Perleberger Straße 50
Leerstand bis zum Sankt Nimmerleinstag?
Das seit über einem Jahrzehnt leerstehende Haus Perleberger Straße 50 ist im Zuge der Ermittlungen wegen Clan-Kriminalität beschlagnahmt worden. In Richtung Wiedervermietung der Wohnungen wird sich dadurch erst einmal nichts bewegen – im Gegenteil.
Der Altbau in Moabit gammelt vor sich hin, der Putz ist abgeschlagen. Kürzlich ist auch der letzte Gewerbemieter, eine Motorradwerkstatt, ausgezogen. Überraschend wurde Ende 2018 durch eine Kleine Anfrage des Bezirksverordneten Frank Bertermann (Bündnis 90/Die Grünen) bekannt, dass das Haus zu den 77 Immobilien gehört, die im Sommer 2018 bei einem Großeinsatz der Polizei gegen organisierte Kriminalität beschlagnahmt worden sind.
Für Bertermann ist es unverständlich, dass der Bezirk nicht endlich Schritte unternimmt, um eine Sanierung und Wiedervermietung der Wohnungen zu erreichen. Schließlich haben die Bezirke nach dem verschärften Zweckentfremdungsverbotgesetz die Möglichkeit, einen Treuhänder einzusetzen. „Erst wenn alle Zwangsmittel ausgeschöpft sind, könnte die Treuhänderregelung in Anschlag gebracht werden“, sagt dazu Stadträtin Ramona Reiser, die für die Zweckentfremdung zuständig ist.
Sie gibt allerdings zu bedenken, dass der Zustand des Gebäudes äußerst schlecht sei. Daher müsse erneut baurechtlich geklärt werden, ob noch schützenswerter Wohnraum im Sinne des Gesetzes vorliegt. Schon ihre Vorgängerin hatte dies verneint.
Man tritt also auf der Stelle, auch was die anderen „Schrottimmobilien“ betrifft, von denen es in Mitte gleich mehrere gibt. In allerbester City-Lage steht seit vielen Jahren das denkmalgeschützte Ensemble Glinkastraße 17-21, Ecke Taubenstraße 53 leer. Man habe keinen Kontakt zum neuen Eigentümer, heißt es in einer Antwort des Bezirksamts auf die Kleine Anfrage. Im Falle der Burgsdorfstraße 1 gibt es inzwischen eine Abbruchanordnung. Das Haus ist akut einsturzgefährdet und schon lange gesperrt. Auch hier werden also vermutlich keine Wohnungssuchenden einziehen können.
Text: Birgit Leiß
Zuerst erschienen im MieterMagazin 5/2019.
Infos zum Haus in der Crowd Map Moabit.
Nachträge:
Ältere Kommentare zu diesem Haus unter einem Artikel zu Zwangsversteigerungen in Moabit. Hier wurden nämlich einige Jahre lang unbewohnbare Eigentumswohnungen für 1 Euro versteigert.
Eintrag auf der Webseite Wem gehört Berlin.
Antwort auf eine schriftliche Anfrage im Abgeordnetenhaus von Marc Urbatsch von Juli 2019.
Antwort auf eine schriftliche Anfrage im Abgeordnetenhaus von Michail Nelken zum Einsatz von Treuhändern bei Leerstand von Februar 2020.
Die Berliner Woche hat auch mal wieder berichtet, denn Wem gehört Berlin fordert jetzt – wie schon viele andere Akteure in den letzten Jahren – die Einsetzung eines Treuhänders, Wiederherrichtung und Vermietung des Hauses.
In der Antwort zu einer weiteren BVV-Anfrage (SchrA 0969/V) zu „Zweckentfremdung und Wohnungsaufsicht“ wird zur Perleberger Straße 50 folgendes erwähnt: „Das Gebäude ist beschlagnahmt im Rahmen der Clan-Kriminalität„, was nichts neues ist. Allerdings heißt es auch: „a) Fassadenputz ist abgeschlagen, Fenster hofseitig im obersten Geschoss mit Brettern verschlagen, aktuelle Hausmängel sind nicht bekannt, Ersatzvornahme zur Errichtung des Notdaches vor mehr als 16 Jahren durchgeführt. Restforderung in Höhe von 13.661, 39 € wurde am 25.08.2020 beglichen. b) Leerstand ist nicht bekannt, es handelt sich um eine WEG. c) Keine Anträge. d) Keine Genehmigungen.“ Das ist insofern interessant, dass seit langem immer wieder davon die Rede war, dass der Bezirk dem Geld, das für die Ersatzvornahme ausgegeben wurde, kein weiteres Geld hinterherwerfen könne.
Zur Besetzung in Solidartät mit der Liebig 34 berichtete der Tagesspiegel mit der Quelle „jugend besetzt„.
