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Neuer Showroom von retro-nova

Eine rote Gartenbank aus Fiberglas hängt an der Wand. Tische, Stühle, Geschirr, Sofas aus dem 20. Jahrhundert und viele Lampen, zum Beispiel diese runden Kugelleuchten aus den 60ern, sind in den zusätzlichen neuen hellen Räumen ausgestellt, die retro-nova im Dezember 2009 eröffnete. Bereits seit vielen Jahren besteht das Geschäft von Heino Lampel und Stefan Küken in der Wilsnacker Straße. Dort am anderen Ende der Straße gab es bisher zwar ein kleines Schaufenster, durch das die edlen Möbel bewundert werden konnten, doch keine Öffnungszeiten. Verkauf und Verleih liefen fast ausschließlich über die Webseite und Terminvereinbarungen. Könnte das eine Erklärung dafür sein, dass Lampel und Küken in Asien bekannter sind als in Moabit? Nein, das liegt wohl eher an der Millionenauflage eines alternativen Reiseführers aus Taiwan „Prost! Berliner Straßen“, der mit Che auf dem roten Titel das Berlin der Seitenstraßen abseits vom Rummel um Sehenswürdigkeiten beschreibt (siehe Bilderleiste unten). Und vielleicht ändert sich das auch mit dem neuen Showroom.

Stefan Küken (links) wohnt seit 25 Jahren in Moabit. Seit 30 Jahren ist er Raumausstatter und Restaurator mit Meisterbrief. Antiquitäten, die er damals noch in Wiesbaden restaurierte, stammten aus Barock oder Biedermeier. „Es war eine schöne Arbeit Möbel aus der Zeit von 1650 bis 1850 aufzuarbeiten. Aber meine Liebe gilt dem modernen Stil des 20. Jahrhunderts,“ erklärt er. Im 20. Jahrhundert brachte fast jedes Jahrzehnt eine neue Formensprache hervor und immer wieder neue Materialien zum Einsatz. Diese Vielfalt fansziniert ihn, und immer mehr Menschen sind ebenso begeistert. Retro ist weltweit zum Trend geworden. In Berlin gibt es etwa 60 Läden, die diesen Trend bedienen, die meisten in Mitte oder Prenzlauer Berg.  Alte Originale zu finden ist deshalb gar nicht so einfach. 8-10 Mal im Jahr reisen Lampel und Küken auf Märkte, Messen und Auktionen, meistens nach Süddeutschland, aber auch bis nach Belgien und Luxemburg. Sie kaufen, was ihnen persönlich gefällt und was sie der Nachwelt gerne erhalten möchten.

Retromöbel werden auch nachgebaut. Doch sind Materialen wie Palisander oder Teak heute gar nicht mehr oder nicht mehr in der gleichen Qualität zu bekommen. Bäume aus Plantagen werden oft zu früh „geerntet“, bevor das Holz die besonderen Eigenschaften entwickeln konnte.  Bei retro-nova gibt es die aufgearbeiteten Orginale. Die gute Verarbeitung dieser Möbel macht es möglich. Doch gibt es auch Stücke, die tatsächlich immer noch oder wieder hergestellt werden: wie das schwarz-weiße Sofa „Lota“, 1924 von der berühmten Architektin Eileen Gray für ein Appartement von Madame Mathieu-Levy in Paris entworfen. Es gefiel ihr so gut, dass sie ein zweites Exemplar für ihre eigenes Landhaus in Südfrankreich baute. In den 60er Jahren wurde es wieder entdeckt und noch bis heute hergestellt. Oder der 1967 von Horst Brüning für die Firma Kill in Fellbach entworfene Lederzweisitzer, der tatsächlich 2008 mit dem Desingpreis „Best of the Best“ auf der IMM Cologne ausgezeichnet wurde. Auch von Le Corbusier, Charles Eames und Verner Paton ist momentan etwas vorrätig oder auch Originalsessel der DDR-Fluggesellschaft Interflug. Alle diese Berühmtheiten haben natürlich ihren Preis.

Verkauft wird nicht nur nach Berlin, Deutschland oder Europa, sondern auch nach Taiwan, Hongkong oder Vietman. Gerade in Asien ist das Interesse groß. Die rote Gartenbank wurde übrigens 1964 für die Firma Wilkhahn von Walter Papst entworfen, dem bis zum 21.3.2010 eine Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst in Köln gewidmet war.

retro-nova, vintage furnishing of the 20th century, laden & showroom: Wilsnacker Straße 62, 10559 Berlin, fon: 39806399, mobil: 0160 96514190, e-mail: welcome@retro-nova.de

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Dieser Artikel ist zuerst erschienen in LiesSte, Zeitung für den Stephankize, April 2010

Nachtrag:
Klarer Fall von Verdrängung von Gewerbetreibenden, die luxemburgische Eigentümergesellschaft wollte die Miete verdoppeln.

