Calvinstraße 21 – die letzten Mohikaner?
Kurz vor Weihnachten hatte der Berliner Mieterverein und die verbliebenen sechs Mietparteien der Calvinstraße 21 zum Pressegespräch eingeladen. Bereits am 1. September waren die Mieter mit einer Demonstration an die Öffentlichkeit gegangen. Über die Demo und ihren Hintergrund – die langjährigen Baumaßnahmen und Modernisierungen in der Melanchthon- und Calvinstraße – hat MoabitOnline damals ausführlich berichtet. Der aktuelle Anlass sind fristlose Kündigunen vor den Weihnachtstagen. „Mietervertreibung in Tiergarten“ titelte die Abendschau vom 22. Dezember und „Zu Weihnachten die Kündigung“ das Neue Deutschland einen Tag später.
Das Vorgehen des Vermieters hat Methode. Nach und nach wurden Häuser in der Melanchthon- und Calvinstraße von Günther Stach und Nicola Schneider-Neudeck, zuerst als Team 2 GmbH, später von der Terrial GmbH aufgekauft, entmietet, luxusmodernisiert und damit die systematische Aufwertung dieses Quartiers eingeleitet. 2009 bereits erklärte Stach in der Berliner Zeitung, wie gut verkäuflich die Lage in Spree- und Tiergartennähe sei. Er spricht von den hohen Preisen und der gut situierten Klientel, für die seine Wohnungen gedacht sind, schließlich ist auf der Ecke ein Neubau entstanden. Stach ist schon lange kein Unbekannter mehr und auch an anderer Stelle in Mitte nicht gerade positiv aufgefallen: 2001 berichtete das MieterMagazin, das MieterEcho Nr. 288 beschrieb einen abgebrochenen Räumungsversuch der Brunnenstraße 183, der Scheinschlag 2006 die Situation in diesem Haus und wieder das MieterEcho über eine aufgehobene und mithin doch nicht stattgefundene (vgl. Gegendarstellung) Zwangsversteigerung. Nun wollen wir aber nach Moabit in die Calvinstraße zurückkommen.
Drei Mietparteien haben ihre persönliche Situation geschildert (weiter unten). Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, erklärte hier werde ohne Rücksicht auf die Mieter luxussaniert, es wird systematisch Angst verbreitet, zum Beispiel mit den jetzt ausgesprochenen fristlosen Kündigungen wegen angeblichen Mietrückständen. Die sind jedoch nur deshalb entstanden, weil die Mieter völlig zu Recht wegen Baulärm, Staub und anderem die Miete gemindert haben. Er erläutert die Modernisierungs-ankündigung, die die Mieter etwa zwei Monate vor der Kündigung erhalten hatten. „Eine Mieterhöhung wegen Moderniesierung um 4,97 Euro pro Quadratmeter ist mir bisher noch nie begegnet. Das ist extrem.“ erklärt Wild. Und er erläutert genau, wie sich diese 4,97 Euro Mieterhöhung zusammensetzen: 1,34 Euro für die Erneuerung des Aufzugs, für neue Fußböden mit Trittschalldämmung und Fußbodenheizung sowie einem neu gestalteten Eingangsbereich. Insgesamt 3,63 Euro pro Quadratmeter wird die Miete erhöht wegen energetischer Sanierung, einer neuen Heizung und neuer Fenster. Überhaupt die Fenster, sie sind undicht und das schon lange. Das wundert eigentlich nicht bei einem Haus aus dem Nachkriegs-Wohnungsbauprogramm. Seit Jahren klagen die Czaparas, die ihre Wohnung für das Pressegespräch zur Verfügung gestellt haben, damit der Vermieter die maroden Fenster instandgesetzt. Sie haben einen Gerichtsbeschluss erwirkt. Doch der Vermieter macht es trotzdem einfach nicht. Rechtsanwalt Christoph Müller hat die Akten mitgebracht und zeigt, wieviel Energie dieses eigentlich kleine Problem auffrisst.
Reiner Wild kritisiert das Bezirksamt Mitte. In dieser Gegend hätte es seiner Meinung nach schon längst eine Umstrukturierungssatzung erlassen müssen, um die Menschen, die dort wohnen wirksam zu schützen. Mit einer Veränderungssperre könnte einer Herausmodernisierung von Mietern entgegengewirkt werden. Denn das Mietrecht reiche für solche Fälle nicht aus. 11% der Baukosten können bei Modernisierung jährlich auf die Miete umgelegt werden. Und das dauerhaft. Deshalb fordert der Berliner Mietervereins diese Umlage aus dem Gesetz zu streichen. Aber das ist ein Thema für die Bundesgesetzgebung. Eine Umstrukturierungssatzung könnte der Bezirk Mitte aufstellen. Doch von dem fühlen sich die Mieter nicht unterstützt. So soll eine Mitarbeiterin des Bau- und Wohnungsaufsichtsamtes gesagt haben, der Vermieter könne mit Ihnen machen, was er wolle.
