Märchenfilme im Dodohaus
Während die 22. Berliner Märchentage sich dem „Land der unbegrenzten Märchen“ widmen und Märchen aus den USA vorstellen, gibt es im Dodohaus in der Huttenstraße 30 ein Alternativprogramm. In der Zeit der Berliner Märchentage, also vom 10. bis 26. November, zeigt der Theaterregisseur Peter Krüger fast jeden Nachmittag um 15 Uhr einen anderen russischen Märchenfilm.
Die Motive dieser bekannten Märchenfilme entstammen der Sammlung russischer Volksmärchen von Alexander Afanassjew (1826-1871). der als der „russische Grimm“ bezeichnet wird. Doch anders als die Brüder Grimm sammelte er die verschiedenen Versionen der Märchen, ließ sie nebeneinander stehen und schuf damit eine ganze Märchenlandschaft, während die Brüder Grimm die Vorlagen stärker bearbeiteten und in jeweils eine „gültige“ literarische Version zusammenfassten. So gibt es die russischen Märchenfiguren der Hexe Baba Jaga mit ihrem auf Hühnerbeinen stehenden Häuschen, die schöne Wassilissa, Väterchen Frost, sprechende Tiere, Zaren und Recken, die in vielen verschiedenen Märchen auftauchen. Weit verbreitet sind Zaubermärchen und Tiermärchen. Russische Dichter wie Puschkin, Tolstoi und Gorki bearbeiteten Stoffe aus Afanassjews Märchensammlung. ebenso die russischen Komponisten Tschaikowsky und Strawinsky.
Die Reihe ist schon am Donnerstag gestartet mit „Wassilissa, die Schöne“ gestartet. Der erste Märchenfilm von Alexandr Rou ist 1939 entstanden, es wurde jedoch eine Zeichentrickversion von 1977 gezeigt. Es gibt noch andere Versionen des Märchens, z. B. hört es sich bei Spatzenkino ganz anders an. Hier ist die Geschichte einfacher Leute zu der Geschichte eines Königs geworden. Märchen werden eben weitererzählt und jeder Erzähler dichtet neu.
Freitag, 11. November wird „Abenteuer im Zauberwald„, ebenfalls von Alexandr Rou (1964) gespielt. In diesem Film treten die verschiedenen Figuren der slawischen Folklore auf, wie Väterchen Frost und die Hexe Baba Jaga. Auch die Natur spielt eine wichtige Rolle.
Samstag, 12. November steht „Die schöne Warwara“ (Regie: Alexandr Rou, 1969) auf dem Programm. Der Herrscher des Wasserreiches fordert einen Prinzen für seine Tochter, sie jedoch liebt einen Fischersohn. Gemeinsam überwinden sie den Zauberbann. Ein einfallsreicher Märchenfilm aus dem Motivkreis der magischen Flucht mit Witz und Liebe zum Detail inszeniert. Für jüngste Zuschauer geeignet.
Montag, 14. November spielt „Der Hirsch mit dem goldenen Geweih„, ein russischer Märchenklassiker, gedreht 1971 von Alexandr Rou. Weil die Zwillinge Maschenka und Daschenka beim Pilzesuchen zu tief in den Wald hineingehen, verwandelt die Hexe Baba-Jaga sie in Rehe. Verzweifelt macht sich die Mutter auf die Suche nach ihren Töchtern und begegnet dabei dem Hirsch mit dem goldenen Geweih, den sie vor Räubern schützt. Zum Dank erhält sie einen Ring, der ihr in Zeiten der Not helfen soll. Die Mutter fragt die Sonne, den Mond und den Wind, ob sie ihre Zwillinge gesehen haben. Aber nur der Wind weiß etwas. So gelangt die Mutter in das Reich der Hexe Baba-Jaga. Sprechende Tiere, Kobolde, Pilze, die husten können und eine hässliche Hexe, die ein ergreifendes Lied auf der Bratpfanne vorträgt und Personalprobleme hat – so etwas gibt es nur im russischen Märchenwald. Da leben auch Räuber, deren gefährlichste Waffe der Gesang ist, und natürlich der zaubermächtige Hirsch. Aber daran kann man wohl erst glauben, wenn man es gesehen hat.
Mittwoch, 16. November: Die feuerrote Blume, Regie: Irina Povoloskaya, 1978. Dieser russische Märchenfilm ist eine wunderschöne Variante des französischen Volksmärchens “Die Schöne und das Biest”. Ein Kaufmann hat drei Töchter, jeder von ihnen soll er ein Geschenk von seiner Reise mitbringen. Die Jüngste wünscht sich die feuerrote Blume, die sie im Traum gesehen hatte. Nach einer langen Reise bis ans Ende der Welt, in einem verwunschenen Schloss, in dem eine Zauberin mit kaltem Herzen lebt, die den Mann, den sie liebte, in ein Untier verwandelt hatte, findet er die feuerrote Blume. Doch dafür will ihn das Untier töten. Der Kaufmann darf noch einmal zurück, um Abschied von seinen Töchtern zu nehmen. Aber seine Jüngste reist nun an seiner Stelle in das Schloss und ihre Liebe erlöst das Untier von seinem Zauber. Eine märchenhafte Farbenorgie in Blau und vor allem Rot. Auch als Kinderstück im Maxim Gorki Theater.
Donnerstag, 17. November: Finist, heller Falke, Regie: Gennadi Wassiljew, 1975. Die Geschichte eines tapferen Recken, der das Land vor einem Überfall finsterer Horden rettet, durch eine List seiner Widersacher jedoch in ein Untier verwandelt wird. Nach vielen Gefahren führt die Liebe einer Frau die Rückverwandlung herbei. Ein national gestimmter Märchenfilm nach alten russischen Legenden. Den Text des Märchens hier lesen.
