Grüne Halle am Hauptbahnhof
Rest des ULAP-Geländes wird in eine neue Grünanlage umgestaltet Gegenüber des kleinen Fachwerkhäuschens an der Straße Alt-Moabit, das das renomierte Restaurant „Paris-Moskau“ beherbergt, führte bis vor kurzem eine Treppe ins „Nichts„. Das wird sich in diesem Jahr ändern, denn die Bauarbeiten für die neue Grünanlage zwischen Alt-Moabit, Bahnviadukt und Clara-Jaschke-Straße am Hauptbahnhof haben begonnen. Vor einigen Wochen wurden die nicht mehr standsicheren, angefaulten oder schlecht gewachsenen Bäume gefällt. Dem fiel leider auch eine der alten Linden zum Opfer, die noch aus der Zeit stammen, in der sich hier ein viel besuchtes Ausstellungsgelände befand.
Der frühere Universum-Landes-Ausstellungspark, kurz ULAP genannt, lag zwischen Invalidenstraße, altem Lehrter Bahnhof und Alt-Moabit, war also wesentlich größer als der neue Park sein wird. Er blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück, die an Ort und Stelle dokumentiert werden sollte. Das ULAP war ein Park mit Seen, vielen kleinen und einem großen Ausstellungsgebäude. Eröffnet wurde es 1879 mit der Berliner Gewerbeausstellung, Hier präsentierte Werner von Siemens die erste elektrische Lokomotive.
Schon drei Jahre später brannte das hölzerne Gebäude ab, ein großer Glaspalast wurde errichtet und 1883 mit der Deutschen Hygiene-Ausstellung eingeweiht. Zu dieser Zeit war das Gelände schon von der Stadtbahn in zwei Teile zerschnitten, es wurde immer wieder umgestaltet, 1889 die Urania als erste Volkssternwarte eröffnet, ein Saal mit aufwändig gestalteter Decke ist noch im Polizeistandort an der Invalidenstraße erhalten. In die S-Bahnbögen zogen Künstler ein, denn im Glaspalast fanden viel beachtete Kunstausstellungen statt. Zeitgenossen schwärmten von 6000 Gemälden, kaiserliche Hofmaler ließen sich feiern.
Für große Ausstellungen war das ULAP jetzt zu klein, die zogen nach Treptow und auf das neue Messegelände am Funkturm. 1925 wurde das Gelände zum Vergnügungspark umgestaltet. Die Ereignisgeschichte verzeichnet auch düstere Kapitel. 1919 wurden erschossene Spartakus-Kämpfer aus den Moabiter Kasernen, dem Kriminalgericht und dem Zellengefängnis an der Lehrter Straße hier verscharrt. Man fand 126 Leichen später bei Elektrifizierungsarbeiten an der Stadtbahn. Das war 1927.
Mit Beginn der Naziherrschaft wird das Messerestaurant SA-Sturmlokal und der Keller eine Folterkammer. Im Glaspalast entsteht ein Luftfahrtmuseum, in dem auch das legendäre Wasserflugzeug Do X ausgestellt wird. Ein Modell der Ausstellung kann man heute im Deutschen Technikmuseum sehen. Aus dieser Zeit stammt die erhaltene Treppenanlage.
1943 wird der Glaspalast mit allen Flugzeugen bei einem Bombenangriff zerstört. Politische Gefangene aus dem Zellengefängnis werden auf dem ULAP-Gelände in der Nähe der Invalidenstraße in den letzten Kriegstagen ermordet. Der flüchtige Naziführer Martin Bormann, tot auf der Eisenbahnbrücke gefunden, wird von Sowjetsoldaten auf dem ULAP-Gelände vergraben. Seine Leiche wird erst 1973 identifiziert. Bis dahin hatten sich verschiedene Legenden um seinen Verbleib gerankt.
Seit dem zweiten Weltkrieg ist auf dem nicht genutzten Teilstück des vergessenen oder sollte man besser sagen verdrängten Gelände ein Ahorn- und Robinienwäldchen heran gewachsen. Hier entsteht jetzt eine neue Grünanlage. 49 Bäume hauptsächlich Ahorne wurden gefällt. Sie standen sehr dicht. Die, die stehen geblieben sind, können sich jetzt besser entwickeln. Eine lichte Baumhalle soll entstehen. Auf dem ebenen Dreieck werden 61 neue Bäume gepflanzt. Damit sie wachsen können, wird der Boden nicht gepflastert, sondern bekommt eine wasserdurchlässige Kiesdecke. In Reihen werden viele Bänke aufgestellt, von denen einige auch beleuchtet sind. Vor dem östlich angrenzenden Baufeld, für das Büros, Wohnungen und Geschäfte vorgesehen sind, wird ein befestigter Platz entstehen, der vielfach nutzbar sein soll. Auch die Wege unter den Brückenbogen der Straße Alt-Moabit, früher die Bahngleise zum Güterbahnhof, werden neu hergerichtet als direkte Verbindung auf den Moabiter Werder und zur Spreeuferpromenade. Entlang des Bahnviadukts wird ein breiter gepflasterter Streifen angelegt, der mit einer neuen Treppe an die Straße Alt-Moabit gegenüber der Einmündung der Lüneburger Straße angebunden wird.
Wie überall stellen Planer sich hier in späterer Zukunft Gastronomie vor. Doch wird das noch eine ganze Zeit dauern. Denn für etwa zehn Jahre müssen die Stützpfeiler der neuen Bahntrasse noch zugänglich bleiben, aus Sicherheitsgründen. Regelmäßig wird beobachtet, ob sie sich möglicherweise senken. Doch was geschieht in der Zwischenzeit mit dem Gelände unter der Bahn? Soll es als Schmuddelecke liegenbleiben?
Wir wollen noch einmal auf die Treppe zurückkommen. Sie ist der letzte Rest der alten Anlage. Ursprünglich sah der Entwurf von Rehwaldt Landschaftsarchitekten aus Dresden, die 2005 den Wettbewerb für die Gestaltung des Geländes gewonnen haben, vor die ganze Treppe zu restaurieren und begehbar zu machen. Das wäre teuer geworden und manchmal ist Geldmangel auch zu was gut. Hier verhindert er hoffentlich, dass das Bild der von Baumwurzeln umarmten Sandsteinblöcke völlig zerstört wird. Die Natur hat das Gelände zurückerobert, große Bäume wachsen aus der Treppe und verschieben die schweren Steine. Es soll nur das östliche Viertel der Treppe restauriert werden. Der Rest bleibt erhalten. Könnte nicht die Treppe ganz erhalten bleiben und eine neue Treppe daneben angelegt werden? Auch wäre es eine Überlegung wert, ob nicht die Löwen, die vormals an der Treppe wachten, wieder aufgestellt werden. Was sollen sie im Verkehrsmuseum (s. Foto rechts)? Doch das ist erst mal nicht geplant.
Zuerst erschienen in der letzten Ausgabe von stadt.plan.moabit, Nr. 48, April 2007
siehe auch Artikel von Jürgen Schwenzel über die Eröffnung der Parks. Dort sind weitere interessante Dokumente eingebunden.