Die Kiez Mutter Courage
Ein Jugendbild von ihr hängt in der Kulturfabrik, eines aus späteren Tagen in der Pizzeria Mediterraneo. Der Spielplatz ist nach ihr benannt, und eine Magister-Arbeit wurde auch schon über sie geschrieben.
Auch sieben Jahre (das war 2003 – jetzt sind es also 13 Jahre) nach ihrem Tod ist Klara Franke (1911 – 1995) in der Lehrter Straße noch immer gegenwärtig. Nicht zuletzt in den Geschichten, von denen die Menschen in der Lehrter Straße reichlich zu erzählen haben. Doch nicht nur die. Auch Stadträte und Stadtplaner wissen einige Lieder von ihr zu singen. Und nicht selten ist ihr Krückstock in der einen oder anderen Strophe mit von der Partie.
Nicht dass sie jemanden verprügelt hätte. Das hätte sie nie getan. Aber durchgesetzt, das hat sie sich schon. Von Vorzimmerdamen, heißt es, hat sie sich nicht aufhalten lassen, wenn ein Skandal anzuzeigen war. Oder wenn es nicht weiter ging mit dem Bau des Spielplatzes. Beinahe ihr ganzes Leben hat Klara Franke in der Lehrter Straße gewohnt. Und was in der Straße anstand, das war auch ihre Sache.
Klara Franke war eine Bürgerin, die sich beteiligt hat, und das schon bevor die Bürgerbeteiligung als ein Instrument der sinnvollen Stadentwicklung erkannt worden ist. Sie hat sich beteiligt, weil es in ihrem Temperament lag, sich zu beteiligen. Oder weil es ihr nicht gegeben war, zu schweigen.
Alle, die sie kannten, schildern sie als eine furchtlose Frau. Wohl deshalb hat sie als Vorbild der Straße bei vielen überlebt. Sie hat vorgemacht, dass Einmischung sich lohnt, sowohl bei den Ämtern als auch bei den alltäglichen Streitereien. Sie hat vorgemacht, dass in Notlagen jeder helfen kann. Und sie hat vorgemacht, dass weder Generationen noch Nationalitäten einander fremd bleiben müssen.
Die Jungs vom Harley-Davidson-Club waren ihre Freunde. Der Name des Vereins „billige Prachtstraße“ war ihre Idee. Den fünf Brüdern vom „Mediterraneo“ hat sie geholfen, eine Pizzeria zu eröffnen und die Kulturfabrik war ihr zweites Zuhause. Dort hörte sie gerne den Rockgruppen zu oder erzählte den jungen Leuten Bitter Lemmon trinkend aus ihrem Leben.
Und dort feiern die Leute aus der Lehrter noch immer alljährlich ihren Geburtstag. Und auf diese Weise auch ihr eigenes Wir- Gefühl, das sich nicht zuletzt um Klara Franke herum entwickelt hat.
Text von Burkhard Meise aus: stadt.plan.moabit, Nr. 6, Februar 2003
Auch in diesem Jahr wird der Klara-Franke-Preis für Bürgerengagement in Moabit verliehen, am 8. März ab 15 Uhr in der Kulturfabrik (Programm siehe Veranstaltungen). Wen die Lebensgeschichte von Klara Franke genauer interessiert, kann im Buch „Aufbrüche. Frauengeschichte(n) aus Tiergarten 1850-1950“ nachlesen, im Mitte-Museum in der Pankstraße, im Tagesspiegel von 2006 „Es hält ein Zug im Irgendwo“ oder in Kürze in der neuesten Ausgabe von LiesSte, der Zeitung für den Stephankiez.
Das Foto rechts ist von Stefan Koppelkamm aus dem Buch „Weichenstellungen“ der S.T.E.R.N. Gmbh über die Lehrter Straße, die Farbfotos sind privat und uns von ihrer Tochter Ingrid Thorius überlassen.
