Stadtmission: Weiterhin alles offen
Am 23. September 2008 berichtete Martin Zwick, kaufmännischer Leiter, über Pläne der Berliner Stadtmission für das Zentrum Lehrter Straße, in dem zur Zeit 80 Mitarbeiter arbeiten. Dort befinden sich: zwei Gästehäuser – das Jugendgästehaus an der Seydlitzstraße und das Gästehaus im Zentrum mit Platz für rund 400 Gäste und zusätzlich Zimmer für etwa 35 bis 40 Studenten oder Zivildienstleistende in den innen liegenden Flügeln. Außerdem die Verwaltung, der große Veranstaltungssaal, Kapelle, Café und Trödel im Hauptgebäude. Hier sind auch die Räume der Gemeinde untergebracht, für die Pfarrer Filker bereits im Juli bei einer Veranstaltung der CDU von Erweiterungswünschen – einer größeren Kapelle – gesprochen hatte. In dem kleinen Haus Lehrter Straße 69 sind Obdachloseneinrichtungen und ein Straffälligenhilfe-Projekt untergebracht. Im November eröffnet auch wieder die Notübernachtung in Kellerräumen.
Anfang 2008 hat die Stadtmission auch das Seniorenwohnhaus Lehrter 67/Seydlitzstraße 22 (Eckbau) vom Land Berlin gekauft. Unter den dort wohnenden Senioren gab es damals große Aufregung, sie befürchten Mieterhöhungen und hatten mich gebeten, an der Mieterversammlung am 27. Februar teilzunehmen. Ein kurzer Bericht darüber findet sich im März-Protokoll des Betroffenenrats Lehrter Straße.
Der Stadtmission gehört seitdem fast der gesamte Block bis zum Lesser-Ury-Weg, insgesamt 28.000 Quadratmeter. Ausgenommen ist nur das etwas zurückliegende Seniorenwohnhochhaus Lehrter Straße 69A. Die Gebäude, meist 3stöckig, sind in offener Bauweise ins Grün hinein gebaut. Wer durch die Parkflächen schlendert, erkennt, wie schön Willy Alverdes die Außenanlagen gestaltet hat. Weite Rasenflächen, bunte Rabatten, freistehende Bäume, nach außen durch dichte Büsche abgeschirmt. Ein durchaus denkmalwürdiges Ensemble der Nachkriegszeit. An einigen Stellen öffnen sich die Innenräume unmerklich nach außen, indem dieselben Bodenbeläge sich fortsetzen. Ein Stilmittel, das z.B. auch bei der Akademie der Künste angewandt wurde.
Die Stadtmission hat im September 2008 Gespräche mit dem Bauamt geführt und dabei erfahren, dass eine geschlossene Bauweise entlang der Straßen und eine „Geschossflächenzahl“ (GFZ) von 1,5 dort möglich sei. Die GFZ gibt das Verhältnis der gesamten Geschossfläche aller Vollgeschosse der baulichen Anlagen auf einem Grundstück zu der Fläche des Baugrundstücks an. Das heißt, dass es noch jede Menge Verdichtungspotenzial gibt. Martin Zwick erwähnte, dass der Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Ephraim Gothe, angedeutet habe, dass auch eine höhere GFZ als 1,5 möglicherweise genehmigungsfähig sei. Eine Aufstockung der vorhandenen Gebäude ist nicht möglich.
In Kürze sollen Baumaßnahmen in den Gebäuden beginnen: neue Fahrstühle, behindertengerechte Zimmer. Konkrete Baupläne für Neubauten kann Zwick zur Zeit noch nicht vorstellen. Das soll sich alles innerhalb des nächsten Jahres klären. Architekten werden mit Wettbewerbs-Entwürfen beauftragt. Dabei geht es zum einen um Pläne, die die Stadtmission selbst hegt, und zwar die Erweiterung des Veranstaltungssaales und die oben erwähnte Kapelle, die vermutlich einen Teil der Grünfläche hinter dem Seniorenwohnhaus an der Ecke in Anspruch nehmen werden.