Kommen wir zu den Einzelfällen:
Helga Brandenburger ist 63 Jahre alt und Rentnerin. Sie wohnt in einer „Rundumwohnung“: das Wohnzimmer mit Balkon geht zur Calvinstraße raus, Küche und Bad zum früher freien Eckgrundstück, das Schlafzimmer nach hinten zum Hof. 2009 wurde ihr mitgeteilt, dass vor Küchen- und Badfenster die Wand des Eckhauses hochgezogen wird. Und eines Tages war es plötzlich so weit: „Ich war den Vormittag im Virchow-Klinikum wegen meiner Herzkrankheit. Und als ich nach Hause komme, ist es dunkel in der Küche. Es war im April 2010, eigentlich hätte es Licht geben müssen. Sie haben mir tatsächlich die Fenster zugemauert, von außen ist die Betonwand davor. Am Abend stand Herr Stach vor meiner Tür und sagte: ‚Sehen Sie so schnell kann das gehen! Wo sollen wir die Entlüftung legen? Durchs Wohnzimmer?‘ ‚Nein, das geht nicht, da steht ja die Schrankwand.‘ Sie wollten von der Küche, durch Bad und Schlafzimmer eine Entlüftung zum Fenster legen. Da habe ich gesagt, dass ich mich beraten lassen will, und gleich am selben Abend einen Brief an den Mieterverein geschrieben. Bis jetzt ist da noch nichts geändert. Ist doch klar, dass ich die Miete mindere.“ Brandenburger wohnt seit 2002 in dieser Wohnung. Sie hat den Mietvertrag ihrer Eltern übernommen, die sie dort gepflegt hat. Die Mutter ist 1999 gestorben, der Vater 2002. „Hier sind meine Wurzeln, ich will nicht wegziehen. Ich bin in der Stephanstraße geboren, Hausgeburt. Später sind wir in die Lüneburger Straße gezogen.“ 1974 konnten die Eltern mit dem schwerbehinderten Bruder in diese Wohnung einziehen, endlich keine Ofenheizung mehr. Vor Jahren wollte ein früherer Eigentümer die Ecke bebauen, er hat jedoch keine Genehmigung bekommen, wegen schwierigem Baugrund. Seitdem die Bauarbeiten begonnen haben, gibt es keine Ruhe mehr. Von morgens bis abend läuft der Betonmischer. Zuerst wollte Helga Brandenburger wegziehen, doch dann hat sie sich gesagt: „So viel Frechheit werde ich mir nicht gefallen lassen.“ Sie will standhaft bleiben. Nach und nach sind einige Mieter ausgezogen, einige haben auch eine Entschädigung angenommen: „Da pfeiff ich drauf!“ Und sie lässt sich auch nicht einschüchtern, wenn Stach sie auf der Straße anspricht und um ein persönliches Gespräch bittet. „Sie können mit allen Mietern zusammen sprechen, nicht mit mir alleine.“ Es ist eine starke Mietergemeinschaft entstanden, deshalb traut sie sich das. Ihre Rente beträgt 905 Euro. Nach der angekündigten Modernisierung soll sie 897 Euro Miete bezahlen. „Ein bisschen habe ich ja gespart. Aber wenn die damit durchkommen, muss ich wegziehen.“
Eva Bugenhagen ist ebenfalls Rentnerin, 69 Jahre alt. Sie lebt schon seit 50 Jahren im Haus. 1961 ist sie zusammen mit ihrer Mutter als 17jähriges Mädchen in die Wohnung eingezogen. Sie sagt: „Ich mag kein Aufsehen und stehe nicht gerne im Mittelpunkt. Aber jetzt müssen wir alle zusammenhalten. Ich tue es für die Gemeinschaft. Nur gemeinsam sind wir stark.“ Ihre Wohnung ist tip top in Schuss, alles hat sie selbst machen lassen, Kabel verlegen um die Bilder zu beleuchten, Schwedentapete an den Wänden, eine Schiebetür aus Fliegengitter am Balkon. Bugenhagen schätzt, dass sie in der ganzen Zeit etwa 50.000 bis 60.000 Euro in die Wohnung investiert hat. Die Modernisierung braucht sie nicht. Im Gegenteil. „Meine Kammer soll kleiner werden, weil der Aufzug größer werden soll. Aber dann passen meine Einbauschränke und -schubladen nicht mehr.“ Am 19. Dezember hat sie ein Schreiben erhalten, das von ihr fordert bis zum 23. Dezember mitzuteilen, ob sie die Umsetzwohnung akzeptiert. „Welche Umsetzwohnung? Mir wurde noch keine angeboten.“ Das Haus steht ständig offen, die Bauarbeiter gehen ein und aus. Die Nottreppe, die angebaut wurde, ist im Winter glatt und rutschig.
Hanna und Roman Czapara sind 1988 in die Calvinstraße 21 eingezogen. Ihr Sohn Michi, mittlerweile Dozent an der Universität Frankfurt/ Oder, ist als Kind in die Kita gegangen, auf die sie vom Balkon aus schauen können. Dort hängt jetzt das große Transparent. Sie haben die Miete gemindert, wegen der undichten Fenster, um 20 %. Der Vermieter will nur 5 % akzeptieren. Die Modernisierungsankündigung nach der die Miete sich verdoppeln soll, kam am 31. Oktober. Zwei Monate später der Brief, dass sie ihre Wohnung zum 31. Jahnuar 2012 verlassen sollen. „Es ist unglaublich,“ sagt Roman Czapara, „früher sind wir hier im Haus aneinander vorbeigegangen, haben gegrüßt, sonst nichts. Und jetzt, sind wir eine richtige Gemeinschaft geworden.“ Sie wollen im Haus wohnen bleiben zu bezahlbaren Mieten. Luxusmodernisierung mit Fußbodenheizung brauchen sie nicht.
Das Nachbarhaus, die Calvinstraße 20 und 20 a ist fast fertig saniert. Man kann nicht mehr erkennen, wann es gebaut wurde, denn es sieht fast genau so aus, wie der Neubau an der Ecke. Die Mieter dieses Hauses hatten genau mitbekommen wie die Melanchthonstraße 17-18 saniert und um zwei Stockwerke aufgestockt worden war. Nach der Modernisierungsankündigung hatten die Mieter das Haus fluchtartig verlassen. So hatte die Terrial GmbH freie Bahn für Kernsanierung und Aufstockung, berichten die „letzten Mohikaner“ aus dem Nebenhaus. Drücken wir ihnen die Daumen für die anstehenden Rechtsstreitigkeiten, damit Mietervertreibung in Moabit nicht zum Erfolg führt.
Nachtrag:
Schon am 22.12.11 hat der Berliner Kurier berichtet, am 23.12.das Neue Deutschland. Hier die Pressemitteilung des Berliner Mietervereins.
