Quartier Heidestraße, Teil 1
Seitdem die Vivico privatisiert wurde, gehört ein Großteil der Grundstücke rund um den Hauptbahnhof einem börsennotierten österreichischen Immobilienfonds. Ansprechpartnerin für die Heidestraße ist Ingeborg Breithaupt. Für das 40 Hektar große Gebiet rund um die Heidestraße wird schon eine ganze Weile geplant. Die Senatsverwaltung hatte in Kooperation mit den Grundstückseigentümern Vivico (20 ha) und Deutsche Bahn (10 ha) sowie dem Bezirk Mitte fünf Arbeitsgemeinschaften aus Stadt-, Verkehrs- und Landschaftsplanern ausgewählt, die ein städtebauliches und freiraumplanerisches Konzept erarbeiten sollten. Am 6. Februar 2008 hatten Prof. Albert Speer (Architekt, Frankfurt am Main), Prof. Markus Neppl (Architekt, Köln), Thomas Albrecht (Architekt, München/Berlin), Prof. Rudolf Scheuvens (Stadtplaner, Dortmund) und Kai Stege (Architekt/Stadtplaner, Dortmund) die Büros vorgestellt. Die Veranstaltung im überfüllten kleinen Hörsaal der Charité war damals ziemlich missglückt. Auf das Wettbewerbsgebiet gingen die Büros kaum ein.
Dem Ende des Wettbewerbs und der Vorstellung des Siegerentwurfs im April folgte ein breites Medienecho. Die Entscheidung der Jury unter der Leitung von Prof. Carl Fingerhuth (Zürich) für den Entwurf von KCAP/ASTOC (Rotterdam/Köln/Zürich) , mit Argus (Hamburg) und Studio Urban Catalyst (Berlin) wurde allgemein begrüßt. Beurteilungen des Preisgerichts zu einzelnen Entwürfen sind im Wettbewerbsarchiv der Architektenkammer zu finden.
An der Heidestraße soll ein lebendiges urbanes Viertel entstehen, zweimal so groß wie der Potsdamer Platz, eine Mischung aus Büros, Gewerbe, Wohnen, Kultur und Freizeit. Hochhäuser sind am Nordhafen und an der Invalidenstraße gegenüber des Hauptbahnhofs vorgesehen. Insgesamt sind etwa 520.000 qm Bruttogeschossfläche möglich (in manchen Texten ist auch von bis zu 650.000 qm BGF die Rede), davon ca. 1.200 Wohnungen, das sind 1.600 bis 2.400 neue Bewohner. 10.000 bis 14.000 Arbeitsplätze könnten entstehen. Die Heidestraße stellt man sich als grünen Boulevard vor, mit drei Reihen Alleebäumen. Die Wohnungen werden abseits der Hauptstraße liegen. Besonders interessant ist an diesem Konzept das neue Hafenbecken (Bild oben) am Spandauer Schifffahrtskanal ungefähr in der Mitte zwischen Humboldt- und Nordhafen, die breiten Freiflächen entlang der Wasserstraße, eine Brücke über die Bahntrasse als Verbindung nach Moabit, zwei neue Brücken über den Kanal sowie weitere verkehrsplanerische Details. Die Entwürfe waren etwa einen Monat im Pavillon auf dem Washingtonplatz ausgestellt. Bei der 3. Standortkonferenz Heidestraße am 22. April 2008 war der Tape Club fast überfüllt. Es wurde lebhaft diskutiert. Das Protokoll dieser Veranstaltung kann hier heruntergeladen werden.
Soviel Echo bekam die 4. Standortkonferenz am gleichen Ort zur Vorstellung des Masterplans dann nicht mehr. Die Weiterentwicklung des preisgekrönten Wettbewerbsentwurfs (Modellbild im Tagesspiegelartikel oben) ist im Vergleich zu dem hier rechts abgebildeten Modell des Masterplans zu erkennen. Einzelne Details, wie das Hochhausviertel an der Invalidenstraße, das Wohnquartier um den neuen Hafen, die Weiterentwicklung des Kunstortes hinter dem Hamburger Bahnhof oder die neue Grünanlage am Nordhafen, findet man als Bilder im Teil 2 dieses Artikels.
Am 11. November 2008 bei der 4. Standortkonferenz Heidestraße berichtete Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, wie dieser dynamische Masterplan in einem intensiven Abstimmungsprozess aller Beteiligten mit Hilfe von sieben Workshops erarbeitet wurde. Er soll über eine längere Zeit den Rahmen definieren, innerhalb dessen für einzelne Investitionsvorhaben Bebauungspläne erarbeitet werden. Der Flächennutzungsplan muss geändert werden, die erste öffentliche Auslegung des Plans ist für das erste Quartal 2009 vorgesehen. Festgelegt werden Nutzungsdichte, Nutzungsart, die Freiräume, die Erdgeschosszonen. Man hat sich auf folgende fünf Leitsätze geeinigt:
1) Das Stadtquartier Heidestraße soll ein berlintypisches Gesicht erhalten
2) es soll in die Gesamtsadt eingebunden werden
3) es soll klimagerecht und nachhaltig entwickelt werden
4) Stadtstrukturelle und freiräumliche Qualitäten sollen entwickelt werden, öffentliche Freiräume am Wasser
5) das Verkehrsnetz soll integrativ ausgebaut werden, Heidestraße als städtische Straße
Überarbeitet werden mussten insbesondere die Hochhäuser gegenüber des Hauptbahnhofs an der Invalidenstraße. Sie bilden jetzt nicht mehr eine beliebige Ansammlung von Baukörpern, sondern Blockstrukturen, deren Zwischenräume Richtung Kunstcampus führen. Ein dreieckiger Platz an der Minna-Cauer-Straße bleibt unbebaut. Wie können die Quartiere an den Rändern profitieren, ist eine wichtige Frage, die beachtet werden sollte.
Ephraim Gothe, Mittes Stadtrat für Stadtentwicklung betonte, dass das neue Quartier an der Heidestraße eine Schlüsselfläche für Berlin sei, und scherzte: „hier gehört eigentlich das neue Rathaus von Mitte hin“. Im Bezirk wird über die Ausgestaltung der sozialen Infrasturktur nachgedacht. Eigentlich wäre für 2.000 neue Bewohner auch eine neue Grundschule nötig. Aber niemand möchte eine „Insel der Glücklichen“ schafften, sondern das Quartier sozial vernetzen. Deshalb wird daran gedacht, die Schulen der Umgebung zu verbessern. Er wünscht sich kein komplett exklusives Viertel, sondern Wohnungen verschiedener Preisklasse. Sowohl Eigentum wie auch Mietwohnungen sollen entstehen und eine kleinteilige Nutzungsmischung innerhalb der einzelnen Häuser. Die Entwicklung ist langfristig angelegt – für die nächsten 10 bis 20 Jahre. Wie jedoch die verkehrsreiche Heidestraße (40.000 Autos täglich) zu einem begrünten Boulevard werden soll, kann ich mir nicht so richtig vorstellen.
Lesen Sie weiter im Teil 2. Dort findet sich auch der Link zur Präsentations beim Stadtentwicklungsausschuss der BVV und nur dort sind Kommentare möglich.