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Ein nicht ganz ernst gemeinter sportlicher Selbstversuch

Leben in der Großstadt: Überall gestählte Körper, Leute, fit wie der berühmte Turnschuh. Muckibude? Nein, diese Möglichkeit kommt noch nicht mal in die Nähe einer Option. Zu schwül. Aber da ist doch der Fritz-Schloß-Park mit dem neuen Trimmpfad samt Geräten! Andererseits – es ist wirklich ziemlich schwül. Keine Ahnung von Trimmgeräten? Egal. Solche Ausreden gelten nicht. Wenigstens gibt es dort hohe Bäume und Schatten. Ich trotte über die Kruppstraße – hab‘ mal gelesen, dass man langsam beginnen soll.

„Wo geht’s denn…????“

Einer der Jungs vom Fritz-Schloß-Park-Putztrupp versteht mich sofort und deutet mit dem Daumen nach rechts. „Immer im roten Bereich bleiben.“

Ich bin begeistert. Nicht wegen der Tartanbahn (ich glaube, so heißt dieser Belag), sondern wegen des Steins am rechten Wegesrand. 200 steht darauf. Also habe ich schon 200 Meter geschafft und es noch nicht einmal gemerkt! Auf der Wiese liegen zwei Mädels und faulenzen. Könnten sich auch mal bewegen. Ich fühle mich voll fit.

dehnen-250Ah, das erste Gerät. An einer Metallstange hängen zwei mal zwei Fußabdrücke mit Rand. Ich vermute, da soll ich mich hineinstellen. Mir ist nicht ganz klar, wozu das gut sein könnte. Laufen kann ich doch auch so. Der Typ vom Putztrupp scheint die Fragezeichen entdeckt zu haben, die über meinem Kopf schweben und schließt zu mir auf. „Das ist ganz einfach. Immer gehen und ganz weit schwingen, so weit wie möglich. Das dehnt.“

Soso. Dehnt. Hab mal gelesen, dass es wichtig ist, Muskeln und Sehen zu dehnen, ehe man so richtig loslegt. Sportlich, meine ich. Die Sekunden dehnen sich ebenfalls. Kann der Typ nicht endlich gehen? Dehnen würde ich lieber alleine. Ohne Zuschauer. Er begreift, ich schwinge. Ganz nett das. Eine fünfköpfige Polizeisporttruppe joggt an mir vorbei. Ich erkenne das an der Aufschrift hinten am T-Shirt. Polizei steht darauf.

Hm. Also hinterher. Aber langsam. Ich habe den Eindruck, ich bin noch nicht genug gedehnt. Meine linke Wade widerspricht dem und zieht – fühlt sich also überdehnt.

Glücklicherweise ist gleich daneben das nächste Gerät. Sowas hab ich noch nie gesehen. Zwei Gestänge beginnen niedrig und weisen dann in sanften Schwung immer weiter nach oben. Ich hänge mich an die horizontale Stange oben. Die können einfach nicht wollen, dass ich mich ruckweise stemmend nach oben hangle. Nein, bestimmt nicht.

Ich bin schon ganz zufrieden mit meinen sportlichen Leistungen. Es ist immer noch schwül. Die Poizeisporttruppe joggt ein zweites Mal an mir vorbei, eine kleine Brise weht den Duft von Aftershave und Deo zu mir herüber. Schwitzen die Jungs eigentlich nie?

Na gut. Weiter im roten Bereich. Oh, jetzt kommt eine schöne Strecke. Ich zottle unter Bäumen hindurch und entdecke Fürchterliches. Eine Folterbank und ein Foltergerüst. Wollen die etwa von mir, dass ich Bauchmuskeltraining mache? Mit welchen Muskeln, bitteschön? Ich ignoriere die Folterbank und begebe mich nach einer Denkpause heldenhaft an das Foltergestänge. „Beide Beine hoch, nicht nur eins“, rufen mir die Jungs von der Polizeisportgruppe zu. Wo kommen die denn schon wieder her? Sind auch bereits vorbei. Ich ignoriere den Rat. Es wird immer schwüler.