Mietervertreibung als Strategie zur Inwertsetzung der Immobilie, unter diesem Aspekt hat Andrej Holm unseren Bericht in seinem Blog aufgegriffen: „Die Renditestreber von Moabit„.
Die Berliner Woche berichtete am 11.1.2012 mit einem Foto des zugemauerten Badezimmerfensters.
Am 31.1.2012 erhielt die Redaktion folgende Gegendarstellung des alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers der Team 2 Gesellschaft zur Verwaltung eigenen Grundbesitzes mbH. Der ursprüngliche Text wurde entsprechend geändert.
Lesen Sie auch den Artikel im Tagesspiegel „Gegen die Wand“ von Deike Diening, mit Informationen zur Umgebung sowie einer Fotostrecke mit 14 Bildern von der Lebenssituation im Haus. Dieser Artikel war 2013 für den Theodor-Wolff-Preis nominiert.
Artikel im MieterMagazin, Januar/Februar 2012: „Mauer vorm Kopf“ und April 2012: „Calvinstraße 21: Etappensieg für Mieter„
Bericht im Berliner Kurrier vom 11.4.2012 über die Räumungsklage wegen 2 Cent. Und ein Bericht bei RTL.
Neuer Bericht bei MoabitOnline „Fahrstuhl weg, Keller zu!“ mit Film bei Spiegel TV.
Bericht im ZDF „Erst Schikane, dann doppelte Miete„
Der Abendschaubericht vom 24.7.12 „Streit um teure Wohnungssanierung“ (ist unter dem neuen Artikel eingebunden) berichtet vom Urteil des Amtsgerichts. Die Pressemitteilung des Gerichts ist als Kommentar Nr. 4 beim aktuellen Artikel zu finden, hier das anonymisierte Urteil (pdf). Es wird getwittert, dass der Investor die Anwälte nach diesem Misserfolg gewechselt habe. Auch die ecke turmstraße Nr. 6, September 2012 berichtet auf Seite 6 „Die Mauer muss weg“ über dieses Urteil.
Weitere Aktualisierungen beim neuen Artikel.
Meine Eltern wurden sozusagen auch aus diesem Haus vertrieben. Meine Eltern haben 40 Jahre dort in der vierten Etage gewohnt. Da sie beide stark auf die 80 gehen und mein Vater Herzkrank ist, wollten wir Kinder ihnen den Baulärm und die zugemauerten Fenster ersparen und haben eine neue Wohnung für sie gesucht. Es ist wirklich erbärmlich, was diese Leute den Mietern dort zumuten.
Da kann man nur froh sein, dass die Calvinstrasse 19 der DEGEWO gehört. Hoffe, die MieterInnen haben Erfolg.
Einen Tag vor Sylvester warnte der Arbeitskreis der Quartiersmanagementbeauftragten vor steigenden Problemen in den Außenbezirken, die durch Verdrängung in aufgewerteten Innenstadtgebieten entstehehen.
http://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2011_12/warnung_vor_sozialen.html
am gleichen Tag auch ein Interview bei heute.de:
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/28/0,3672,8426588,00.html
Das rbb-dossier zum Thema Wohnen hält noch mehr interessante Informationen bereit:
http://www.rbb-online.de/stadt_land/dossiers/wohnen/wohnen.html
Auch im Wedding beginnt die Diskussion über Mieterhöhungen und Verdrängung, die von manchen nicht als Gentrifizierung genannt werden soll:
http://gentrificationblog.wordpress.com/2011/11/20/berlin-die-angst-des-quartiersmanagements-vor-der-gentrification/
Wenn Ihr schon einen Link zu Andeijs Blog legt, solltet Ihr auch auf seinen neuesten Eintrag verweisen:
http://gentrificationblog.wordpress.com/2012/01/01/berlin-gentrification-lobby-award-2011/
Schaut Euch das Filmchen an! Es geht zwar über ein Neuköllner „Zinshaus“, betrifft aber auch Moabit. Es lohnt sich auch den Link zur Website des Herrn Schick anzuklicken. Feindbeobachtung!
Hier geht es um einen konkreten Fall, in dem die Mieter unsere Solidarität verdienen. Aber Andrej Holm und seine Mitstreiter sehen in jeder Modernisierung gleich eine Gentrifizierung. Das damit einhergehende Schema von Freund und Feind steht in der Tradition der 80er Jahre und der entsprechenden ideologischen Grabenkämpfe, mit denen ich zumindest nichts zu tun haben will. Wenn man einigermaßen sachgemäß argumentieren will, muss man differenzieren und nicht jeden Fall in das gleich Kampfschema pressen. In Berlin ist aus historischen Gründen über Jahrzehnte hinweg viel zu wenig in die Bausubstanz investiert worden. Dass die Mieten steigen, wenn das jetzt endlich nachgeholt wird, ist unvermeidbar. Wer dagegen eine umfassende Regulierung anstrebt oder sogar wieder vermehrt in den sozialen Wohnungsbau mit all seinen Problemen einsteigen will, muss auch sagen, woher das Geld dafür kommen soll oder wenigstens Alternativen aufzeigen. Aber darüber wird dann meist geschwiegen, da es vermutlich einfacher und auch bequemer ist, sich in „Feindbeobachtung“ zu üben.
L.S.,
hast Du Dir das Filmchen über das Neuköllner Zinshaus angeschaut? Bei diesem Beispiel geht es eben nicht um notwendige Investitionen in die Bausubstanz, sondern um die Modernisierung der Wohnung mit dem alleinigen Ziel einer möglichst hohen Miete bei Neuvermietung. Bezeichnend ist dabei, dass sogar die Immobilienverwerter überrascht waren vom erzielbaren Preis. Bei 7,50 Euro hatten sich so viele gemeldet, dass sie es gleich noch einmal für 8,50 versuchten und immer noch 15 Bewerber hatten. Und schließlich wird die Verzinsung des eingesetzten Kapitals von 21.000 Euro berechnet …
Ein Preis zu dem eine Wohnung eben von innen schön gemacht werden kann. Wenn es um neue Steigeleitungen oder Abflussrohre, Wärmedämmung, neue Heizungsanlagen oder was sonst für die Bausubstanz nötig sein könnte, Dächer …. muss viel mehr Geld in die Hand genommen werden und das lässt sich nicht mit so einer schönen Zinsrechnung „schmackhaft“ machen.