Andererseits ist die Evangelische Kirche an die Stadtmission herangetreten, um zu klären, ob ein Büroneubau für 500 Mitarbeiter des neuen „Evangelischen Zentrums für Entwicklung und Diakonie“ (in dem die Mitarbeiter der Diakonie mit Brot für die Welt aus Stuttgart, Mitarbeiter der Diakonie aus dem Süden Berlins und Mitarbeiter des Evangelischen Entwicklungsdienstes aus Bonn ab 2012/3 ihre Arbeit aufnehmen sollen) auf dem Gelände Platz finden könnte. Diese Anfrage war wohl auch der Anlass für das Gespräch mit dem Stadtrat. Und für diesen Neubau bietet sich der Abriss des Eckgebäudes und ein Neubau dort an, bestätigte Zwick, gab aber zu Bedenken, dass die Entscheidung, wo das neue Zentrum liegt nicht bei der Stadtmission liegt und auch noch nicht gefallen sei. Er hält es außerdem für schwierig, Ersatzwohnraum für die dort lebenden Senioren zu schaffen, da deren Mieten sehr günstig sind und sich das wirtschaftlich sinnvoll kaum realisieren lasse. Über alle neuen Entwicklungen will Zwick die Nachbarschaft zeitnah informieren. Neue Planungen werden vorgestellt.
Nachtrag vom 6.10.08: Die Überlegungen zu einem möglichen Abriss des Seniorenwohnhauses machte Herr Zwick auf Nachfrage, wo denn überhaupt ein Büroneubau für das Evangelische Zentrum Platz hätte. Er erwähnte auch 2 weitere Standorte, die in der Evangelischen Kirche diskutiert werden, das frühere Konsistorium Bachstraße/Ecke Altonaerstraße, das seit ca. 8 Jahren leer steht, und einen möglichen Neubau an der Heidestraße.
Die eigenen Überlegungen der Berliner Stadtmission für Erweiterungsbauten betreffen eine deutliche Erweiterung für Kongresse in räumlichem Zusammenhang mit dem Veranstaltungssaal, eine mögliche Ausstockung der Bettenkapazität und die schon erwähnte Kapelle. Das würde zu Lasten der Grünfläche hinter dem Seniorenwohnhaus gehen.
Hatte schon angesichts der Unklarheit über den Bauplatz des Verwaltungsgebäudes darüber sinniert, ob möglicherweise daran gedacht wird, die Gras-Baum-Insel VOR dem Altenheim an der Ecke Seydlitz/Lehrter mit einem Hochhaus zu bebauen. Natürlich war in der Nähe des Hbf. eine Bauverdichtung zu erwarten. Alles was in der Umgebung des Bahnhofs liegt ist mittelfristig „Sahnestückchen“ – besser gesagt jetzt schon. Auf demnächst unbezahlbaren Grundstücken ein paar „lächerliche Hütten“ stehen zu lassen ist in den Augen von Bauhaien reine Geldverschwendung und lacht dem maximalen Verwertungsgedanken hohn. Der Druck auf die Lehrter Straße und die Umgebung wird wachsen. Nach den letzten Verwaltungseskapaden ist nicht zu erwarten, daß ein übermäßiges Interesse daran besteht, die BürgerInnen maßgeblich am Planungsprozess zu beteiligen. Im Gegenteil: die stören nur bei der profitablen Verwertung. Zudem hat sich der Berliner Senat ja noch nie damit hervorgetan, besonders langfristig und bürgerfreundlich-ökologisch zu denken – das schnelle cash war meistens wichtiger.
