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Anwohner*innen-Initiative für Tempo 30 in der Perleberger Straße

Schon im November letzten Jahres haben Philipp und Jonas die Initiative für Tempo 30 in der Perleberger Straße mit einer Petition gestartet. Sie haben viele Gespräche mit Anwohner*innen und Politiker*innen geführt um das erste öffentliche Anwohner*innen-Treffen gut vorzubereiten. Schließlich haben sie das QM-Projekt „Moabit-Ost aktiv gegen Klimawandel“ mit Thomas Büttner (hier Kontaktdaten) als Unterstützer gewonnen.

Ausgegangen sind sie von der Idee vor ihrem Wohnhaus Perleberger Straße 55 ein Parklet zu installieren. Weil die Perleberger Straße zum Haupt­straßen­netz gehört, für das nicht der Bezirk, sondern der Senat zuständig ist, haben sie einen Brief an die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klima­schutz und Umwelt (SenUVK) geschrieben (zu diesem Zeitpunkt hieß sie noch Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klima­schutz). Die Antwort lautete: Es ist nur erlaubt auf einem Parkplatz ein Parklet zu bauen, wenn in der Straße Tempo 30 gilt. Daraufhin haben sie die Petition gestartet, auch das Quartiersmanagement Moabit-Ost hat die Petition beworben.

Bereits 2018 gab es eine Initiative für Tempo 30 in der Perleberger von Nachbar*innen aus der Perleberger Straße 44. Hier wurde mit den hohen Lärmpegeln und den daraus entstehenden Gesundheitsrisiken argumentiert.

Es geht ihnen – wie vielen anderen auch – nicht nur um die erlaubte Geschwindigkeit, sondern um Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum – mehr Raum für Menschen statt Autos. Es ist zu laut, es gibt zuviel Feinstaub, zu wenig Bänke und Grün. Dazu schreiben sie: „die Geschwindigkeit auf der Perleberger Straße auf 30km/h begrenzen – das ist das Ziel unserer Initiative. Für einen Kiez, in dem auf der Straße nicht der Individualverkehr Vorrang hat, sondern die verschiedenen Mobilitätsbedürfnisse berücksichtigt werden. Als Anwohner:innen ist es in unserem Interesse, dass die Perleberger Straße mehr als eine Hauptverkehrschneise ist. Im Gegenteil ist es Ziel der Initiative zu erreichen, dass wir zukünftig geringeren Lärm- und Feinstaubbelastungen ausgesetzt sind, und die Perleberger Straße zu einem wird Ort, an dem wir uns gerne draußen, außerhalb unserer Wohnungen aufhalten und treffen können.“

In Berlin wurde 2018 ein Mobilitätsgesetz verabschiedet, das den Vorrang des Umwelt­verbundes aus öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV), Fuß- und Radverkehr festschreibt. Ziel ist „ein effizientes Verkehrssystem für Berlin und nach Brandenburg, das wirksamen Klimaschutz, ein hohes Maß an Verkehrssicherheit, garantierte Mobilität für alle und faire Flächenaufteilung realisiert.“ Das bedeutet auch Straßenumbau und mehr Raum für zu Fuß gehende Menschen. Straßen sollen nicht nur dem motorisierten Verkehr dienen.

Am 19. April fand das erste Anwohner*innen-Treffen im Perlou in der Perleberger Straße 58 statt. Es kamen etwa 30 Personen, die meisten aus der Perleberger und benachbarten Straßen wie Quitzow-, Lehrter-, Rathenower-, Stephan- und Lübecker Straße.

Als Referent eingeladen war Stefan Lehmkühler von Changing Cities Central (ehem. Netzwerk fahrradfreundliche Mitte). Er brachte seine fachliche Expertise mit einen Folien-Vortrag ein, der im ersten Teil auf einer Publikation des Umweltbundesamtes (erarbeitet von LK Argus) zur „Wirkung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen“ von November 2016 beruhte. Es folgten Folien zur Luft- und Lärmbelastung (Tag/Nacht) aus verschiedenen Publikationen des Referats Immissionsschutz der Senatsverwaltung zum Luftreinhalteplan sowie zur Verkehrs­mengen­berechnung und -prognose.

