Engagiert für neue Bänke
Annette Kurz, Jahrgang 1962, wohnt seit 20 Jahren in der Zillesiedlung. Sie war eine junge Frau mit Zukunftsplänen, studierte Anglistik, engagierte sich in der Friedensbewegung, als 1986 eine Gehirnblutung ihr Leben radikal veränderte. Seitdem ist sie halbseitig gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Sie musste das Sprechen erst wieder lernen. Und es fällt ihr immer noch schwer. Sie spricht langsam, manchmal muss sie nach Wörtern suchen. Auch das Schreiben mit der linken Hand ist nicht einfach. Die krakelige Handschrift, mit der sie notgedrungen ihre Briefe an Behörden oder Vermieter schreibt, wird oft nicht ernst genommen. Am Telefon etwas zu erreichen, bedarf auch großer Anstrengung, denn oft bringen die Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung nicht die Geduld auf, zu warten bis sie die richtigen Worte findet.
Trotz ihrer Behinderung oder vielleicht gerade deswegen ist Annette Kurz an ihrer Wohnumgebung sehr interessiert. In der Zillesiedlung sind die Grün- und Freiflächen rund um die Häuser kein öffentliches Straßenland, sondern werden von den jeweiligen Wohnungsbaugesellschaften der einzelnen Blöcke gepflegt. Die Siedlung wurde in den Jahren 1976 – 1981 mit autofreien begrünten Innenhöfen und vielen Spielplätzen sehr schön angelegt. Einige Skulpturen sind aufgestellt, es finden sich lauschige Ecken mit liebevollen Details, wenn auch dem damalgen Zeitgeist entsprechend recht viel Beton verwendet wurde. Aber nach etwa 30 Jahren ist natürlich einiges renovierungsbedürftig oder, wenn es sich um Spielgeräte handelt, schon völlig abgebaut, so dass die leeren Sandkästen ein trauriges Bild abgeben und nicht mehr interessant für die Kinder sind. Die Häuser haben teilweise mehrfach die Besitzer gewechselt. Und es scheint einige zu geben, die sich für die Außenanlagen nicht so verantwortlich fühlen, wie sich die Mieter das wünschen. Jedenfalls ließ sich der Vermieter von Annette Kurz, die Deutsche Annington, früher die Deutschbau, selbst durch viele Briefe nicht bewegen, die verrotteten Bänke zu renovieren – und das 10 Jahre lang.
Mit Fotos erreichte sie Anfang diesen Jahres dann doch, dass wenigstens das Holz der Bänke erneuert wurde. Dann hat sie einen Fehler gemacht und das Holz mit einer Farbe gestrichen, die die Witterung nicht vertragen konnte – es wurde weiß in der Sonne. Also musste alles nochmals abgeschliffen und mit Bootslack neu gestrichen werden. Erst der siebte Tischler, den sie angerufen hat, war bereit diesen Kleinauftrag zu übernehmen. Das kostete 200 Euro, viel Geld für eine Frau, die von der Grundrente leben muss. Dazu kommen etwa 100 Euro für Farbe und Pinsel. Im Sommer hat sie einen Aushang gemacht und die Nachbarn um Spenden gebeten. Es kamen 62 Euro zusammen. „Viele junge Leute, von denen ich es nie erwartet hätte, haben gespendet,“ freut sie sich und will ihr direktes Wohnumfeldes weiter verbessern. Doch Annette Kurz möchte sich nicht nur für Verbesserungen vor ihrer Haustür einsetzen, sie interessiert sich für Burma und möchte am 8. August 2009 eine Mahnwache organisieren. Die Aktion findet nur dann statt, wenn 10 Leute bereit sind mitzumachen.
Der Eintrag freut mich sehr, lebe ich doch auch im Moabiter Zille-Kiez und traf Frau Kurz seit Jahren öfter schon bei Säubern von beschmierten Wänden und eben auch bei der Bänkeerneuerung. Danke Frau Kurz, danke den Spendern, danke Frau Torka! Gut auch, daß neben dem lokalen ebenso das globale Denken eines solidarischen Mit-Tuns steht.
Schön, daß dieser Artikel von 2008 wieder ins Blickfeld gehoben wird. Engagierte Menschen wie Annette Kurz brauchen wir mehr im Kiez. Frau Kurz ist gerade durch ihre Behinderung ein beispielgebender Mensch für viele andere, die es wahrhaft einfacher hätten, etwas in Bewegung zu bringen – wenn sie nur wollten. Allzu viele verschanzen sich ja hinter dem ewigen „Da kann man ja doch nix machen.“ Man kann. Und frau auch. Annette Kurz macht vor, wie es trotzdem geht. Danke!