R@lf
In der Ausgabe 41/2008 der Berliner Woche findet man auf Seite 2 einen Artikel „Seniorenwohnanlage bleibt“, in dem Martin Zwick aussagt, dass derzeit keine Abrisspläne zur Seniorenwohnanlage bestehen. Ob dass mittel- oder langfristig so bleibt, mochte er aber offenbar auch der Berliner Woche nicht zusichern: „Und ich kann nicht sagen, was übermorgen sein wird“, wird er dort zitiert. Wenn ein Büroneubau für das neue „Evangelische Zentrum für Entwicklung und Diakonie“ nicht auf dem Gelände der Stadtmission, sondern an anderer Stelle erfolgt, brauchen die Bewohner der Seniorenwohnanlage in den nächsten Jahren aber wohl nicht mit einem Abriss ihrer Wohnanlage zu rechnen, doch diese Entscheidung bei der evangelischen Kirche (und nachfolgend der Stadtmission) steht noch aus.
Artikel der Berliner Woche nach Wegfall der PDFs direkt eingebunden mit freundlicher Genehmigung der Berliner Woche
Die Berliner Zeitung hat auch über die Pläne geschrieben, schon gestern. Hier der Link:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/1022/berlin/0045/index.html
Nachdem die Entscheidungsgremien von Diakonie und EED definitiv die Fusion zum „Evangelischen Zentrum für Entwicklung und Diakonie“ mit Sitz in Berlin beschlossen haben, soll der Büroneubau tatsächlich auf dem Gelände der Stadtmission an der Lehrter Straße erfolgen. Die Folgen für die Seniorenwohnanlage finden Sie hier.
Stadtmission: Weiterhin alles offen?
Endlich nicht mehr ganz zutreffend. Offen ist inzwischen nicht mehr die Position einer großen Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung Mitte. Diese setzt sich mit ihrem Beschluss vom 20.11., dessen Text maßgeblich auf eine bündnisgrüne Vorlage zurückgeht, eindeutig für den Erhalt des Seniorenwohnhauses ein.
Dem war eine intensive Diskussion zwischen den einbringenden Fraktionen vorangegangen. Die erste Antragsvorlage der FDP hatte im Prinzip den Abriss der Wohnanlage bereits einkalkuliert und die zweite Version von SPD, Linken und FDP den Erhalt nur als eine Variante gefordert. Der Beschluss setzt nun den Erhalt der Anlage als Priorität.
Nur die CDU stimmte gegen den gemeinsamen Antrag von Bündnisgrünen, SPD, FDP und Linken: Das Bezirksamt wird ersucht, gemeinsam mit dem Investor, im Verfahren um die Einordnung eines Baukörpers für ein Bürogebäude/Tagungszentrum auf dem Gelände der Berliner Stadtmission (Lehrter Str. 67 Ecke Seydlitzstraße) mehrere städtebauliche Alternativvorschläge zu erarbeiten, bei denen folgende Punkte zu berücksichtigen sind:
1. der Baukörper städtebaulich die Umgebungsbebauung auf dem Gelände der Berliner Stadtmission berücksichtigt (kein Hochhaussolitär);
2. die Wohnanlage Lehrter Straße 67 / Seydlitzstraße 21, 22 baulich erhalten bleibt;
3. die für die Wohnanlage Lehrter Straße 67 / Seydlitzstraße 21, 22 erforderlichen Freiflächen erhalten bleiben;
4. die Bewohner/innen des Kiezes Lehrter Straße und insbesondere die Bewohner/innen der Seniorenwohnanlage Lehrter Straße 67 / Seydlitzstraße 21, 22 frühzeitig im Verfahren informiert und beteiligt werden.
Das Ergebnis ist zeitnah im Ausschuss für Stadtentwicklung vorzustellen.
Nun ist es am Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe den BVV-Auftrag in die anstehenden Diskussionen mit der Stadtmission und der Diakonie einzubringen. Und eines dürfte sicher sein: Wir sehen uns im Stadtentwicklungsausschuss wieder.
Frank Bertermann, BVV-Mitte, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Vorsitzender Ausschuss Stadtentwicklung, Sanieren, Bauen und Bebauungspläne
Stadtmission: Was passieren soll ist weiterhin offen!
