Straße hat eine Fahrspur pro Richtung, seitlich davon befinden sich Radstreifen. Für zu Fuß gehende wird die Querung über die Perleberger Straße deutlich verbessert. Der bisherige Fußgängerüberweg („Zebrastreifen“) wird verlegt und soll künftig senkrecht zur Fahrbahn von Südosten nach Nordwesten auf kürzestem Weg über die Perleberger Straße führen. Auf diese Weise wird nicht nur der Querungsweg gegenüber dem Bestand deutlich verkürzt, sondern es werden auch die hauptsächlichen Fußverkehrsströme berücksichtigt. Für den Radverkehr über die Perleberger Straße hinweg sind Radverkehrsfurten über die Mittelinsel jeweils zu den für Radverkehr freigegebenen Fahrbahnen der Einbahnstraßenbereiche vorgesehen.
Die Einmündung der Lübecker Straße in die Birkenstraße soll ebenfalls mit einer Fahrbahnverengung umgestaltet werden. Die bestehende „Rechts vor links“-Regelung soll verdeutlicht werde. Ein Fußgängerüberweg über die Birkenstraße soll westlich der Einmündung neu entstehen, sodass das Einkaufszentrum im MoaBogen sicherer fußläufig erreichbar ist. Die Mittelinsel in der Birkenstraße östlich der Einmündung bleibt bestehen.
Bei der Einmündung der Lübecker Straße mit der Turmstraße sieht die Planung ab dem Stellplatzbereich für Querparken eine Radspur Richtung Turmstraße vor. Der westliche Gehweg der Straße wird etwas vergrößert. Die Planungen für diese Einmündung stehen noch unter dem Vorbehalt des derzeit noch laufenden Planfeststellungsverfahrens für die künftig durch die Turmstraße führende Straßenbahn.
Kritik und Diskussion von Veranstaltungsteilnehmer*innen
Bei den vorherigen zwei Veranstaltungen hatten Anwohner*innen die hohe Belastung durch Fremdverkehre, hohe Geschwindigkeiten, Missachtung von Verkehrsregeln, widerrechtliches Parken in zweiter Reihe, Parkplatzsuchverkehr und hohe Lärmbelastungen beklagt. Nach der Veranstaltung im März 2018 hatte Gotthard Schulte-Tigges, Vorstand des 1990 gegründeten Vereins Lebenstraum e.V., bis Mai 2018 424 Unterstützer-Unterschriften zum vom Verein erarbeiteten Vorschlag gesammelt, im Rahmen der Umgestaltung der Lübecker Straße den Abschnitt vor dem Spielplatz Lübecker Straße über die komplette Straßenbreite in einen Platz mit Grünflächen, Bäumen und Sitzgelegenheiten umzugestalten. Die Lübecker Straße zwischen Turmstraße und Perleberger Straße sollte somit zur Sackgasse und verkehrsberuhigt gestaltet werden. Im September 2018 konnte er die Unterschriftensammlung an Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel übergeben.
Die mit der jetzt vorgestellten Planung aufgrund der Parkierung verbundene Verschmalerung der Bürgersteige um 70 cm – auf der „Längsparken“-Seite durch faktischen Rückbau des Gehwegs, auf der „Querparken“-Seite durch die Verringerung der nutzbaren Breite aufgrund des Überhangs der Fahrzeuge, wurde bei der Veranstaltung vielfach als großes Problem und nicht hinnehmbar kritisiert. So wurde anstelle dessen beidseitiges Längsparken und eine Verringerung der Fahrbahnbreite mittels einer Radspur neben den Stellplätzen oder auch Stadtmöbel vorgeschlagen. Die Fachplaner erwiderten, dass solche Lösungen nicht genehmigungsfähig seien.
Als alternative Möglichkeit für die südliche Lübecker Straße wurde ein verkehrsberuhigter Bereich (anstatt Tempo 30) in Kombination mit der schon vor einem Jahr von Schulte-Tigges vorgebrachten Sackgassen-Lösung vorgetragen. Die Planer hielten dagegen, dass die Breite eines Wendekreises für Müllfahrzeuge und andere Lkw 18 m beträgt und damit faktisch von Hauswand zu Hauswand ginge. Anwohner*innen hielten dagegen: durch Leitungsarbeiten der Wasserbetriebe war die südliche Lübecker Straße für Monate an der Seite zur Perleberger Straße zur temporären Sackgasse geworden, es habe mit der Versorgung keine Probleme gegeben, die Fahrzeuge hätten mittels Zurückstoßen wenden können. Laut Fachplaner des Bezirksamts werde dies aber nicht für Dauerlösungen akzeptiert.
Lob gab es in Beiträgen für die Konzeption des Kreuzungsbereichs mit der Perleberger Straße, die als deutliche Verbesserung und für Fußgänger*innen und zur Verhinderung von Durchgangsverkehr angenommen wurde. Angeregt wurde jedoch für die nördliche Lübecker Straße eine Umkehrung der Einbahnstraßenregelung, da die Hauptquelle für Lkw durch diesen Abschnitt die Ausfahrt von Lkw aus der MoaBogen Anlieferung sei. Der kurze und schmale Einbahnstraßenabschnitt wäre dabei an der Einmündung an der Birkenstraße. Es wurde zugesagt, diese Variante zusätzlich zu untersuchen.
