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Pakistani Punker in Moabit

Punk ist tot, aber Ahmed Shah, 40, kämpft weiter. Als Trotzkist, als Sozialarbeiter bei Olle Burg e.V., als Vorsitzender der sozialistischen Zeitung „Linksruck“, sowie im Bezirksvorstand Mitte der WASG.

„Ich war der erste Pakistani Punk im Viertel.“ erzählt er über seine Jugend im indisch geprägten Südlondoner Viertel, Croydon. Hier in Moabit kennt man ihn durch seine Arbeit als pädagogischer Mitarbeiter auf dem Spielplatz in der Waldstraße und durch die Jugendtheatergruppe „Grenzen – Los!, die er zusammen mit Marwa Al-Radwany leitet.

Geboren in Lahore, Pakistan, immigrieren seine Eltern nach England, als Ahmed 3 Jahre alt ist. Arzt oder Offizier, das sind die Berufswünsche der Eltern. In London Ende der 70er, Anfang  der 80er Jahre passieren jedoch Dinge, die die Eltern nicht nachvollziehen können. Ahmed rasiert sich die Haare zu einer Punk-Frisur und begeistert sich für die Musik der Stunde: politisch motivierte Punk – Ska Bands wie „the Clash“ oder „the Redskins“. „Wir waren Redskins“ sagt Ahmed – und damit gegen Thatcher. Und für Gewerkschaften, Bergarbeiterstreiks, Hausbesetzungen und Demonstrationen.

Theater und Politik sind die beiden großen Leidenschaften in Ahmeds Leben. Bei seinem ersten Theaterauftritt überzeugte er als L. Braille, Erfinder der Blindenschrift, weil er so gut schielen kann. Politisch steht Ahmed auf der Seite der Unterdrückten, der Underdogs, der von der Gesellschaft Unverstandenen. Momentan politisiert er mit dem Jugendtheaterstück „Intifada – im Klassenzimmer?!?“ und der Theatergruppe „G86B“ mit dem Stück „1001 Arabian Eyes“. Beide Stücke sind von Ahmed geschrieben, das erstgenannte in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen. In diesem verteidigt sich der arabische Abdullah z.B. so: „Ja, ich setze mich ein für eine freies Palästina. / Ja, ich protestiere gegen die israelische Mauer. / Ja, ich bin auf die Straße gegangen gegen die Tötung von Scheich Jassin. / Aber nein, ich sage es deutlich, ich bin verdammt noch mal kein Terrorist.“

„Raus aus Thatcher England“ denkt Ahmed ’88 und zieht erst nach Hamburg, dann nach Berlin. Die Stadt fasziniert nicht nur als weltpolitischer „Showcase“. Durch Brecht in Sachen Theater geprägt, begeistert vom Berlin der 20er Jahre, vom Dadaismus, Impressionismus besitzt die Stadt für Ahmed eine besondere Anziehungskraft.

Moabit erschien ihm auf den ersten Blick als ein trister Stadtteil mit vielen Problemen und frechen Kindern. „Freche Kinder sind gut. Sie sind so wie ich früher auch war.“ Gegen die Tristess und die Probleme hat Ahmed was: er kämpft für eine interkulturelle Gemeinschaft, internationale Kooperation und will Brücken errichten zwischen Menschen unterschiedlicher Lebenswelten.

Auf Kontinuität und Nachhaltigkeit müsse man bauen. „Es wäre eine Tragödie, wenn das Theaterprojekt „Grenzen- Los!“ nicht weiter gehen würde.“ sagt Ahmed. Es soll nicht nur Vorzeigeprojekt des Senats sein und dann zu den Akten gelegt werden mit Stempelaufdruck „erfolgreich gelaufen und fertig“. Da es bisher noch keine feste Zusage des Senats zur weiteren Finanzierung gibt, ist die Zukunft des Projekts ungewiss.

Einfach ist die Arbeit mit den Moabiter Jugendlichen nicht: oft besteht sie zum größten Teil aus Sozialarbeit und nur kaum aus Theater. Aber all die Mühen haben sich gelohnt: acht Mal wurde „Intifada – im Klassenzimmer?!?“ aufgeführt und „Taz“, „Tagesspiegel“, „Junge Welt“ und die „Jüdische Allgemeine“ haben darüber berichtet. Viel wurde über die schwierigen Hintergründe berichtet, aus denen die Jugendlichen stammen. „Ghettokids auf der Berliner Hinterbühne“ untertiteln die einen, „Bühne mit Botschaft“ schreiben die andern.

„Wir nutzen das Theater als Sprachrohr, um uns einzumischen und um das Selbstbewusstsein  der Jugendlichen zu stärken.“ erklärt Ahmed.

Dieses Sprachrohr ist auch dringend notwendig. Begriffe wie Parallelgesellschaft oder Leitkultur geistern nicht aus Ungefähr durch die deutsche Medienwelt. Reaktionen derjenigen, um die es in der Diskussion geht, Menschen mit Immigrationshintergrund, finden kaum Darstellungsmöglichkeiten. Für diese Auseinandersetzungen brauchen wir dringend positive Impulse wie das Theaterprojekt hier in Moabit. Ein achtungsvolles Miteinander können wir in unserer multikulturellen Gesellschaft nur erreichen wenn wir Vorurteile und Unkenntnis abbauen.

Text: Petra Hauffe, Foto: Christoph Eckelt

Zuerst erschienen in stadt.plan.moabit, Nr. 21, Juli/August 2005

Lesen Sie auch den ausführlichen Bericht von Gerald Backhaus über die Theaterarbeit Shahs im JugendtheaterBüro im Vorfeld des „FESTIWALLA“ mit der Kampagne „KulTür auf!„.

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