Nachdem sich die BVV für den Erhalt der Wohnanlage Lehrter Str. 67 Ecke Seydlitzstraße eingesetzt hat (siehe Kommentar 5), informiert das Bezirksamt in einer Vorlage zur Kenntnisnahme über den aktuellen Stand. Ergebnis: Klar ist nur, dass alles unklar ist. Im O-Ton hört sich dann so an:“Das Büroprojekt befindet sich von Seiten der Diakonie und des Evangelischen Entwicklungsdienstes noch in der Prüfphase, wobei auch alternative Standorte zum Grundstück der Stadtmission geprüft werden. Sollten die Gespräche für den Neubau eines Bürogebäudes auf dem Grundstück der Stadtmission wieder aufgenommen und konkretisiert werden, wird der Beschluss der BVV Berücksichtigung finden.“
Hier nachzulesen: http://www.lehrter-strasse-berlin.net/dateien/sportpark/SM%20Lehrter%2067%20-%20VzK%201030-III%20zu%20SM%20Lehrter-Seydlitz-Entwicklung%20erm%c3%b6glichen,%20Wohnnutzung%20sichern%20aus%20BVV%2019.3.09.pdf
Auf eines können sich Stadtmission und Diakonie sicher verlassen: Wir haben zwei wachsame Augen auf dem Projekt.
Frank Bertermann, BVV-Mitte, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fraktionssprecher
Hallo…
Seit vielen Jahren versuche ich schon etwas gegen die schlimmen Verbindungen der Linie 123 in der Lehrter Str zu unternehmen. Ich habe die BVG und die BZ angeschrieben, alles ohne Erfolg. Es kann doch nicht angehen, dass eine Linie die mehrere Schulen ein Seniorenwohnheim und als Krönung den Hauptbahnhof anfährt nur im 20 Minutentakt fährt, außerdem ist der Bus viel zu klein, dabei sind früher schon größere Busse gefahren. Es ist teilweise Lebensgefährlich, wenn Reisende mit ihren Koffern, Kinderwagen und ältere Menschen mit ihrer Gehhilfe im Bus sind, wenn der Bus hier eine Vollbremsung machen müsste, was ist dann? Muss es erst soweit kommen?
Vielleicht könnt Ihr ja was unternehmen, die Gemeinschaft ist hier ja stärker ich weis nicht mehr weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Schoon Lehrter Str 18-19
Lieber Herr Schoon,
an diesem Thema haben wir uns schon vor vielen Jahren die Zähne ausgebissen – ohne Erfolg. Da können wir nicht viel Hoffnung machen, es heißt immer, wir sollen froh sein, dass der Bus überhaupt noch fährt. Obwohl dies Thema ja nicht unter den Stadtmissions-Artikel passt.
An dieser Stelle sollten wir eher berichten, dass bei der Zwischenpräsentation der Pläne für den Mittelbereich der Lehrter Straße im Gutachterverfahren, die am 14.9. im Saal der Berliner Stadtmission stattfand, auch die Frage nach den Bauplänen der Evangelischen Kirche auf dem Stadtmissions-Gelände gestellt wurde.
Die Antwort des Baustadtrats Gothe kurz zusammengefasst, er wisse seit Freitag (11.9.), dass das Eckgrundstück Lehrter / Seydlitzstraße die erste Wahl sei. Er wünsche sich einen Wettbewerb mit öffentlicher Diskussion und hätte der Stadtmission vorgeschlagen, dass die neuen Nutzer Diakonie und Evang. Entwicklungsdienst sich mal bei einer Betroffenenratssitzung vorstellen sollten.
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Die weitere Diskussion zur Stadtmission bitte jetzt beim aktuellen Artikel „Senioren müssen umziehen!“:
https://moabitonline.de/2380
Kommentare ab 2019 unter dem aktuellen Artikel zum B-Plan für die Verdichtung des gesamten Geländes: https://moabitonline.de/32890