Andrej Holm beschreibt meiner Meinung nach die Gentrifizierung als Verdrängung aus ökonomischen Gründen sehr zutreffend und durchaus differenziert.
Keine Sorge, ich habe nicht vor, irgendwelche Immobilieninvestoren zu rechtfertigen, denen es ausschließlich um ihre Rendite geht. Es gibt notwendige und sinnvolle Modernisierungen, und es gibt reine Renditeobjekte, auch wenn es gar nicht so einfach ist, das immer genau auseinanderzuhalten. Aber ich gebe zu, dass ich sehr skeptisch bin gegenüber den selbsternannten Stadtaktivisten, weil ich den Eindruck habe, dass sie nicht so sehr für die tatsächlich Benachteiligten kämpfen, sondern viel mehr für ihre eigene zentral gelegene Altbauwohnung. In den meisten Fällen gehören diese Aktivisten nämlich selbst zur ersten Generation der Gentrifizierer und haben jetzt Angst, von der zweiten Generation verdrängt zu werden. Das Elend der Sozialbauten interessiert diese Aktivisten doch gar nicht. Sie werden erst aktiv, wenn sie selbst sich die beliebten Altbauwohnungen in guter Lage nicht mehr leisten können, und geben dann vor, dass mit ihrer Verdrängung gleich alles auf dem Spiel steht. Jedenfalls scheinen mir die Interessen oft sehr handfest zu sein.
Zu 5 und 7: LS, Deine Pauschalisierungen und insbesondere die Verunglimpfung von Andrej Holm, der nun wirklich ein ausgewiesener Experte in diesem Themenbereich und eben genau kein „selbsternannter Stadtaktivist“ ist, sind nicht sonderlich hilfreich.
Eine Verunglimpfung von Andrej Holm liegt mir fern. Aber gerade bei diesem „ausgewiesenen Experten“, der alles andere als unumstritten ist, bin ich äußerst skeptisch. Auch Experten sind keineswegs neutral und können eine ideologische Einstellung haben. Und dass Andrej Holm zu den Stadtsoziologen gehört, die am äußersten linken Rand zu situieren sind und dementsprechend auch eine bestimmte Anhängerschaft anziehen, wird wohl niemand bestreiten wollen, er selbst vermutlich am allerwenigsten. Ich habe einiges von Andrej Holm gelesen und teile seine politische Einstellung, die auch seine stadtsoziologischen Analysen prägen, mit Sicherheit nicht, vor allem, was das Freund-Feind-Schema angeht. Das mit dem „selbsternannten Stadtaktivist“ nehme ich aber gerne zurück.
http://de.wikipedia.org/wiki/Andrej_Holm
@ L.S. „Eine Verunglimpfung von Andrej Holm liegt mir fern.“
Warum tust Du es dann?
Andrej Holm ist mit Sicherheit ein Experte zum Thema Gentrifizierung, meines Wissens auch ein anerkannter. Andererseits ist Andrej Holm auch als ein stadtpolitisch aktiver Mensch bekannt.
Und nein, es gibt keinen Anspruch darauf, dass Wissenschaftler „neutral“ sind – überhaupt: neutral zu was, politisch, und wer bestimmt was innerhalb welcher Grenzen „neutral“ ist? (schon wieder so ein Allgemeinplatz von Dir)
Wer persönlich an Veranstaltungen mit Andrej Holm teilgenommen hat, wie z.B. im Mai 2011 bei der Veranstaltung von „Wem gehört Moabit“, als die gleichnamige Initiative die Ergebnisse ihrer Befragungsaktion zur Eigentümerstruktur vorstellte (Sigmar Gude (TOPOS Stadtforschung) und Andrej Holm (Stadtsoziologe Humboldt-Universität Berlin, nahmen als Referenten teil) konnte bei Andrej Holm durchaus wahrnehmen, dass er sehr differenziert seine jeweilige Rolle – als Wissenschaftler oder als politisch aktiver Mensch – bei seinen Beiträgen klar macht.
Das unterscheidet Andrej Holm sehr positiv vom Stil, den ich in so manchen Kommentaren von Dir, L.S., hier auf MoabitOnline wahrnehme. Ich zitiere hier nur ein weiteres Beispiel von Dir (aus Kommentar 5): „Aber Andrej Holm und seine Mitstreiter sehen in jeder Modernisierung gleich eine Gentrifizierung.“ Ein sachlich nicht zutreffender, pauschalisierender und gezielt diffamierender Satz – aus welchem Motiv auch immer, es ist müßig darüber zu spekulieren. Aber vielleicht ist es ja dein „Freund-Feind-Schema“ zum Thema, das diese Diskussionskultur von dir auf allerunterstem Niveau als reflexhafte Reaktion verursacht.
Der Moabit-Ist-Beste Verein möchte mit dem nächsten Runden Tisch am 10.1.2012 betroffene Personen zu einem Interessenkreis zusammenführen. Wer Zeit und Interesse hat, der kommt bitte ab 19 Uhr im Café Moabit vorbei. Infos unter: http://doa21.biz/moabit/5-runder-tisch-am-10-1-gentrifizierung-eigene-themen/
und ich dachte der Runde Tisch soll am 10.2. stattfinden!??