Die Nachbar*innen wurden regelmäßig mit Informationen im Ladenfenster auf dem Laufenden gehalten: „am 27. Mai werden wir verrückt“ oder

„Von Astrophysik, Wurmlöchern und Zeitreisen / Unsere Tage in der Wilsnacker Straße 62 sind gezählt. Am 27. Mai erreichen wir den Ereignishorizont, verschwinden in einem Wurmloch und tauchen dann am anderen Ende der Straße wieder auf. / Faszinierend!“ und

„So das wars / Das Projekt SHOWROOM. Wilsnackerstraße 62 ist abgeschlossen und beendet. Das Projekt WHITE VINTAGE BOX in der Wilsnacker Straße 32 beginnt. / Wir verkaufen geile Möbel, so oder so!“ und einer Danksagung an alle namentlich bekannten und unbekannten Nachbar*innen.

Neue (alte) Adresse:
retro-nova, Wilsnacker Straße 32, 10559 Berlin, mobil: 0160 96514190, e-mail: welcome@retro-nova.de

19 Kommentare auf "Neuer Showroom von retro-nova"

  1. 1

    […] Siehe dazu auch den Bericht in Moabit Online. […]

  2. 2
    Mieter-Aktivist says:

    Sollen wir jetzt sagen: immerhin 7 Jahre! Nein! Das Geschäft hat die Kündigung zum Sommer bekommen. Die doppelte Miete wird erwartet!
    Wer weiß Ausweichräume – möglichst im Moabit!
    Jetzt wird es doch wohl bald nötig in Moabit eine ebenso schlagkräftige Initiative auf die Beine zu stellen, wie sie Bizim Kiez in Kreuzberg ist – kleine Gewerbetreibende müssen unterstützt werden!
    http://www.bizim-kiez.de/
    http://www.bizim-kiez.de/blog/2017/02/01/der-doppelte-sinn-des-schutzes-von-kleingewerbe/

  3. 3

    @Mieter-Aktivist,
    vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihr Engagement.
    Durch Ihren Beitrag haben wir heute schon ein schönes Angebot für neue Räume in Moabit erhalten. Das freut uns sehr (!) und wir werden uns das gleich anschauen.

    Allen Moabitern, die uns in den letzten Jahren gemocht und unterstützt haben, möchten wir an dieser Stelle auch herzlich danken. Es hat uns großen Spaß gemacht, gemeinsam mit unseren Nachbarn, die Wilsnacker Straße etwas zu beleuchten und zu beleben. Neben unserem Geschäft, war es uns auch immer ein Anliegen, einen kulturellen Beitrag in Moabit zu leisten, eine Alternative zu Spätkauf, Handyladen und Casinos zu bieten. Das ist uns gelungen und das gelingt uns ab Spätsommer hoffentlich auch an einer anderen Stelle. Sobald die Pläne konkret werden, lassen wir Euch das gerne wissen.
    retro-nova geht weiter!

  4. 4
    Vilmoskörte says:

    zu 3: Das klingt ja gut, ich drücke die Daumen, dass die Räume taugen!

  5. 5
  6. 6

    Die Verdrängung von Läden in Kreuzberg schlägt hohe Wellen – doch Proteste haben genützt, Bantelmann hat einen neuen Mietvertrag:
    http://www.bizim-kiez.de/blog/2017/03/11/bantelmann-gerettet/

    Diskussion um Recht und Gewalt:
    http://www.bizim-kiez.de/blog/2017/03/06/recht-und-gewalt-ein-kommentar-zum-angriff-auf-das-vertikal/

    Milieuschutz für Läden wird ins Gespräch gebracht:
    http://www.bizim-kiez.de/blog/2017/03/16/milieuschutz-fuer-laeden/

  7. 7

    Bantelmann gerettet, Link s. oben Kommentar Nr. 6
    Filou gerettet, siehe TAZ, Interview mit Charles Skinner
    https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5391727
    und ganz aktuell
    … auch Kisch & Co gerettet, es gibt eine vorläufige Einigung mit Berggruen, der Protest heute wurde abgesagt:
    http://berlin.zwangsraeumungverhindern.org/2017/03/29/kisch-co-kundgebung-entfaellt-vorlaeufige-einigung-mit-berggruen/
    http://wem-gehoert-moabit.de/termine/?event_id=397

    Also liebe Gewerbetreibende in Moabit, werdet aktiv bei Problemen, informiert und organisiert die Nachbarschaft – auch Telefonaktionen machen Sinn, wie hier für diese Änderungsschneiderei:
    http://berlin.zwangsraeumungverhindern.org/2017/03/28/bericht-zur-telefonaktion-am-23-3/

  8. 8
    Zeitungsleser says:

    Auch Kisch & Co. in der Oranienstraße hat einen neuen Mietvertrag:
    http://www.berliner-zeitung.de/berlin/kreuzberg-wie-ein-kiez-buchhaendler-gegen-einen-investor-kaempft-26693466

  9. 9
  10. 10
    Zeitungsleser says:

    @9,
    Glück im Unglück für den Teeladen in Prenzlauer Berg, Laden zur Untermiete gefunden, nur 400 Meter entfernt, heute Umzugskette:
    http://www.tagesspiegel.de/berlin/prenzlauer-berg-das-teeater-muss-umziehen-wegen-mieterhoehung/19963388.html