Seine Einschätzung: es ist ziemlich schwer die Senatsverwaltung zur Anordnung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen zu bewegen. Nur mit vielen Aktionen und guten Argumenten kann das gelingen. Im neuen Koalitionsvertrag steht, dass „grundsätzlich Tempo 50 auf Hauptstraßen gelten [soll] und Tempo 30 auf Nebenstraßen und dort, wo es sinnvoll ist. In Berlin soll Tempo 30 dort gelten, wo die gesundheitsgefährdenden Grenzwerte von Lärm- und Stickoxiden überschritten sind und dort, wo es die Verkehrssicherheit gebietet, wie beispielsweise vor Kitas, Schulen, Senioren- oder Betreuungseinrichtungen. (S. 55)“

Auch das Einladungsplakat war nicht korrekt, denn bei Tempo 30 auf der Perleberger wird nicht um eine „Tempo 30 Zone“ handeln, selbst wenn in den benachbarten Nebenstraßen bereits Tempo 30 Zonen angeordnet sind. Viele Ansatzpunkte und Argumentationslinien sind in der Publikation des Umweltbundesamts genannt: Es ist nicht zu vermuten, dass die anliegenden Nebenstraßen durch Schleichverkehre höher belastet werden. Nach Anordnung von Tempo 30 nehmen die Geschwindigkeiten signifikant ab, auch wenn es dafür oft einen längeren Eingewöhnungszeitraum braucht. Die Luftschadstoffbelastung nimmt ab, wenn es gelingt den Verkehrsfluss beizubehalten oder zu verbessern, also muss die Ampelschaltung angepasst werden. Die Lärmbelastung nimmt in der Regel spürbar ab (3 dB). Unfallfolgen sind wesentlich geringer, denn bei Tempo 50 entspricht schon der Reaktionszeitraum, bis die Bremse betätigt wird, der Bremszeit bei Tempo 30.

Interessant fand ich in Bezug auf die gwünschte Leistungsfähigkeit einer Hauptverkehrsstraße die sogenannte Sättigungsverkehrsstärke. Bei höherer Geschwindigkeit sind größere Abstände notwendig, sodass letztendlich die gleiche Anzahl an Fahrzeugen unterwegs sein können, wie dieses Schaubild gut erklärt:

Viele weitere Argumente wurden vorgetragen und diskutiert. So ist die Verkehrsstärke der Perleberger Straße mit 30.000 Fahrzeugen täglich für eine Hauptverkehrsstraße eher klein und könnte locker mit einem Fahrstreifen je Richtung abgewickelt werden. Mindestens ein Teilstück der Perleberger von der Stromstraße bis hinter der Birkenstraße könnte mit dem Argument der dort liegenden Kitas beruhigt werden. Dafür hat Lehmkühler eine Karte mit Kita- und Schulstandorten vorbereitet. Diese Argumentation mit Kitas hat Anfang diesen Jahres bei der Einführung von Tempo 30 für Alt-Moabit überzeugt. Zusätzlich kommt dort eine höhere Luftbelastung hinzu.

Lehmkühler schlägt vor die BVG mit ins Boot zu holen, die wegen des Bus M27 möglicherweise gegen Tempo 30 argumentieren könnte. Dafür schlägt er Buskaps vor hinter denen der motorisierte Individualverkehr warten müsste. Platz für Aufenthaltsflächen und grüne Infrastruktur wäre genug vorhanden. Vielleicht finden sich auch noch im Rechtsgutachten der RA Geulen & Klinger für die Deutsche Umwelthilfe zu „Rechtlichen Möglichkeiten der Anordnung von innerörtlichem Tempo 30. Eine Orientierungshilfe für Kommunen und Anwohnende“ weitere Argumentationslinien.