Am 10.1. ist in der Lehrter Straße die Betroffenenratssitzung, da kommt der neue Baustadtrat Carsten Spallek zur Entwicklung rund um die Lehrter Straße zur Diskussion.
zu 10:
Ich kann meine Skepsis gegenüber Andrej Holm gerne konkretisieren: Aus seiner Perspektive sind fast alle gegenwärtigen Stadtentwicklungen Ausdrücke einer „neoliberalen Hegemonie“, von der Wohnungspolitik des rot-roten Senats bis zum Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau. Auch hinter den Bemühungen, den Berliner Haushalt wenigstens einigermaßen zu konsolidieren, wird nichts anderes als eine neoliberale Strategie vermutet. Dass aber der soziale Wohnungsbau in den vergangenen Jahrzehnten alles andere als erfolgreich war und zur massiven Verschuldung der Haushalte beigetragen hat, ohne das soziale Problem auch nur ansatzweise zu lösen, wird kaum bis gar nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen wird eine Ausweitung sozialstaatlicher Aktivitäten gefordert und jeder, der das anders sieht, als Neoliberaler hingestellt. Ich glaube aber, dass es richtig und sinnvoll war, den Sozialstaat zu reformieren und daran zu orientieren, was wirtschaftlich möglich ist. Das gilt insbesondere für Berlin und den Berliner Wohnungsmarkt, wo sich aufgrund historischer Besonderheiten eine ausgeprägte Subventionsmentalität herausgebildet hat, von der eine Entwöhnung dementsprechend besonders schwer fällt.
Quellen zu Andrej Holm:
http://www.antifa.de/cms/content/view/1674/
http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2011/august/das-recht-auf-die-stadt
PS: Meine Kommentare als „allerunterstes Niveau“ zu bezeichnen, dient wohl vor allem dem Zweck, sich nicht mit anderen politischen Einstellungen auseinandersetzen zu müssen. Aber ich verstehe schon, dass es hier so etwas wie einen unausgesprochenen politischen Konsens gibt und Andrej Holms diesen Konsens auf hervorragend Weise verkörpert. Nun, ich teile diesen Konsens offensichtlich nicht, und kann nur hoffen, nicht der einzige zu sein.
Hallo L.S.,
schön, dass Sie sich mit meinen Texten beschäftigen und hier in den Kommentaren darauf aufmerksam machen. Es kann gut sein, dass wir zu vielen Dingen verschiedene Auffassungen haben. Aber ich verstehe nicht, was an (m)einer Beschreibung von Veränderungen der Stadtpolitik für Sie so problematisch ist. Soweit ich Sie verstehe, empfinden Sie den Begriff des ‚Neoliberalismus“ als Schimpfwort oder Kampfbegriff – in meinem Gebrauch ist es erst einmal eine schlichte Beschreibungsformel, die den Rückzug des Staates aus den Wohlfahrtssystemen und eine verstärkte Orientierung an marktwirtschaftlichen Prinzipien zusammenfasst. (Entwicklungen also, die Sie ja auch selbst beschreiben.) Diese Haltung wurde übrigens von den Wirtschaftswissenschaftlern um Milton Friedman in Chicago auch selbst so bezeichnet (http://de.wikipedia.org/wiki/Neoliberalismus). Die Verwendung des Begriffs sollte also nicht solche Aufregung und Ablehnung auslösen.
Sachlich streiten ließe sich jedoch ganz sicher über die Bewertung solcher Entwicklungen. Soweit ich Sie verstehe, benennen Sie einige Argumente (Haushaltskrise, wirtschaftliche Situation) für solch eine neoliberale Entwicklung in Berlin. Das Argument der Notwendigkeit enthebt uns aber noch lange nicht aus der Verantwortung, uns mit den sozialen und stadträumlichen Effekte in der Stadt auseinanderzusetzen. Genau dies versuche ich in vielen meinen Texten zu leisten.
Das Argument der fehlenden Alternativvorschläge greife ich gerne auf und würde mich freuen, wenn diese Fragestellungen auch für all jene gelten würde, die den Ausstieg aus dem Sozialen Wohnungsbau und anderen Förderprogrammen unterstützt haben. So richtig es ist die perverse Subventionslogik des alten Sozialen Wohnungsbaus zu kritisieren (mache ich übrigens in vielen Texten auch selbst) so richtig ist es anzuerkennen, dass der ‚freie Markt‘ (der die letzten 10 Jahre in Berlin relativ ungestörte Bedingungen hatte) offensichtlich auch nicht in der Lage ist, eine zufriedenstellende Lösung für eine sozial gerechte Stadtentwicklung hervorzubringen. Insofern würde ich die Aufforderung nach Alternativen gerne zurück adressieren und warte gespannt auf ihre Vorschläge.
In diesem Zusammenhang finde ich politische Haltungen übrigens mehr als nebensächlich und würde mich freuen, wenn auch Sie den unausgesprochenen Konsens teilen, dass eine Stadt für alle da sein sollte und die Bewohner/innen ein größeres Maß an Mitbestimmung in Stadtentwicklungsprozessen erhalten sollten.
Hallo Herr Holm,
vielen Dank für Ihre Antwort! Es nötigt mir Respekt ab, dass Sie sich die Zeit genommen haben, auf meinen Kommentar zu antworten. Ich will versuchen, meine Erwiderung kurz und dennoch einigermaßen präzise zu halten:
Der massive Ausbau des Sozialstaates seit den 70er Jahren hat dazu geführt, dass sich die Bürger daran gewöhnt haben, alle möglichen Ansprüche an den Staat zu delegieren. Weil Politiker wiedergewählt werden wollen, schien die Staatsverschuldung ein einfacherer Weg zu sein, als diese Ansprüche zurückzuweisen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die enorme Staatsverschuldung zu einer großen Belastung für das Gemeinwesen werden kann. Darüber hinaus hat die Ausweitung des Sozialstaates zu einem Verlust bürgerlicher Tugenden in allen Schichten geführt, weil der Staat für alles die Verantwortung zu tragen hatte. Was das bedeutet, kann man an der Verwahrlosung des öffentlichen Raums seit den 80er Jahren sehen. Alles, was umsonst ist und wofür man keine Verantwortung trägt, wird auch dementsprechend behandelt. Wenn für alles der Staat verantwortlich ist, sinkt die Bereitschaft, selbst Verantwortung für sich und das Gemeinwesen zu übernehmen.
