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da kiekste in die rosa Röhre

rosa-roehre-250Ein röhrendes Monstrum. Mitten in der Stadt. Und dann auch noch in dieser gewagten Farbe. Schweinchenrosa. Kaiser Wilhelm II. war 1901 für den Standort der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau verantwortlich, eine damals von den Berlinern gerne in eindeutiger Absicht aufgesuchte Liebesinsel. Der Architekt Ludwig Leo 1969 für die Farbwahl des neu errichteten Umlauftanks der zweiten Generation, dessen Bauzeit sechs lange Jahre betrug. Im Volksmund, der Berliner hat ja eine Tendenz dazu seinen Sehenswürdigkeiten recht treffende Namen zu geben, hieß die Forschungsanlage schnell „Rosa Röhre“.

Einganb_VWS-250Die Erkundungsfreudigen vom Heimatverein Tiergarten luden gegen einen Sechser Brückenzoll ein, diesen sonst für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Ort zu besichtigen. Zu Kaisers Zeiten verstand man unter einem Sechser fünf Pfennige, was inflationsbedingt anno 2013 fünf Euro entspricht. Ein sympathischer Professor mit südamerikanischen Wurzeln und zwei ihm unterstehende, junge Diplom-Ingenieure, die ihrem Chef in Punkto Kompetenz in nichts nachstanden, empfangen uns im Foyer mit Video-Beamer und Power-Point-Präsentation. Es folgt eine für meinen Geschmack etwas zu detailreiche und langatmige vierzigminütige Einführung, ehe wir endlich in die Röhre dürfen. Und mit was muss gerechnet werden, wenn drei Wissenschaftler das Wort ergreifen? Richtig, mit Fremdwörtern. Aber die drei von der Versuchsstelle erläutern die notwendigen Fachbegriffe so charmant und verständlich, dass die Gruppe interessiert und immer neugieriger werdend zuhört.

seegangsbecken-250Untersucht werden die Manövrierfähigkeit und das Seegangverhalten von Schiffen sowie die Entstehung von Hohlräumen bei Unterdruck im Wasser. Dazu stehen im Umlauftank UT2 (Rosa Röhre) ein 120 Meter langes Seegangsbecken (interne Bezeichnung: kleine Badewanne), ein 250 Meter langer Schleppkanal (interne Bezeichnung: große Badewanne) und eben der originäre Umlauftank zur Verfügung. In den leicht überdimensionierten Badewannen für Schiffsmodelle ist es möglich Wellen zu erzeugen, dann zieht man das Modell hindurch und misst, was geschieht. Im Umlauftank hingegen zirkuliert das Wasser am festverankerten Modell vorbei und wieder misst man, was geschieht. Zwei Methoden, die im Grunde genommen den gleichen Sachverhalt erforschen. „Wir Schiffbauer sind ja nur eine ganz kleine Nummer“, untertreibt einer der Forscher und zielt darauf ab, dass die Werften in Deutschland an Bedeutung immer mehr verlören. Doch inzwischen nutze sogar die Automobilindustrie gerne ihre Anlage statt des Luftkanals. Natürlich aus einem sehr nachvollziehbaren Grund. Weil’s preisgünstiger ist.

innere-250Nachdem sich die Vorfreude schon in Verzweiflung umzuwandeln drohte, weil wir ohne absehbares Ende informiert worden, dürfen wir endlich einen Blick hinein werfen. Das kleinere Seegangsbecken in Fußballfeldlänge ist unser erstes Ziel, in dem man das Meer zu imitieren versteht, da verschiedene Wellenhöhen herstellbar sind. „Beeindruckend, nur die Fische fehlen“, lautet ein leise ausgesprochener, launischer Kommentar aus der Gruppe. Der Professor erwähnt sichtlich stolz, dass man hier einen großen Seegang, ja sogar Katastrophen nachstellen könne, dann laufen wir einen Gutteil dieser Schiffsbadewanne ab und es kommt zu dem Satz, den man bei allen Experten auf eine schwierige Frage irgendwann zu hören bekommt: „das ist eigentlich ganz simpel.“ So einfach ist es natürlich nicht, es ist ziemlich raffiniert und ausgeklüngelt. Aber, wenn mir der Scherz erlaubt ist, natürlich arbeiten sie hier auch nur mit Wasser.

Wir fahren ins nächste Stockwerk, das sie anlehnend an die Schiffsbezeichnung Deck nennen, und schauen uns die größere Badewanne an, den 250 Meter langen Schleppkanal. „Je größer das Modell, desto kleiner die Fehlerquote“, merkt der Wissenschaftler nüchtern an. Dramaturgisch geschickt endet man mit dem Höhepunkt in der von außen rosa von innen eher grünlichen Röhre. Aktuell erforschen sie hier, welche Veränderungen bei verschiedenem Tiefgang zum Seeboden auftreten, den man in Fachkreisen Freischlag nennt.

steuerung-250Wir erfahren noch etwas über die Frauenquote dieses Ingenieursstudiums, welche bei zehn Prozent liegt, und von den drei Frauen des Professors. Er hat zwei Töchter. Wer bei ihm sein Diplom mache, sagt er nicht ganz ohne Stolz, der könne sich danach seinen Job in der Wirtschaft aussuchen. „Warum sind die Kapitäne eigentlich alle so eitel und lassen ihr Schiff ständig waschen“, fragt eine der Anwesenden und erhält eine verblüffende Antwort. „Das Schlimmste ist der Bewuchs am Schiff, was die Energiekosten bis zu dreißig Prozent erhöht. Deshalb versucht man sein Schiff immer möglichst sauber zu halten.“

Wir fahren noch zum Kapitänsdeck hoch, genießen ein wenig die schöne Aussicht auf die Skyline von Berlin, dann geht’s über den gigantischen Maschinenraum im Keller runter von der Schleuseninsel, rauf auf das Festland. Diese Besichtigung mitgemacht haben zu dürfen, darauf sind einem sicher viele aus guten Gründen neidisch.

Text und Fotos: N. M., Besucher der Führung am 25.1.2013.

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