Bei der Planung zu Umbauten im Straßenraum sollte allerdings berücksichtigt werden, dass in der langfristigen Planung auch für die Perleberger Straße eine Straßenbahn geplant ist (s. ÖPNV-Bedarfplan im Nahverkehrsplan).

Das zweite Anwohner*innen-Treffen findet am 3. Mai 2023 um 19 Uhr im Seminarraum der Heilige-Geist-Gemeinde, Perleberger Straße 36.
Im Aufruf dazu heißt es: „Wir wollen eine gemeinsame Strategie erarbeiten, Aufgaben verteilen, Aktionen planen, um weitere Mitstreiter*innen zu gewinnen, sich für eine lebenswertere Perleberger Straße zu engagieren (Verkehrsberuhigung, Begrünung, Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum, etc.). Bringt dazu gerne neue Leute, z. B. eure Nachbar*innen mit.“

Kontakt zur Anwohner*innen-Initiative per Mail an philipp.proff@gmx.de.

Bitte unterstützt die Petition bei Change.org: https://www.change.org/p/tempo-30-in-der-perleberger-stra%C3%9Fe-f%C3%BCr-mensch-und-umwelt

Heute ist zum Thema ein Artikel mit weiteren Argumenten in der Berliner Woche erschienen.

4 Kommentare auf "Anwohner*innen-Initiative für Tempo 30 in der Perleberger Straße"

  1. 1
    Susanne says:

    Das nächste Treffen der Initiative findet statt am Mi. 24.5. 19 Uhr im Seminarraum der Heilige-Geist-Gemeinde:
    https://moabitonline.de/events?event_id=26478&lang=de

  2. 2
    Jürgen Schwenzel says:

    Und weiter geht’s zwei Wochen später mit dem nächsten Treffen der Initiative am Mi. 7. Juni, 19 Uhr wiederum im Seminarraum der Heilige-Geist-Gemeinde:
    https://moabitonline.de/events?event_id=26539

  3. 3
    H. E. says:

    Ich wünsche der Initiative viel und baldigen Erfolg, fürchte aber, dass man der neuen Senatorin für Verkehr (ausgerechnet CDU) im Sinne von Klara Franke kräftig auf die Füsse treten muss, bis sie sich im Sinne von Anwohnern bewegen wird.
    Dabei könnte man Tempo 30 eigentlich zwischen Hauptbahnhof und Bahnhof Jungfernheide flächendeckend einführen, wobei es auch für Autofahrer eher Vorteile als Nachteile geben würde. Aber die Berliner Politik ist (nicht nur) in dieser Hinsicht leider immer noch in der Steinzeit.
    Ein Problem für Moabit wird in den allernächsten Jahren möglicherweise auch der immense Umleitungs- und Baustellenverkehr, der durch drei riesige notwendige und gleichzeitig stattfindende Baustellen auf der A100-Stadtautobahn entstehen wird, da dort die Brücken aus Stahlbeton marode sind:
    – Kompletter Neubau der über 750 Meter langen A100-Rudolf-Wissell-Brücke
    – Kompletter Neubau der Westendbrücke (A100-Fahrbahn über die Fern- und S-Bahngleise nahe Bhf. Westend)
    – Kompletter Neubau des Autobahndreiecks Funkturm mit 25 (!!) Brücken.

  4. 4
    Taylan says:

    Neben dem überhöhten Tempo in der Perleberger Straße ist auch Handlungsbedarf bei der Kreuzung Perleberger Straße / Ecke Lehrter Straße. HIer ist auch ein Unfallschwerpunkt, jedoch sieht der Senat keinen Handlungsbedarf: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-15935.pdf

    Notwendig wäre es auf dieser Kreuzung zumindest die Radwege neu zugestalten, die auf der Seite richtung Ellen Epstein Straße zwischen den Autospuren untergehen.

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