Seit gut einem Jahrzehnt ist der Staat immer weniger in der Lage, diese umfassende Verantwortung wahrzunehmen. Die Gründe dafür reichen von der demographischen Struktur bis hin zu den Staatsschulden und einer zunehmenden globalen Konkurrenz, der sich vor allem die europäischen Wohlfahrtsstaaten ausgesetzt sehen. Diese neue Situation als „neoliberal“ zu verstehen, stellt selbstverständlich eine Wertung dar. Denn „neoliberal“ kann niemals eine Situation sein, sondern nur eine politische Einstellung. Aber es bedeutet vor allem, hinter der neuen Situation eine politische Absicht zu vermuten und nicht die Konsequenz aus dem Scheitern früherer Politik, insbesondere der Wohlfahrtspolitik seit den 70er Jahren. Zur Zeit gibt es noch keine überzeugende Antwort auf dieses Scheitern. Aber es scheint mir zu einfach zu sein, alles auf die Neoliberalen zu schieben und sich den alten Sozialstaat zurückzuwünschen, der vom Mietmarkt bis zum Arbeitsmarkt alles reguliert. Denn abgesehen davon, dass die Gründe für die neue Situation real sind und von keiner politischen Kraft ignoriert werden können, verhindert diese Strategie die Suche nach neuen Lösungen.
Ich gehöre nicht zu den Anhängern von Milton Friedman und der Idee eines radikalen Marktliberalismus, sondern würde mich eher zu den Anhängern des Kommunitarismus zählen, in dessen Zentrum der Gedanke der Gemeinschaft steht. Das heißt, nur der kann etwas von der Gemeinschaft erwarten, der auch bereit ist, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Das gilt selbstverständlich für alle Schichten. Aber das bedeutet auch, die staatlichen Leistungen an das wirtschaftlich Mögliche zu binden und die Bürger mehr in die Pflicht zu nehmen. In diesem Zusammenhang sind politische Haltungen für mich alles andere als nebensächlich. Denn gerade in Berlin gibt es eine Tendenz der Linken, viel vom Senat zu fordern und wenig an der Entwicklung von wirtschaftlichen Möglichkeiten mitzuwirken, die eine zwingende Voraussetzung von staatlichen Leistungen sind. Ein Gemeinwesen lebt von Mitbestimmung. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Aber Mitbestimmung besteht nicht nur in einem Recht auf Mitentscheidung, sondern auch in einer Pflicht, seine Interessen am Gemeinwesen auszurichten. Auch das gilt selbstverständlich für alle.
Über Ihre Antwort habe ich mich gefreut. Ich werde mich trotzdem nicht mehr in diesem Forum zu Wort melden, weil ich hier offensichtlich fehl am Platz bin. Vielleicht ergibt sich einmal eine andere Gelegenheit, die Diskussion fortzusetzen.
@ 13, PS:
Herr Holms, Sie sind keineswegs allein. Das Posten hier lohnt sich nicht. Das Forum müsste eigentlich ehrlicherweise umbenannt werden in „Moabiter Sozialromantiker unter sich“ – die Bezeichnung „Moabit Online“ ist schlichtweg irreführend.
mal eine andere frage, warum sollte man eine 100qm altbauwohnung zu dumpingpreisen in der „innenstadt“ jedem zugänglich machen, der dort 40 jahre gewohnt hat? sicher ist das für die persönlich betroffenen traurig, ohne frage.
aber wenn schon „sozialer wohnungsbau“ (der vom staat def. nicht mehr geleistet werden wird und kann), dann kauft doch das haus und lasst die miete so wie sie ist – wäre das nicht die beste lösung? warum findet hier kein zusammenschluss der betroffenen und allen denen statt die etwas dagegen haben? dann kann die modernisierung in dem rahmen stattfinden, wie es „bezahlbar“ ist und die mieten bleiben auf einem konstantem niveau und alle sind zufrieden.
Bin auch ein Verfechter von Wohnungs- oder Hauskauf, aber aus politischen Gründen, damit die Berliner „Immobilienmafia“ nicht alles „asozial“ verhökern kann. Aber das können sich leider nicht alle leisten und darum ist ein „sozialer Wohnungsbau“ notwendig. Und nicht jeder bekommt so günstige Kondiitionen wie Herr Wulff, dem völlig zu Recht die Schuhe gezeigt wurden.
Wir können in Deutschland froh über unsere „soziale Marktwirtschaft“ sein, aber wir sollten die globalen Spekulanten in ihre Schranken verweisen. Billionen wurden auf den Finanzmärkten global vernichtet, das kann nicht so weitergehen. Und wenn hier die letzten Anhänger der mittlerweile überflüssigen FDP umherjammern und wegbleiben, gut so, den euch und eure Partei braucht eh niemand.
Stellt sich die Frage, an wen geht das Parteivermögen nach der Auflösung ?
Sehr geehrter Herr R.
Nach meinem bescheidenen Dafürhalten ist es bedauernswert, dass Sie in Ihrem Kommentar, der in vielen Punkten durchaus Zustimmung findet, eine Partei für überflüssig erklären wollen. Solange in Deutschland Menschen leichtfertig darüber urteilen, wer wen brauch, wann jemand wegbleiben darf oder glauben anmaßend darüber entscheiden zu können, wer in unserer freiheitlich demokratischen Bundesrepublik „brauchbar“ und “ überflüssig“ ist, haben WIR eine freiheitlich demokratische Partei, die FDP, nötiger als je! Man mag über die Parteipolitiker der FDP, ihrer an der Regierung beteiligten Politiker durchaus unterschiedlicher Meinung sein, alles darf man kritisieren und durch den Kakao ziehen! Was sie aber formulieren, ist meiner Meinung nach, zutiefst bedenklich, da undemokratisch!