Aber nicht aufgeben. Noch eine schöne Strecke zwischen schattigen Bäumen hindurch. Ein weiterer Stein. Ah, 450 steht da. Meter oder Kilometer? Meine gedehnte Wade zieht. Ich strafe sie mit Verachtung. Das ist ihr egal, sie zieht weiter.

sprossen-250Schon wieder so ein Multitasking-Gestänge. Dieses Mal mit Sprossen. Das verstehe ich. Da soll ich sicher hinaufklettern und Ausschau halten, ob ein Feind kommt. Ich folge der stummen Aufforderung. Kein Feind. Ich klettere wieder hinunter und hänge mich sicherheitshalber noch an den zweiten Teil des Gestänges. Da gibt es nur eine Stange, keine Sprossen. Die will schließlich auch benutzt werden. So langsam, finde ich, gelingt es mir, die geheime Sprache der Fitnessgeräte zu entschlüsseln. Ich schaue mich um. Wo bleiben die Jungs von der Polizeisporttruppe? Können mir nicht mehr folgen, was?

Das nächste Gerät sieht von Weitem aus wie ein überdimensionaler und viereckiger Gullideckel. Kann aber auch daran liegen, dass ich keine Brille aufhabe. Als ich draufsteige wird mir klar: Das muss so etwas wie ein Trampolin sein. Das kann ich, das gefällt mir. Ich hüpfe begeistert. „Hopp, Hopp, höher, junge Frau!“ ruft mir einer der Typen aus der Polizeisporttruppe zu.

„Junge Frau!“ Ha! Der soll erst mal so alt werden wie ich, dann werden wir sehen, ob der dann noch hüpft. Ich kann es ihm aber nicht mehr sagen, die Jungs sind schon vorbeigezogen, den bekannten Duft von Aftershave und Deo im Schlepptau.

pirouette-250Überhaupt, was geh’n die mich an? Nichts. Ah, ein grünes Gestänge mit einer Scheibe. Ich soll also Pirouetten machen. Ich mache eine Pirouette. Und dann gleich noch eine in die andere Richtung. Beide halb, das ergibt dann einmal rundum. Ich komme mir vor wie der sterbende Schwan. Vielleicht sollte ich mal mit beiden Beinen auf der Scheibe stehen blieben. Aha. Linksdreh, Rechtsdreh. Wie Joghurt. Das ist gut für die Taille. Schon wieder was gelernt.

Also weiter im roten Bereich. War es eigentlich vorhin auch schon so schwül? Ich habe den Verdacht, dass mein Deo versagt, als ich den Stein mit der 700 passiere – im leichten Trab. Na bitte.

Wieder ein schönes schattiges Stück des Weges.

Ich erblicke einen Balken, etwa so hoch wie meine Wade, die wieder zieht. Und nun? Balancieren? Drüberhüpfen? Ja bin ich denn ein Frosch? Nein, ich bin kein Frosch. Drübersteigen? Ich bin auch kein Storch. Ich setzte mich erstmal drauf und überlege. Drum herum ist Kies. Da fällt mir auf, dass das auch bei den anderen Geräten so war. Bestimmt. Jetzt weiß ich’s: Joggen im Kies stärkt die Wadenmuskeln. Ich jogge dreimal um den Balken.

Die Jungs von der Polizeisporttruppe traben locker an mir vorbei. Diese Mal sagt niemand was. Na also.

ringe-250Dann weiter. Oh, rot gummierte Ringe an blauem Gestänge, das eine Paar hängt tiefer, das andere höher. Finde ich nett, dass die Trimmpfadplaner auch an kleine Leute gedacht haben. Ich bin aber groß, hänge mich an die höheren Ringe und ziehe die Beine an. Jetzt ziehen auch die Oberschenkel. Hm. Ich weiß auch nicht, es wird dauernd noch schwüler.

Ich laufe weiter, nehme elegant eine Kurve. Etwas weiter weg vom Weg wieder ein Stein. 000 steht darauf. Von beiden Seiten! Jetzt bin ich aber beleidigt. Alles zurück auf Null? Nicht mit mir! Kurz darauf öffnet sich rechterhand ein grünes Gittertor. Das führt zum Sportplatz. Nix da. Ich fange nicht nochmal von vorne an.

Die Jungs von der Polizeisporttruppe ziehen an mir vorbei, im Schlepptau einen Duft nach Deo, Aftershave und… Na also. Es gibt doch noch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit auf der Welt.

Text: Petra Gabriel. Zuerst erschienen in LiesSte, Zeitung für den Stephankiez, September 2009

Ein Kommentar auf "Ein nicht ganz ernst gemeinter sportlicher Selbstversuch"

  1. 1
    Knut O.E. Pankrath says:

    Danke für diesen amüsant präsentierten engagierten Selbstversuch!

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