Abriss des Hansa-Theaters
Oliver Lock, Verfasser des Ursprungsartikels „Der letzte Vorhang ist verkauft“ hat den aktuell stattfindenden Abriss des geschichtsträchtigen Hansa-Theaters mit einigen Fotos festgehalten.
Ursprungsartikel vom 1. März 2014:
Der letzte Vorhang ist verkauft
Zum geplanten Abriss des Moabiter Hansa-Theaters
Die letzten Tage des geschichtsträchtigen Hansa-Theaters in Moabit sind gezählt. Der neue Eigentümer plant den Abriss, um an gleicher Stelle Luxuswohnungen zu bauen.
Die bewegte Geschichte des Hauses begann 1888, als die Kronen-Brauerei in der Straße Alt-Moabit 48 einen Festsaal eröffnete. Kurze Zeit später wurde daraus das Stadttheater Moabit, in dem auch die noch unbekannte Marlene Dietrich auftrat. 1923 kam der Umbau zum Kino mit 800 Plätzen. Im Krieg wurde das Dach vom „Filmpalast Hansa“ erheblich beschädigt, doch 1948 konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden.
Als in den 60er Jahren mit der Etablierung des Fernsehens der Niedergang des deutschen Kinos begann, rettete Hans Esser den historischen Saal mit großem Balkon, indem er dort 1963 wieder ein Theater eröffnete. Die großen Stars dieser Zeit wie Brigitte Mira, Edith Hancke, Heinz Erhard, Harald Juhnke, Anita Kupsch und Eddi Arent spielten im „Hansa Theater“ vor vollem Haus. 1999 wurde die Spielstätte noch einmal frisch renoviert, doch von nun an gings bergab. Die Intendanten wechselten, der Senat strich 2002 die Subventionen und unter dem Namen „Engelbrot und Spiele“ fiel 2009 der letzte Vorhang, der dann zusammen mit dem großen Kronleuchter des Saales von den Betreibern verhökert wurde. Seitdem stehen die Räume leer. Die Initiative des Regisseurs Horst Ruprecht, das Theater 2012 wieder zu eröffnen, verlief im Sand.
Inzwischen ist das unscheinbare Haus, in dem sich der große Saal befindet, verkauft. Der neue Eigentümer sieht keine Perspektive für die Spielstätte. Ins Foyer des Theaters ist ein Trödelhändler eingezogen, die Probensäle werden bereits zu Lofts umgebaut. Der Theatersaal soll einer Tiefgarage und hochwertigen Wohnungen weichen, sobald der Bauantrag genehmigt ist. Ein Denkmalschutz existiert nicht. Damit scheint das Schicksal des fast 130 Jahre alten Saales endgültig besiegelt zu sein.
Gibt es in Moabit, das sich grad rasant entwickelt, keine Verwendung für den einzigen historischen Saal im Bezirk, der den Krieg überstanden hat? Wenn man an das Ballhaus Ost, die Neuköllner Oper und viele andere Spiel- und Veranstaltungsorte in Berlin denkt, möchte man dies nicht glauben. Geplant war, das Haus 2012 mit dem Stück „Happy End“ wieder zu eröffnen. Hoffen wir, dass jetzt im letzten Moment noch Retter auf den Plan treten und doch ein Happy End ermöglichen!
Text und Fotos: Oliver Lock (Ansichtskarte von 1907)
Nachtrag:
Es gibt zwei Anfragen in der BVV zum Thema, die jetzt beantwortet wurden (Drs. 1342/IV und Drs. 1337/IV).
Berliner Kurier sprach mit dem Eigentümer, der im Hintergrund bleiben möchte. Der sagt, der Theatersaal werde erhalten, wenn sich ein Nutzer findet. Der müsse allerdings eine Million Euro investieren oder eine hohe Miete akzeptieren (nicht mehr online).
Berliner Woche schreibt nicht wirklich was Neues aber für neue Leser.
Laut „ecke turmstraße“ 04/2014 ist der Abriss des Theatersaals nicht mehr zu verhindern, hier würden kleine teure Studentenwohnungen gebaut.