Mit freundlichem Gruß
ein nicht FDP-Mitglied
Lieber Ranè,
die Calvinstraße 18 +19 gehört schon seit Jahren nicht mehr der Degewo! Die Wohnungen wurden damals unter erstaunlich findiger Mithilfe der Präzisa in Eigentum umgewandelt und nicht wenige Eigentümer haben trotz guten Verträgen zum Mieterschutz zur Gentrifizierung beigetragen.
Auch hier wurde in den Neunziger Jahren mit einem minderwertigen Dachausbau begonnen und die Bausubstanz ist nach schweren Kriegsschäden und billigem Wiederaufbau wirklich sehr anfällig. Aber man hat hier einen Eimer frische Farbe raufgekippt und da ein bisschen von außen poliert und mit der Lage geworben.
Jetzt sehen sich Eigentümer und Mieter mit Verfallsschäden in der Bausubstanz konfrontiert und die Eigentümer wollen lieber sparen, als instand halten. Ein Trauerspiel in Mini-Version, bedauerlich allemal.
Meinungen sind undemokratisch ? Und es entscheiden ja eh die WählerInnen und da die letzten Umfragen bei ca. 2 % liegen, darf man schon mal über eine Auflösung nachdenken.
@ BVM
Nun, ich wohnte bis zum 1.4.1999 in einer der 4 Dachgeschosswohnungen der Calvinstrasse 19. Einen „minderwertigen Dachausbau“ konnte ich nicht feststellen, allerdings Mängel beim Schallschutz zur Nachbarwohnung und ein fehlender Aufzug zum 6. Stock. Die Terrasse und der Blick waren allerdings zauberhaft, woran sich auch meine Tochter noch gut erinnern kann. Danke für die Info, wollte eh mal meine Nachmieter besuchen.
Heute fand zum Thema eine sehr interessante Gesprächsrunde im Café Moabit statt, wer sich für das Protokoll interessiert, kann uns gerne eine E-Mail senden: verein@moabit-ist-beste.de (Protokoll 5. Runder Tisch).
Man ist sich einig, ein Interessenkreis mit verschiedenen Aufgabenbereichen könnte evtl. in einigen Fällen hilfreich sein. Ein Teil der anwesenden Personen bot im Vorfeld schon Hilfe an, vielleicht gibt es hier auch noch einige Personen, die sich in so einem Kreis aktiv zeigen wollen?
Wieso „die letzten Mohikaner“? Ist der Indianderstamm der Mieter von der Calvinstr. 21 vom Aussterben bedroht?
Ist ja wieder mal ein „Streit um des Kaisers Bart“ hier. Im Kern geht es doch erneut um einen stadtbekannten skrupellosen Spekulanten, der mit leider offenbar halblegal „TERRORISTISCHEN MITTELN“ Mieter_innen aus dem Haus powert.
Oft machen dies Spekulanten nicht selbst, sondern geben Aufträge dazu an die entsprechenden, leider auch unbehelligt am Rande der Legalität (bzw. häufig mit illegalen Mitteln arbeitenden), „Spezial“-Firmen / Subunternehmer, die unschwer mit ein bisschen googeln gefunden werden können. Diese haben ihre „bewährten“ Praktiken, die sie dreist anpreisen. Landauf, landab ist dies seit Jahrzehnten gang und gäbe und verstärkt sich in Hoch-Konjunkturen der Spekulation bis ins Groteske.
Es ist nicht übertrieben zu konstatieren, dass diese Praktiken viele Menschenleben ruiniert und gekostet haben (ich kenne einige Fälle) und dies immer noch tun, insbesondere wenn ältere Menschen betroffen sind. Der Skandal liegt darín, dass ein angeblicher RECHTSSTAAT seine Bürger_innen entweder nicht schützen kann oder WILL und permanent gewissenlose Schurken protegiert und fördert – und das weit parteiübergreifend. Ist das reines permanentes Versagen, oder liegt das im System?
Ich rede hier nicht aus der lauen Luft, sondern aus jahrzehntelanger eigener, mittelbarer oder beobachtender Erfahrung. In aller Regel unterliegen Mieter_innen den legalen oder weniger legalen und auch illegalen „Maßnahmen“ der Eigentümer (GG „Eigentum verpflichtet.“) in dieser „Sozialen Marktwirtschaft“ und der gewinnsüchtige Schurke obsiegt triumphierend um sich flugs der nächsten Beute zu widmen. Die Methoden kennen wir alle: sie reichen von unverschämten Mietsteigerungen, legalistischer Verschleiss-Schlacht gegenüber den mehr oder weniger (oft mittellosen) hilflosen „Schlachtopfern“ bis im Extremfall zu Mobbing, Gesundheitsgefährdung, Bedrohung, Erpressung, Demolier- und Schlägertrupps, Mordversuchen und hier und da auch mal zu vollendetem Mord (Ansägen von Gasleitungen, Killerkommandos, „heißer Abriss“). Nein ich hab nicht zu viel Krimis gelesen – nur Zeitung.
Erstaunlich ist, wie oft OFFENSICHTLICH strafrechtlich relevante Handlungen von Spekulanten gegenüber den Opfern absolut ungesühnt bleiben. Sie müssen sich in ihrem Tun ja bestätigt fühlen. Es ist etwas faul im Staate D, aber nicht erst seit gestern.