Im Hinblick auf eine deutlich verringerte Zahl von Stellplätzen in der Lübecker Straße verwies Schulte-Tigges auf Parkmöglichkeiten in den angrenzenden Parkhäusern von MoaBogen und Schultheiss-Quartier. Der MoaBogen bietet explizit Dauerstellplätze in seinem Parkhaus an. Vom Schultheiss-Quartier ist bekannt, dass auch dieses stark unterausgelastet ist. Vehement kritisierte Schulte-Tigges den Planungsentwurf als fragwürdiges Neugestaltungskonzept, dass sehr autolastig sei und weitgehend an die autogerechte Stadt der 1960er Jahre erinnere, während weltweit Schüler*innen für Klimaschutz demonstrieren. Die vorgestellte Planung konterkariere ebenfalls das Berliner Mobilitätsgesetz, und stehe im Hinblick auf Neugestaltungs- und Begrünungsmaßnahmen auch im Widerspruch zum Koalitionsvertrag. Schulte-Tigges verwies auf den mit 424 Unterschriften unterstützten Vorschlag der Sackgassenlösung mit verkehrsberuhigtem Bereich – am liebsten mit Bäumen in der Straßenmitte (keine Leitungsprobleme) analog zu einer vor 30 Jahren erfolgten Gestaltung in der Nollendorf / Schwerinstraße in Schöneberg. Eine weitergehende Verringerung von Stellplätzen stieß aber nicht bei allen Veranstaltungsbesucher*innen auf Zustimmung, der Verweis auf die angrenzenden Parkhäuser wurde dabei sowohl von der Entfernung wie von den Kosten abgelehnt.
Am Ende schienen viele Veranstaltungsbesucher*innen enttäuscht, dass noch keine überzeugendere Umgestaltungslösung vorliegt.
Alle Grafiken entnommen aus der Präsentation von LK Argus
Die Materialien zur Veranstaltung auf www.turmstrasse.de:
Plakat zur Informationsveranstaltung [pdf]
Präsentation von LK Argus zum Umbau der Lübecker Straße [pdf]
Protokoll der Veranstaltung, erstellt von KoSP [pdf]
Ich finde, dass LK Argus aus den sehr vielen und zumeist widersprüchlichen Anforderungen an die Umgestaltung der Straße einen recht akzeptablen Kompromiss gefunden hat, auch wenn ich die Verschmälerung der Gehwege nicht gut finde. Mit Maximalforderungen, so wie Herr Schulte-Tigges und seine Mitstreiter sie vorgetragen haben, kommt man meiner Meinung nach jedenfalls einer Lösung nicht näher.
Die vorgesehene Verschmälerung der Bürgersteige stieß allgemein auf Kritik.
Es wäre sehr schön, wenn an den Bürgersteigen keine Abstriche gemacht werden würden.
Die Breite, wie sie jetzt ist, wird gebraucht für alles mögliche. Abgesehen davon, dass ja die Autos ihr Heck 60 cm über den Bürgersteig schieben, beim Parken.
Geht’s vielleicht auch einfacher und billiger? Als ob Berlin Geld ohne Ende hätte und sonst keine Probleme – z. B. fehlende Wohnungen, kaputte Straßen, Brücken und Schulen, fehlende Kitas, weglaufende Lehrer, heruntergekommene Parks und und und …
Na klar geht’s einfacher:
Auf der halben Länge der Lübecker fünf Poller quer, ein Poller mit Schloss für die Müllabfuhr, davor paar Parkplätze weniger zum Wenden und je zwei Schilder an der Turm- und der Perleberger Straße. Ein oder höchstens zwei Tage Arbeit für zwei Mann würden dafür reichen.
Oder braucht man erst noch drei Gutachten und vielleicht auch noch die Mitarbeit einer Beratungsgesellschaft GmbH & CoKG für ein Honorar in Höhe von nur 500.000 Euro ?
Der Dissens am 06.03.19 führt zu einer Überarbeitung des Neugestaltungskonzeptes der Lübecker Straße.
Die Kritikpunkte wurden mit Klima- und verkehrspolitischen Argumenten in einem „Offenen Brief“ dargestellt.
https://silberahorn.wordpress.com/2019/03/20/offener-brief-zur-planung-luebecker-strasse-in-moabit/
Hierdurch befasste sich die BVV-Mitte am 15.05.19 mit diesem Thema.
Die Bezirksstadträtin Frau Weißler hat hier zugesagt, dass die vorgelegte „Vorzugsvariante“ überarbeitet und eine weitere Bürgerbeteiligung stattfinden wird.
Es werde schon knappe Parkplätze dehn Anwohner weggenommen, Vor einen Lokal in der Lübeckerstr wurden Straßen Möbel auf gestellt, was Abends mit Ruhestörung weiter geht. Man nicht mit offenen Fenster schlafen. Es haben sich schon Anwohner bei der Polizei beschwert.