Abschied vom Hansatheater in „ecke turmstraße“ 08/2016 auf S. 3. Hier heißt es, dass sich niemand für den Erhalt eingesetzt hätte. Aber das haben durchaus einige getan, allerdings waren die Erfolgsaussichten auch nach der „Ausweidung“ der Einrichtung durch frühere Betreiber sehr gering.
Fazit der „ecke“: „Klar: Auch Theater müssen wirtschaftlich betrieben werden, wenn sie nicht als Kulturort von der Kommune gefördert werden. Und Volkstheater war in den 90ern out (mal abgesehen von innovativen Neugründungen wie dem »prime time theater« im Wedding).
Es fehlte an guten, tragfähigen Konzepten für diese Spielstätte. Aber auch der Bezirk zeigte zu wenig Interesse. Das ist traurig: Denn schließlich geht es nicht nur um eine Spielstätte, sondern um einen historischen Ort, der nun durch einen Privatinvestor vernichtet wird.
Mit dem Hansa-Theater wird eines der ersten Berliner Volkstheater abgerissen – eine Bühne, auf der Künstler auftraten wie Marlene Dietrich, Brigitte Mira, Axel von Ambesser, Harald Juhnke, Herbert Fritsch, Eddi Arendt, Brigitte Grothum, Boleslaw Barleg, Heinz Erhardt und viele andere. Ein fürchterlich banaler und gesichtsloser Neubau wird hier entstehen. Bezirk und Senat schauen stillschweigend zu.
Moabit geht damit ein weiterer historischer Kulturort verloren. Schon der Abriss des ehemaligen Kinos »Turm-Palast«, der einst an der Turm-/Ecke Stromstraße einen Prachtbau vergleichbar dem Theater des Westens hatte und dessen Ersatzbau der neuen Einkaufspassage auf dem früheren Areal der Schultheiss-Brauerei weichen musste, war ein herber Verlust.
Aberwitzig ist das auch angesichts der Tatsache, dass gleichzeitig Kulturschaffende und Künstlergruppen händeringend nach Räumen suchen, etwa die Initiative »Kino für Moabit« oder auch die Lesebühne »Fuchs & Söhne«. Letztere konnten wenigstens (nachdem auch ihr bisheriger Spielort, der Historische Festsaal in der Putlitzer Straße schließen muss) ein neues Domizil im ZK/U finden (siehe Seiten 8/9).
Hier rächt sich die »Sparpolitik« des Landes Berlin und des Bezirks Mitte in Sachen Kultur – ebenso wie die Ignoranz der bisherigen bezirklichen Stadtentwicklungspolitik und die Gleichgültigkeit von uns allen.
Mit diesem schlechten Gewissen werden wir nun leben müssen.“
Berliner Woche: Hansa-Theater vor dem Abriss?
Berliner Woche: Endgültiges Aus fürs Hansa-Theater
Ecke Turmstraße (PDF) / MoabitOnline: Ein Theater geht. »Mikro-Apartments« kommen
bisschen off topic: Abriss Hofremisen Koloniestraße 10 im Wedding zunächst aus Naturschutzgründen verhindert:
https://www.change.org/p/ci-invest-wohnen-gmbh-abriss-verhindern-wohnraum-und-gewerbe-erhalten-verkaufen-sie-unseren-hof-an-die-stadt/u/26809156
Nochmal zur Geschichte des Hansatheaters:
https://www.moabit.net/12886
Ich habe erst durch Zufall vor 3 Tagen davon gelesen und waar total entsetzt. Für allen ,,Scheiß ist Geld da, aber um solch ein historisches Gebäude zu erhalten, da reicht e dnn nicht. Mein Mann und ich sowie etliche Freunde waren jahrelang Abonnements-Theatergänger und habe dort so manche fröhliche, auch nachdenkliche Stunden verbracht. Schade, die beiden Ku-Damm Bühnen sind weg, jetzt das Hansa-Theater, für eine Weltstadt ein echtes Armuts-Zeugnis.
Schade, Hansatheater!!
M. f. Gr.
Sylvi Diener
Ich lebe seit 20 Jahren nicht mehr in Berlin und bin durch das TV gerade auf den Abriss aufmerksam geworden. Ich könnte weinen