So können Sie mitmachen!

Horst Kupferschmidt

Filmgeschichte, Moabit, Erinnerungen

Horst Kupferschmidt, Jahrgang 1927, treffen, heißt über die Vergangenheit reden: Wie war es früher in Moabit? Wie lebten die Menschen?

Besonders die Kriegs- und Nachkriegszeit werden durch seine Erzählungen wieder lebendig. Wie sie im Luftschutzkeller saßen bei Fliegeralarm. Die Wilsnacker Straße 36 hatte einen Luftschutzkeller. Wie die Kleidung verloren ging, weil sie den Koffer, aus Angst ausgebombt zu werden, bei Siemens abgestellt hatten. Mit 17 musste er noch 1944, im letzten Kriegsjahr, Soldat werden: „ich war klein und schmächtig, konnte kaum das Gewehr halten,“ sagt er. Als er aus der Gefangenschaft kam, schleuste ihn ein Russe vom Westen in den Osten, da musste er in Zehlendorf im Bahnhof schlafen. Es war vier Tage vor seinem 18. Geburtstag, der dann glücklich zu Hause gefeiert werden konnte. Das Leben war schwierig. Für 65 Pfennig Lohn in der Stunde wurde enttrümmert, jeder erhielt 500 Gramm Brot. Man ging mit Trainingsanzug ins Bett, abends die Stromsperre, nur Talglichter schimmerten. An warmes Wasser war nicht zu denken, selbst die Seife schäumte nicht. Moabit war wirklich eine Insel, alle Brücken zerstört. Der Großvater starb 1946 und die Friedhöfe lagen doch an der Seestraße hinter dem Plötzensee. An Stelle der Föhrer Brücke war ein Drahtseil gespannt, an dem ein Floß hin und her gezogen wurde. Sie mussten um 18 Uhr von der Trauerfeier zurück sein, um noch nach Hause zu kommen. Bis die Perleberger Brücke wieder aufgebaut wurde, gab es die Möglichkeit über eine Rohrleitung zu balancieren. Immer mal wieder ist einer abstürzt und ins Wasser gefallen. Gelernt hat Horst Kupferschmidt bei Leineweber am Spittelmarkt. Nach dem Krieg wollte der Sohn eines SPD-Manns, der als Mitläufer entnazifiziert wurde, nichts von Politik wissen, er hat sich in erster Linie um Sport gekümmert, den ASV mitgegründet, Fußball gespielt. Die vielen Moabiter Kinos sind ihm noch lebhaft in Erinnerung. Und die Filme der damaligen Zeit. Dazu später mehr.

Horst Kupferschmidt, Foto: Jürgen Schwenzel

Horst Kupferschmidt hat seine Erinnerungen festgehalten und macht sie anderen zugänglich mit Filmen über Moabit, mit Dokumentarfilmen über Menschen und Ereignisse, über Moabiter Straßen und Gebäude, über das Ende des Heimatmuseums, die Einweihung des Klara-Franke-Spielplatzes und über vieles andere. Zur Zeit arbeitet er an einem neuen Moabit-Film, der die Geschichte des Ortsteils von seinen Anfängen bis heute darstellen wird mit alten Bildern, Karten, Zeichnungen und Gema freier Musikuntermalung.

Nur die ersten 34 Jahre seines Lebens hat Horst Kupferschmidt in Moabit gelebt, in der Wilsnacker Straße und in der Stephanstraße. Nicht allein, denn die ganze Verwandtschaft lebte in Moabit. Nach einiger Zeit im Durchgangszimmer der elterlichen Wohnung, konnte er in die Nachbarwohnung einziehen. Als seine Mutter starb ist er nach Lübars in sein Gartengrundstück umgezogen. Das ist auch schon wieder 50 Jahre her. Doch dem Kiez blieb er verbunden, er hat in Moabit gearbeitet, die letzten 20 Jahre vor der Rente im Kundendienst von AEG/Telefunken.

Schon damals, mit 53 Jahren, hat er zu Filmen angefangen, erst Schmalfilm, später Video. Die Filme sind in enger Zusammenarbeit mit seinem Schulfreund Horst Speek, Lehrer in der Turmstraße 86, entstanden. Sie  liefen mehrmals im Offenen Kanal, sie wurden in Altenheimen, in Kirchen, im Heimatmuseum gezeigt. Drei Mal wurden die Filme prämiert, wie Horst Kupferschmidt erzählt. Er erhielt den Moabiter Wecker der CDU, im Sender 1A wurde er mit den Moabit Filmen „Berliner des Tages“, und auf die silberne Ehrennadel des Bezirks Tiergarten ist er besonders stolz.

Jeden Sonntag um 17 14 Uhr läuft bei Alex (früher Offener Kanal) die Reihe „Liebe alte Flimmerkiste“, Filmerinnerungen an alte deutsche Filme. 44 Folgen hat Horst Kupferschmidt gedreht. Die Sendungen laufen zeitgleich im Internet unter www.alex-berlin.de – für Interessenten, die nicht ans Berliner Kabelnetz angeschlossen sind.

In der Bruno-Lösche-Bibliothek und in der Hansa-Bibliothek können seine früheren Video-Filme jetzt auch auf DVD ausgeliehen werden. Es sind in beiden Bibliotheken jeweils 11 seiner 12 Filme über Moabit vorrätig. Einige sind auch in der kleinen Nachbarschaftsbibliothek des B-Ladens vorhanden.