Zwei schriftliche Anfragen zur Perleberger Straße 50 ans Bezirksamt wurden am 21. Dezember 2020 beantwortet:
SchrA 1006/V zum Zustand des Hauses und wie es weitergeht (bitte auf Antwort klicken!) und
SchrA 1019/V sehr ausführlich zu den Umständen, warum sich nichts tut (bitte auf Antwort klicken!). Leider keine wirklich neue Erkenntnis, wenn auch die Einzelheiten sehr detailliert dargelegt werden. Von den 33 Wohnungen sind 22 beschlagnahmt. Das Verfahren kann sich in die Länge ziehen. Die anderen Eigentümer*innen sind insolvent. Hausschwamm wurde schon Anfang der 2000er Jahre festgestellt, ein Gutachten von 2016 stellt weitere gravierende Mängel fest, weshalb das Haus als unbewohnbar gilt. Im Hinterhaus gibt es z.B. keine Treppe mehr, die in die oberen Stockwerke führt.
Was mit der Glinkastraße 17-21 passieren wird kann man mit einem einfachen googeln der Adresse herausfinden.
https://www.glint-berlin.de/architektur/
Hier soll saniert und entkernt werden zur schaffung von Luxus-Eigentumswohnungen.
Wie das Bezirksamt davon nichts wissen kann ist mir ein absolutes Rätsel.
Zur Zeit ist gerade das „Geisterhaus in Friedenau“ in den Medien, das seit 20 Jahren leer steht. Der Bezirk Mitte hat auch einen Plan für die Kameruner Straße desselben Eigentümers. Warum nicht für die Perleberger Straße 50?
Der Mieterverein ruft dazu auf Häuser zu melden, die mehr als 3 Monate leer stehen:
https://www.berliner-mieterverein.de/presse/pressearchiv/mieterverein-begruesst-erstmaligen-einsatz-eines-treuhaenders-gegen-leerstand-und-verwahrlosung-pm1923.htm
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/06/berlin-wohnungsleerstand-leerstand-mieten-enteignung-treuhand.html
https://www.welt.de/wirtschaft/article195050955/In-Berlin-wird-erstmals-Hausbesitzer-voruebergehend-enteignet.html
https://www.tagesspiegel.de/berlin/enteignung-in-berlin-so-verheerend-ist-die-lage-im-geisterhaus/24443018.html
Protest lohnt sich – man braucht viel Aufmerksamkeit und dann werden die Gelder eher locker gemacht. Also die politischen Akteure einladen (öfters) und Brunchs und Demos machen. Dazu den RBB anrufen oder auch die Regionalzeitung – und natürlich moabitonline.de 😉
Diese Meldung ist schon älter als der Artikel, aber im Zusammenhang interessant:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/razzia-im-berliner-clan-milieu-ermittler-beschlagnahmen-mieteinnahmen-aus-immobilien/24267786.html
Mal wieder ein Bericht über dieses schon ewig leerstehende Haus. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das Bezirksamt da ja schon einmal eine Ersatzvornahme getätigt hatte, ein Notdach gebait, weil das Nebenhaus in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das war sage und schreibe schon 2003. Auf eine Anfrage von uns im Jahr 2014 antwortete der damalige Baustadtrat Spallek, dass das Bezirksamt immer noch versuche die dafür verausgabten Kosten einzutreiben, es seien noch 53.808 Euro offen. Es gab damals schon keine Idee, wie das Haus wieder bewohnbar gemacht werden könnte. Das hat sich bis jetzt nicht geändert.
https://www.berliner-woche.de/moabit/c-bauen/perleberger-strasse-50-steht-seit-ueber-einem-jahrzehnt-leer_a261283
Im neuen MieterMagazin wieder ein Artikel über „Geisterhäuser“, in dem es unter anderem auch um die Perleberger Straße 50 geht:
https://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm1020/durchgriff-mit-gebremstem-schaum-bei-berlins-geisterhaeusern-102019.htm
Der Tagesspiegel berichtet über eine angebliche Besetzung der Perleberger 50 durch Sympathisanten der Liebig 34, deren Räumung für den 9. Oktober geplant ist. Quelle des Tagesspiegel zur angeblichen Besetzung ist eine Twittermeldung von „@_jugendbesetzt_“
2 aktuelle Anfragen zur Perleberger 50 wurden gerade beantwortet (siehe oben im Nachtrag)
Nachricht zu sogenannten Geisterhäusern von der Nachbarschaftsinititative Friedenau:
„die FLORA (Eckhaus Stubenrauch-/Odenwaldstraße) und das Ahuja-Haus Kameruner-/Lüderitzstr. im Wedding werden Modellprojekte für den Treuhändereinsatz!
Das hat der Staatssekretär des Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, Christian Gaebler, der Presse mitgeteilt.
Anfang Januar sollen Anordnungen zur Instandsetzung an die EigentümerInnen rausgehen; wenn die nicht mit „sofortigem Vollzug“ umgesetzt werden, soll der Treuhänder kommen. Wir nehmen die Nachricht erstmal als vorzeitiges Weihnachtspräsent dankbar entgegen und warten gespannt auf die Umsetzung in 2023.
Am Mittwoch, 20.12. um 9:45 Uhr gibt es einen Bericht auf InfoRadio und gleichzeitig einen Artikel in rbb24 online.
Am Freitag, 23.12.22, 13 Uhr wollen wir vor der FLORA der Nachbarschaft die frohe Botschaft verkünden und ein bisschen feiern! FLORA wurde zum „Model“ gemacht, vielleicht sollten wir sie ein bisschen ausschmücken?“