Zum 100. Geburtstag am 6. März 2011 schreibt Gertrud Völlering im Berliner Abendbaltt diesen Artikel. Hier geht’s zur Gedenktafel auf dem Klara-Franke-Spielplatz, zum Artikel in der Berliner Zeitung „Große Klappe für den Kiez“ von Gudrun Sonnenberg zu ihrem 84. Geburtstag am 6. März 1995, zum Abschieds-Gedicht von Ralf G. Landmesser, zu einem Interview mit ihrer Tochter Ingrid Thorius (englisch) und zu Erinnerungen von Susanne Torka.
Ich schicke MoabitOnline mein Gedicht über Klara Franke.
KLARA FRANKE
Genannt „Mutter der Lehrter Straße“
Klipp un` klar
laut un` deutlich
haste jesaacht
wat Sache waa
hast aus`m Herzen jeredet
wie Dein oller
Baalina Schnabel jewachsen waa.
Jewachsen waa Dia so leicht
keener von die Staubhengste
ausse Büros unt Politick.
`Ne Klippe war`ste, Klara:
manchen haste uffloofen lassn
mit Deine Klappe
mit Deine Beharrlichkeit
mit Deine sture
Menschenfreundlichkeit
die von unten jewachsen waa
mitti Straße, mit`n Kiez
die Dir am jroßen Herzen laaren.
Warst`n Prachtstück, wa
`n alter Edel-Steen
von unsre „Prachtstraße“
die recht und billich
für alle sein sollte:
die ausländischen Inlända
unt die inländischen Auslända.
Konservativ war`ste
im besten anarchistischen Sinn
anarchisch fanden Dich
die Konservativen.
Nirjenswo einsortierbaa
einzich-un-artich
jar nich` brav
abaa bravourös
in Deine Attacken
jejen
Jedanken- und Skrupellose
bissich, abaa nie fabissen
immer `ne Jeschichte
unt`n Witz, n` Lachen uff`n Lippen!
So warste und jingst mit mang
durch Dicke un` Dünne
unt all de Jahre
unt so bleibste uns ooch –
mitten drinne.
Is` doch klärchen, Klara!
A_tschö!
R@lf G. Landmesser 14/9/1995 (15/3/99 überarbeitet)
Super, lieber Ralf
und für die Solidarität ists nie zu spät !
ich durfte soeben im Rathaus Cafe (über Ingrid Thorius) von Klara Franke erfahren und muss sagen, dass mich diese Frau sehr beeindruckt, der Artikel hier und auch auf einer weiteren Internetseite der Lehrterstr. war wirklich aufschlussreich und hat mich begeistert, bravo bravo! Ich danke für den nachträglichen Geschichtsunterricht Ingrid!
@ R@lf: den Text kann ich dir gern mal ins Mikrofon sprechen wenn du möchtest!
@ Rane: was für ein toller Tag in Moabit das heute doch war!
Tja, sehe eh das Rathaus Cafe als den zentralen Treffpunkt in Moabit. Aber wir brauchen noch mehr Cafés vor allem im Ostteil. Wie wäre es mit Filmen über Klara (von Wolfgang Schröter) und von Ingrid (von mir) zum 21.6.10 ? Ihr müsst nur einen Beamer und DVD-Player besorgen.
@ doa21
N Kläre-Rap wär auch mal ne tolle Sache!
Es gibt ja den VideoDokuFilm über unsere Klarissima und zum Ausklang des Films wird der Text meines Gedichts gesprochen. Aber sehr gerne höre ich mal deine Interpretation! 🙂
Ansonsten sind Alle freundlichst eingeladen, meine Lesung „Toren und Investoren“ am Sa. 19.6. um 21 Uhr, B-Laden Lehrter Straße (gegenüber Kruppstr.), im Rahmen von „Inselglück“ zu hören. Es gibt Neues!!
also ich würde gern den Film zweigen wollen, nur habe ich überhaupt keine Möglichkeit mehr etwas zu organisieren, muss am Montag in die Metro und dann alles vorbereiten. Vielleicht bringst du einen kleinen TV mit;-)
[…] für mich mal zu recherchieren, wer diese Frau war. Klara Franke (1911 – 1995) Kiezmutter der Lehrter Straße, die sich mit „unerschrockene Mundwerk“ ür den Kiez […]