Nachtrag:
Horst Kupferschmidt ist am 8. Dezember 2016 gestorben.

10 Kommentare auf "Horst Kupferschmidt"

  1. 1
    prolet says:

    Es ist schön, daß es immer wieder Menschen gibt, die sich so unspektakulär, dafür aber um so ausdauernder für ihre Heimat einsetzen, anstatt rechthaberisch zum Selbstzweck zu debattieren. Diese Menschen sind es, die Erinnerung wachhalten und Wissen an die Jüngeren weitergeben, Geschichte von unten im besten Sinne, jenseits hochgeistiger Historikerstreite. Hätten die Menschen in früheren Jahrhunderten Tagebücher geführt, müßten die Archäologen nicht mühsam erraten, wofür der eine oder andere Gegenstand gedient haben mag (Welcher heutige Schüler könnte sich wohl vorstellen, wozu früher ein „Wichskasten“ benötigt wurde …)
    Weiterhin viel Erfolg und gelungene Filme!

  2. 2
    Friedhelm Homberg says:

    Gibt es die 44 Folgen von L a FlK evtl. auch auf DVD?
    Ich bin begeistert von der Reihe.
    Beste Grüße
    FH

  3. 3
    Tonmeister says:

    Hallo alle Flimmerkisten Freunde,

    noch ist keine Antwort wie viele Folgen es von der L a FLK gibt.
    Außerdem fehlen bei der Sendung die Folgen Angeben.

    Beste Grüße Der Tonmeister

  4. 4
    Medienrainer says:

    Ein einziges Wort für Horst Kupferschmidt für seine mit viel Elan und auch viel Zeiteinsatz produzierte Sendung Liebe Alte Flimmerkiste : D a n k e !
    Ein derartiges Format fehlt im unserem öffentlich/privaten Fensehspektrum. Bitte weiter so ! Medienrainer aus Friedenau

  5. 5
    Marianne f says:

    Eine ganz liebe Sendung, die ich jeden Sonntag erwarte. Obwohl ich ein Nachkriegskind bin sehe ich gern diese alten Filmausschnitte. Sie versetzen mich in meine Kindheit. Großes Dankeschön an Herrn Horst Kupferschmidt, der mit großen Engagement durch die Sendung führt. Der Schlager im Abspann „Das gib‘ s nur einmal“ einfach wunderbar! Danke

  6. 6
    Moa says:

    lebt Herr Kupferschmidt noch und filmt er weiterhin in Moabit?

  7. 7
    Andreas says:

    Auch ich möchte danke sagen an Herrn Kupferschmidt! Schaue gerade wieder seine Sendung, die ich wegen ihrer altmodischen und zugleich emotionalen Art sehr zu schätzen weiß. Natürlich sind auch die Inhalte sehenswert und zum Teil rare Fundstücke. Kompliment für die Auswahl und die Mühe, die damit verbunden ist!

    Kommen die Folgen heutzutage alles „aus der Konserve“ oder wird da noch Neues produziert? Natürlich stelle auch ich mir die Frage, wie es Herrn Kupferschmied geht in diesem hohen Lebensalter. Gäbe es vielleicht eine Möglichkeit, ihm persönlich dankzusagen?

    Viele Grüße und die allerbesten Wünsche!

  8. 8
    Ela Gabal says:

    Horst Kupferschmidt ist für sie telefonisch errreichbar: 030/402 87 06.

    Sie suchen einen oder mehrere alten Filme? Herr Kupferschmidt hilft hnen gerne weiter.

    „Liebe alte Flimmerkiste“ läuft nach wie vor auf „ALEX“ (im Berliner Kabelnetz), jeden Sonntag um 14:00 Uhr; Wiederholung in der Nacht zu Montag, um 02:00 Uhr.

  9. 9
    Jörg Bergmann says:

    Weiß jemand wo Herr Horst Kupferschmidt begraben liegt.?

  10. 10

    Es war ein großer Friedhof in der Nähe des Kurt-Schumacher-Platz, man geht eine lange Allee auf die Kapelle zu, dort gab es eine kleine Trauerfeier, und zum Grab (ich glaube es war Erdbestattung) ging es aus der Kapelle kommend ein Stück nach links. Wenn ich mich richtig erinnere, sollte es ein anonymes Grab sein, das heißt wohl, das es nicht zu erkennen ist (aber vielleicht gibt es einen Stein ohne Namen?)

    Es war eine gute Bekannte von Kupferschmidt aus dem Hansaviertel dabei. Sie hat mir später erzählt, dass der Erbe/Nachlassverwalter, der auch die Beerdigung organisiert hat, den kompletten Nachlass wohl weggeworfen habe (?). Er war auch für die Rechte an den Filmen verantwortlich, die wir ja bei unserem Moabit-Film-Festival 2017 mit im Programm hatten. Allerdings sind die Filme alle rechtlich problematisch, weil Kupferschmidt immer mit nicht-lizensiertem Material aus z.T. nicht bekannten Quellen gearbeitet hat (wahrscheinlich hatte er alles aus der Landesbildstelle, so lange wie diese noch in Moabit war, aber deren Bestände sind nicht gemeinfrei…)

Schreibe einen Kommentar

Beachte bitte die Netiquette!