„Ich war immer ein Unruhegeist“
10 Jahre Galerie Udo Würtenberger
Mit einer Ausstellung eigener Holzschnitte eröffnete Udo Würtenberger im Jahr 2009 seine gleichnamige Galerie in der Elberfelder Straße. Dass die Galerie nunmehr im 10. Jahr besteht, ist insofern bemerkenswert, als ihre Gründung zu einem Zeitpunkt geschah, zu dem die Laufbahn des ehemaligen Grund- und Hauptschullehrers im baden-württembergischen Calw bereits hinter ihm lag. Auf die Frage, wie er dazu kam, Kunst zu unterrichten, sagt er lakonisch: „In der Schule hieß es damals: Wer macht Kunst? – Würtenberger macht Kunst!“ Dabei ist es geblieben. Und als Udo Würtenberger in die Hauptstadt kam, um etwas Neues anzufangen, sollte es, selbstredend, wieder um Kunst gehen. Die Räume in der Elberfelder Straße waren dazu wie geschaffen. Künstlerisch tätig war Udo Würtenberger bereits in seiner Zeit als Lehrer, eine Galerie aufzubauen und zu führen, war jedoch etwas Neues; weniger ein ‚Wagnis im Alter’ als ein Aufbruch in neue Gefilde.
Seit der Gründung waren neben den eigenen Arbeiten des Galeristen zahlreiche Ausstellungen von internationalen, nationalen und Künstlern aus dem unmittelbaren Umfeld zu sehen: Hier haben die Malerin Rosa Baum aus dem Schwarzwald, der Berliner Karikaturist Paul Labowsky, die Künstlerin Giuliana del Zanna oder Tomoko Mori und Eriko Yamazaki von der Kunsthochschule Weißensee und andere ausgestellt, die blutjunge Sophia Kaiser hat erstmals ihre Holzschnitte gezeigt, und kürzlich war die internationale Gruppe „7 malen am Meer“ in der Galerie zu Gast. Auch die Verfasserin stieß mit ihrer Arbeit – der Fotografie – auf die Offenheit des Galeristen, die anstelle einer Beschränkung auf eine einzelne Kunstgattung das Ausstellungsprogramm von Beginn an bestimmte.
Die Galerie selbst – ein an sich überschaubarer Raum – erschien mit jeder Veranstaltung in immer neuer Verwandlung: Sie wurde zur Lesebühne: Helmut Ulrich, Alexander Soth und andere Autoren fanden hier – manche zum ersten Mal – ihr Publikum. So auch beim Moabiter Lesemarathon 2017, einem Experiment, bei dem 12 Autoren eigene oder Lieblingstexte im Viertelstundentakt vortrugen.
Zweimal schon (und ein drittes Mal folgt am 8. Dezember dieses Jahres) wurden die Räume zum Café, als sie, kurzerhand zum „Pfannkuchenhaus“ umgewandelt, gastronomisch für einen guten Zweck eingespannt waren; Erlöse aus Getränken, Pfannkuchen und dem Verkauf von Bildern kamen sämtlich einem sozialen Zweck zugute. Sie wurden zum Theater, das mit Marionettenspiel jüngere wie ältere Besucher verzauberte. Sie wurden zum Atelier, in dem der Galerist in Workshops sein Können als Holzschneider an lernwillige Schüler weitergab. Fast schon selbstverständlich traten zu den Vernissagen mitunter hochkarätige Musiker auf. Mit der Galerie entstand, gewissermaßen im „Herzen“ des Westfälischen Viertels, ein Zentrum, ein Anziehungs- und Treffpunkt nicht nur für Kiezbewohner, was sich auch in den hohen Besucherzahlen beim jährlichen „Ortstermin“, dem Moabiter Kunst-Wochenende niederschlug.
In Udo Würtenbergers künstlerischer Arbeit, den Holzschnitten, aber auch in den zum Teil schon früher entstandenen Aquarellen, lassen sich zumindest zwei Schwerpunkte ausmachen: Die Provence – als Landschaft und Sehnsuchtsort –, die als Motiv in verschiedenen Variationen immer wieder erscheint, und die Beschäftigung mit „Heimat“, die für den Holzschneider immer auch die Frage der bildnerischen Heimat ist. In „Moabit III“, einem großen Farbholzschnitt, sind sowohl Elemente der Siegessäule als auch des provenzalischen Symbol-Baums – der Zypresse – verarbeitet.
Neben den Holzschnitten, die Udo Würtenberger mit Hohleisen in Lindenholz-, bei größeren Formaten in Fichtenholzplatten schneidet, und später per Hand oder mit einer Handpresse auf Papier abzieht, entstanden in Zusammenarbeit mit Autoren wie Heiko Hartmann oder Jörg Sader Illustrationen zu Kunst-Büchern in kleinen, handverlesenen Auflagen.
Wer Udo Würtenberger kennenlernt, hat es nach eigener Aussage mit einem „Unruhegeist“ zu tun, vor allem aber mit einem aufrechten Menschen, der grundsätzlich bereit ist, uneigennützig zu handeln. Und knapp zu kommunizieren. Sein gelegentlich eher „trockener“ Kommunikationsstil bemüht typischerweise einen Ton von ironischer Bescheidenheit. Ein Schelm, wer Größe dahinter wittert?
Text und Foto: Anette Wörner
Kontakt:
Galerie Udo Würtenberger, Elberfelder Straße 10, 10555 Berlin