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Erneut Stolpersteinverlegung in der Thomasiusstraße

Thom-20_Pinkus-Angeh-interv_250Nachdem 2014 im August und dieses Jahr im März bereits Stolpersteine in der Moabiter Thomasiusstraße verlegt worden sind, wurden am 24. Juni 2015 weitere 20 Stolpersteine verlegt. Während Gunter Demnig die Steine auf dem Gehweg vor den Häusern in das Pflaster einfügte, verlasen Mitglieder der „Nachbarschaftsinitiative zur Verlegung von Stolpersteinen in der Thomasiusstraße“ die Lebensgeschichten ihrer früheren jüdischen Nachbarn, soweit sie sie durch Recherche hatten rekonstruieren können. Getragene Klarinettenklänge und Gesang des Kaddisch rundeten die Verlegung ab.

Vor dem Haus Thomasiusstraße 11 wurde der Stolperstein für Liane Lea Löw ausgetauscht, da der vorherige ein falsches Datum trug. Vor dem Haus Thomasiusstraße 15 wurden 16 und vor der Thomasiusstraße 20 drei Stolpersteine verlegt. Mehrere Angehörige und Nachkommen der Deportierten nahmen daran teil. Hier fragt gerade ein Journalist von Deutschlandradio Kultur, ob es sie nicht stören würde, wenn Passanten auf die Steine treten. „Nein, überhaupt nicht“, heißt es „die Stolpersteine sind eine gute Form der Erinnerung.“

Thom-15_16-steine_250Bei der Gedenkveranstaltung, die am Nachmittag im Gemeindesaal St. Ansgar in der Klopstockstraße 31 stattfand, begrüßte Sabine Weißler, Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur, Umwelt und Naturschutz, die Gäste. Die frühere Senatorin Sybille Volkholz reflektierte in ihrer Rede zur Erinnerungskultur in Deutschland die veränderten Sichtweisen der Generationen nach 1945.

Ganz besonders bewegend war die Rede von Judith Elam, die schon zum zweiten Mal den weiten Weg aus Hawaii in die Thomasiusstraße auf sich genommen hatte, diesmal um bei der Stolpersteinverlegung dabei zu sein. Sie ist die Patin des ersten Stolpersteins in der Thomasiusstraße. Sie hat die Daten recherchiert und zur Verfügung gestellt. Im Juli 2012 wurde der Stein für Walter Wolfgang Weissstein, einen entfernten Verwandten, verlegt. Er war ein Vetter zweiten Grades ihres Vaters. Sie berichtet vom Schweigen in ihrer Familie, vom Verschweigen des Holocaust, nicht nur auf Seiten der Täter, sondern auch auf Seiten der Überlebenden. Sie berichtet darüber, wie die Suche nach der Vergangenheit sie gewandelt hat (die Rede bei Youtube, siehe unten im Nachtrag).

kaddish-250Zwischen den Reden erklangen jiddische Lieder intoniert von Josef Gofenberg mit seinem Chor. Der „Klezmerkönig“ von Berlin unterrichtet unter anderem an der Musikschule Fanny Hensel.

Durch Recherchen hat die Thomasiusstraßen-Initiative ausgehend von den 2011 veröffentlichten Listen der Initiative „Sie waren Nachbarn“ bisher 114 Namen der jüdischen Opfer und früheren Nachbarn herausgefunden, die am Ende der Veranstaltung durch Mitglieder der Initiative verlesen wurden. Für alle werden Stolpersteine verlegt, bis jetzt sind 81 Stolpersteine verlegt worden. Es sind noch zwei Verlegungen vorgesehen, die nächste mit 16 Steinen im September 2015 vor den Häusern Thomasiusstraße 17 und 21 .

Zu den Aktivitäten der Thomasiusstraßen-Initiative sind schon zahlreiche Presseartikel erschienen, hier eine kleine Auswahl:
Bericht über die neu gegründete Initiative (Berliner Woche),
Shimon Lev besucht die Thomasiusstraße 11 und die Geschichte der Familie Löw (Berliner Woche),
Zur Initiative und zur Geschichte der Familie Löw (Quiez.de),
Ankündigung der Stolpersteinverlegung am 8. August 2014 (Berliner Woche),
Berichte über die Verlegung am 8. August 2014 (Berliner Woche, B.Z, Fürst-Donnersmarck-Stiftung),
Lesenswerte Reportage, die die Verschränkung der Erinnerung bespielhaft an mehreren Nachkommen der jüdischen Nachbarn und Mitgliedern der Initiative aufzeigt (Welt).
Film von der Verlegung im August 2014 (Memorial Places und Paul Boray).

Nachtrag:
Die Rede von Judith Elam bei der Gedenkveranstaltung am 24. Juni 2015 (wer sie lieber lesen möchte, kann sie hier herunterladen und hier jetzt auch in deutscher Sprache):

Eine Sendung in Deutschlandradio Kultur über die Stolpersteinverlegung.

Yermi Brenner in der taz über seine Großeltern, denen die Flucht aus Nazi-Deutschland nicht gelang, Recherche seiner Familiengeschichte und Flüchtlinge heute.

Interview mit Beate Dietrich-Pack, einem Mitglied der Thomaiusstraßeninitiative, im Zeitungsprojekt der Elternakademie der VHS, Februar 2016.

Gleis 69 e.V. hat die Rede von Judith Elam zusammen mit ihren Fotos und weiteren Infomationen zu ihrer Familie noch einmal veröffentlicht.

Die Stolpersteine in der Thomasiusstraße – bei Gleis 69 e.V.

3 Kommentare auf "Erneut Stolpersteinverlegung in der Thomasiusstraße"

  1. 1
    Susanne Torka says:

    Die Rede von Judith Elam bei der Gedenkveranstaltung am 24.6.15 auf Youtube, siehe oben im Nachtrag.

  2. 2
    Susanne Torka says:

    Die Rede jetzt auch in deutscher Übersetzung, danke Thomas!
    http://www.sie-waren-nachbarn.de/2671

  3. 3
    Susanne Torka says:

    Wieder eine Stolpersteinverlegung in der Thomasiusstraße am 24. September um 14 Uhr, Beginn vor der Nr. 21:
    https://moabitonline.de/events-2?event_id=16281

    und der TAZ-Artikel von Yermi Brenner, einem Urgroßenkel:
    http://taz.de/Erinnerung-an-juedische-Fluechtlinge/!5227108/

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