Heute ein super Artikel zur Calvinstraße 21 im Tagesspiegel:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/wand-gegen-die/6196686.html
und allgemeine Infos
http://www.tagesspiegel.de/berlin/die-umgebung-die-umgebung/6196692.html
sowie eine Fotostrecke mit 14 Bildern von der Lebenssituation im Haus:
http://www.tagesspiegel.de/mediacenter/fotostrecken/
Heute wurden die Räumungsklagen verhandelt, die Abendschau berichtete:
http://www.rbb-online.de/abendschau/archiv/archiv.media.!etc!medialib!rbb!rbb!abendschau!abendschau_20120221_prozess.html
Am Rande des Prozesses von letzter Woche (siehe oben den Abendschaubeitrag, vermutlich nur noch 1 oder 2 Tage im Netz) berichtete Frau Brandenburger übrigens in einer Pause,
dass vor etwa 14 Tagen, als Anfang Februar (!), ein Mitarbeiter des Bezirsamts, Bau- und Wohnungsaufsicht, bei ihr vorbeigekommen sei, um nachzusehen, ob vor ihren Fenstern tatsächlich eine Mauer steht. Sie musste die Fenster aufmachen, damit die Wand befühlt werden konnte. Na ja, digitale Bildbearbeitung würde es ja möglch machen, aber das Haus, das da nun steht und ganz sicher mit Baugenehmigung gebaut wurde, ist ja nun real und nicht nur durch ihre Fenster zu sehen.
Eigentlich müsste man mal im Amt vorbeigehen und sich die Akten zeigen lasen, warum so etwas genehmigt werden konnte.
Ein bzw. 5 Urteile wurden ja noch nicht geprochen, sondern für April angekündigt, doch sagte der Richter, dass er sich inhaltlich abschließend mit den Räumungsklagen beschäftigt habe und dzu tendiere diese abzuweisen., da er die Mietminderungsberechtgung in sämtlichen Fällen annehme.
Nun hatten die Kläger (Vermieter) noch sog. „Hilfsanträge“ eingereicht, bei denen man dann landet, wenn die Räumungsklagen abgewiesen werden, das sind riesige Schriftsätze, die z.B. Angebote für Umsetzwohnungen enthalten und die noch geprüft werden müssen (der Angeklagtenvertreter hat sie erst beim Prozess erhalten).
Zusätzlich brachte der Kläger noch vor, dass eine Mieterin für März 2011 gar keine Miete gezahlt habe. Da sagte der Rechtsanwalt der Mieter zu, das zu überprüfen und gegebenenfalls nachzuholen. Bei der beklagten Mieterin handelt es sich um eine 84jährige Dame.
Ein Mieter hat übrigens unter Protest den geforderten Betrag gezahlt um die Räumung abzuwenden und stellt jetzt einen Widerklageantrag …
Eine nervenzermürbende Prozedur.
Haltet durch! Wir wünschen starke Nerven!
Beispiel Lützowplatz, hier bekommen die Mieter immerhin 35.000 Euro für den Auszug:
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/berliner-stadtentwicklung-das-ende-einer-vorzeigesiedlung,10809148,11752124.html
Trotzdem sehr unschön der Abriss der IBA-Siedlung.
Es ist unglaublich! Die Schikanen nehmen groteske Formen an, erst wird der Fahrstuhl ausgebaut, obwohl mehrere Schwerbeschädigte im Haus wohnen, dann ist der Kellerzugang zu. Die Bewohner haben per einstweiliger Verfügung erreicht, dass der Fahrstuhl wieder eingebaut werden muss:
http://twitter.com/#!/search/realtime/%23Calvinstr
Solche Typen sollte und müßte man … e n t e i g n e n. Entschädigungslos!
@ Hans
Da bin ich weitaus radikaler, aber das würde Jürgen nicht veröffentlichen.
Aber ich werde das Verkehrsrverhalten der Berliner mit meiner Fahrradcam
demnächst auf youtube veröffentlichen. Dürfte einige Euro in den klammen Haushalt bringen und div. Punkte in Flensburg.
Häh, was hat die Calvinstraße mit Verkehrsverhalten zu tun? Erschließt sich mir irgendwie nicht.
Entscheidend ist wohl, dass der Bezirk endlich mal aufwacht, und sich auf die Seite der Mieter stellt.
Dazu heute eine Presserklärung des Baustadtrats: http://www.berlin.de/ba-mitte/aktuell/presse/archiv/20120705.1155.372296.html
Irgendwann werden auch diese Abt. Stadtentwicklung, ihr Stadtrat und die SPD und CDU begreifen, dass sie ihre Philosophie in Sachen Bauvorhaben ändern müssen, weil zu „viele Berliner die Schnauze voll haben“, wie neulich zu lesen war. Siehe hierzu den Beliebtheitsgrad des Regierenden Bürgermeisters (SPD), der sich laut Umfrage im steilen Sturzflug befindet.
Ich will ja nicht unken, aber auch in 100 Jahren wird sich nix ändern. Bis zur nächsten Wahl ist alles wieder vergessen, und CDU/SPD werden wieder mit hohen Stimmenanteil gewählt werden.
Wenn Wowereit in der politischen Versenkung verschwindet, würde ich die Sektkorken knallen lassen.
Vielleicht brennt auch wieder eine Matratze und die Berliner Feuerwehr kommt zu spät. Es gibt auch in der SPD hervorragende Leute, es sind die Frauen.
Welche denn? Ich seh nur stromlinienförmige. Hab auch noch von keinem SPDler(in) eine Entschuldigung für die Agenda 2010, HartzIV und Rentenkürzung gehört. Und ihre Finger zur Rettung der Bankenkrise, verniedlicht Schulden oder Staatskrise genannt, werden sie auch wieder hoch recken.
@ Hans
Ich nenne mal zwei, Hannelore Kraft und Manuela Schwesig ! Ich glaube, beide hätten sich, im Gegensatz zu Wowereit, hinter die Mieter der Calvinstrasse gestellt. Zum Glück gibt es ein Medienecho und den Berliner Mieterverein. Aber wer in Berlin politische Verantwortung hat, sollte solche Vorfälle zu seiner Chefsache machen.
[…] Urteile des Berliner Landgerichts nachgeliefert werden. Dabei standen die Klagen der Mieter der Moabiter Calvinstraße 21 im Mittelpunkt. In dem Haus wehren sich mehrere Mieter gegen eine […]
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