  11. 11
  12. 12

    Kleines Zahlenspiel
    Die Ab-/Übergabe des Ladengeschäfts in der Wilsnacker Straße 62 hat reibungslos geklappt; und am Nachmittag schmückte auch schon ein vollmundiges „BÜRO/LADENFLÄCHE-im charmanten-Altbau-zu-vermieten!-Plakat“ das Schaufenster. Die Nettomiete beträgt nun 1489,80 EUR, zzgl. 175,05 EUR Nebenkosten, zzgl. fünf (!) Bruttomieten Kaution (8234,25 EUR), zzgl. 1,19 % der Nettomiete (1772,86 EUR) für den Makler.
    Für insgesamt 11761,96 EUR (alle o.g. Kosten inkl. 1. Miete) kann man jetzt dort einziehen und sein Geschäft betreiben.
    Da fragt man sich, ob die Besitzer aus Luxemburg ihr Angebot explizit an ortsunkundige Neuberliner richten, ob sie einfach nicht begreifen wie Moabit eigentlich tickt, ob sie echte Spaßvögel oder nur blind vor Gier sind. Irgendwo dazwischen wird die Wahrheit liegen.
    Ob das funktioniert, sei dahin gestellt. Langer Leerstand ist jedenfalls vorprogramiert. Und wer den Laden tatsächlich anmietet und diese Summe auf den Tisch legt, ist eigentlich jetzt schon zu bedauern.

  13. 13

    Auf der Webseite von Christian Ströbele findet sich ein Muster des Vertrages, der zwischen dem Cafe Filou und den Eigentümern der Reichenberger Straße 86 in Kreuzberg unterzeichnet wurde:
    http://www.stroebele-online.de/show/10293412.html
    Dort wird erklärt, warum der Mustervertrag in dieser Form ausgehandelt wurde und dass es wichtig ist, das an die indiviuellen Bedürfnisse anzupassen:
    http://www2.stroebele-online.de/upload/vertrag_filou_endversion_de_anonymisiert.pdf

    … und die lange Version der Geschichte in der Zeit:
    http://www.zeit.de/kultur/2017-07/gentrifizierung-kreuzberg-berlin-gewerbemieter-d17/komplettansicht

    Kathrin Lompscher will einen Neuentwurf für das Gewerbemietrecht in den Bundesrat einbringen.

  14. 14

    Die White Vintage Box von retro-nova in der Wilsnacker Straße 32 ist anscheinend jetzt geöffnet!
    Der alte Laden wird von Trendcity Berlin für neu vermietet, bzw. angeboten für 1.490 € kalt, 1.820 € warm:
    http://www.trendcity.de/immobilien/bueropraxis-buerohaus-in-berlin-mieten-tc794/

  15. 15
  16. 16
    Zeitungsleser says:

    Traurige Reportage über eine Apotheke in Neukölln, die schließen musste … wegen Mieterhöhung des neuen Eigentümers:
    http://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/gentrifizierung-in-berlin-eine-neukoellner-apotheke-muss-schliessen-nach-mehr-als-100-jahren/20719420.html

  17. 17

    Jetzt hat es auch eine Apotheke in der Paulstraße erwischt:
    https://moabit.crowdmap.com/reports/view/550

  18. 18

    Liebes Moabitonline Team,

    das Thema Gentrifizierung in Moabit ist heute beunruhigender und wichtiger den je; der Redebedarf groß und begründet.
    Eine willkürliche Kündigung, des Luxemburger Neueigentümers in der Wilsnacker Straße 62, haben wir in diesem Jahr selbst miterleben müssen. Den Rauswurf aus reiner Profitgier (und es war keineswegs so, als hätten wir keine Miete gezahlt) haben wir als Chance genutzt, um uns und unser Unternehmen neu zu ordnen. Neue, adäquate Räume sind gefunden, alle Umzugs- und Renovierungsarbeiten erfolgreich abgeschlossen.
    Der durchaus informative Artikel von Frau Torka „Neuer Showroom von retro-nova“ ist inzwischen acht Jahre alt und leider nicht mehr relevant. Auch das Interesse und die hier auflaufenden Kommentare haben mit retro-nova und unserer Arbeit längst nichts zu mehr tun. Das ist für die interessierten Leser irreführend und für uns nicht wirklich dienlich.
    Deswegen würden wir uns deutlich wohler fühlen, wenn Sie den Blog zu diesem Artikel schließen und einen neuen Blog zum Thema Gentrifizierung und Verdrängung von Kleingewerbe eröffnen.

    Vielen Dank,
    retronova

  19. 19
    Susanne Torka says:

    Sie haben recht, das machen wir jetzt so …. und bis wir es geschafft haben diesen notwendigen neuen Artikel zur Verdrängung von Gewerbe zu schreiben, können Interessierte entsprechende Hinweise vielleicht hier posten:
    https://moabitonline.de/28753