Freitag, 18. November: Wie der dumme Iwanuschka das Wunder suchte, Regie: Nadezhda Koshewerowa, 1976. Der Bauernjunge Iwanuschka schlendert singend durch den Wald und findet einen gestohlenen Sack Gold. Er ist ein wenig naiv und ausgesprochen ehrlich. So bringt er das Diebesgut zurück, trifft die hübsche Tochter Nastenka. Beide verlieben sich, was ihr Vater, der reiche Marko, nicht akzeptiert. Er versucht ihn zu vergiften. Doch Nastenka glaubt, ihr Liebster sei tot, wird krank und verliert alle ihre Gefühle. Nur ein Wunder kann sie retten. Um das zu finden macht sich Iwanuschka auf eine abenteuerliche Reise.
Dienstag, 22. November: Das Geschenk des schwarzen Zauberers, Regie: Boris Ryzarew, 1978. In einem kleinen Dorf lebt die einsame Witwe Matrjona. Eines Tages klagt sie der Mutter Erde ihr Leid. Wie durch ein Wunder bekommt Matrjona ein Töchterchen geschenkt, das sie wegen ihrer Kornblumenaugen Wassilissa nennt. Das ganze Dorf freut sich über das Glück der Witwe. Wassilissa indes wächst nicht Tag für Tag, sondern Stunde für Stunde heran. Plötzlich erscheint dem Mädchen der schwarze Zauberer und überreicht ihr ein Kästchen mit einem Hochzeitskleid. Wenn Wassilissa dieses anziehe und mit dem Ärmel winke, würde ihr ein Wunsch in Erfüllung gehen. Doch die Mutter warnt sie vor den Gefahren. Eines Tages schlägt sie die Warnungen in den Wind und durch ihren von Eifersucht ausgelösten unbedachten Wunsch erblindet Iwan, ihr Liebster.
Mittwoch, 23. November: Die Eisfee, Regie: Boris Ryzarew, 1981. Im tiefsten russischen Winter streiten sich zwei einsame Alte im Dorf darum, wer die Stube fegen, die Grütze kochen und den Ofen heizen muss. Großmutter geht zum Holz holen in den Wald und findet die Eisfee. Sie nimmt das schöne Mädchen als Enkelin mit nach Hause. Ljuba lernt mit Neugier alle Verrichtungen der Menschen und verliebt sich in den jungen Töpfer Gridja. Doch der Fürst kommt ins Dorf, um sich eine Braut auszusuchen. Er wählt Ljuba. Vergebens versucht Gridja sie durch eine Entführung zu retten. Intrigen beginnen und die Liebenden zweifeln aneinander. Als Ljuba wieder zur Eisfee wird, erstarren alle Menschen zu Eis.
Donnerstag, 24. November: Das Märchen vom Zaren Saltan, Regie: Alexander Ptuschko, 1966. An einem späten Winterabend sitzen drei Schwestern am Spinnrad und singen. Sie träumen davon Zarin zu sein. Aber nur die Jüngste, die auch die Klügste und Schönste ist, erwählt der Zar zur Gemahlin. Ihre törichten Schwestern degradiert er zu Dienstmägden, die eine zur Köchin, die andere zur Weberin…
Den Text des „Märchen vom Zaren Saltan, von seinem Sohn, dem berühmten, mächtigen Recken Fürst Gwidon Saltanowitsch, und von der wunderschönen Schwanenprinzessin“ in der gereimten Fassung von Puschkin (deutsche Übersetzung) und eine Prosaversion.
Freitag, 25. November: Von der schönen Zarentochter und den sieben Recken, Regie: Wladimir Gorikker, 1978. Hier lässt sich besonders gut erkennen, wie Märchenmotive sich in vielen Kulturkreisen gleichen. Die russische Zarentochter entspricht dem Schneewittchen aus dem Grimmschen Märchen und die sieben Helden, den sieben Zwergen. Und wegen der Schönheit seiner Sprache hier noch der Link zu Puschkins Reimfassung.
Samstag, 26. November endet die Reihe mit Feuer, Wasser und Posaunen, Regie: Alexandr Rou, 1967.
Einer der spektakulärsten und humorvollsten der russischen Märchenfilme. Aljonuschka und Wassja wollen heiraten, doch sowohl der böse Zauberer “Gerippe Unsterblich” als auch der Meer-Zar, der von der “grünen Langeweile” befallen ist, stehen dem im Wege…
Zum Schluss noch den Hinweis auf eine Webseite mit vielen russischen Märchen. Leider werden bei der Übersetzung die Texte häufig an deutsche Formen wie „es war einmal …“ und „… sie lebten glücklich bis ans Ende der Zeiten“ angepasst. Wie anders ist da die Sprache von Puschkin. Hier das „Märchen vom Fischer und dem Fischlein„. Was bei einfachen Übersetzungen an Poesie verlorengeht, kann man am Beispiel einer Kinderbuchrezension von „Zar Saltan“ hier vergleichen.
Nicht nur bezüglich Musik, Literatur und Film scheint noch immer der „Eiserne Vorhang“ zu existieren. Ein amerikanischer Unternehmer gilt fast per definitionem als erfolgreich, ein russischer als mafios. Schön, dass hier ein kleiner Schritt des Kulturaustausches unternommen wird. Als besonderer Klassiker zählt „Abenteuer im Zauberwald“, manche halten ihn für den besten Märchenfilm des Realsozialismus überhaupt.