Was will die Bürgerplattform Wedding / Moabit?
Rudi Blais hat in einem Kommentar zum Artikel „Was ist und was wird“ bereits seiner Enttäuschung Ausdruck verliehen, dass er auf der Gründungsveranstaltung der Bürgerplattform Wedding / Moabit daran gehindert wurde, zur Mietenstopp-Demonstration aufzurufen. Eigentlich wollte ich über diesen Abend in der Universal Hall gar nicht schreiben, habe mich aber wegen der vielen Anfragen doch umentschlossen.
Der Tagesspiegel berichtete enthusiastisch unter dem Titel „100 Nationen, 40 Vereine, eine Gemeinschaft“. Die Berliner Morgenpost hat sich das Thema herausgegriffen, was ihr am besten passt: „Bürger kämpfen gegen Drogen“. Auch Berliner Zeitung und taz schrieben über die Bürgerplattform. Denn es ist schon enorm. Die Liste der Kirchen- und Moschee-Gemeinden, die sich beteiligen ist lang. Auch viele Kiezinitiativen sind dabei. Als Sponsoren fungieren Banken, große Unternehmen (wie Bayer Schering Pharma), lokale Unternehmen (wie z.B. Laserline) und Wohnungsbaugesellschaften. Der katholische Priester Leo Penta, seit 1996 Professor an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen (KHSB), hat die Organisationsform des Community Organizing aus Brooklyn mitgebracht und im Dezember 2006 das Deutsche Institut für Community Organizing (DICO) gegründet. Einen kurzen Überblick über Community Organizing gibt Wolfgang Goede in seinen interessanten Hintergrundartikel im P.M. Blog, in dem er auch auf kritische Stimmen eingeht. Eine Rezension des neuesten Buches von Leo Penta findet sich hier.
Die Universal Hall am 25. November gestopft voll: 1.152 Menschen werden gezählt. Und viele von ihnen sind zufrieden mit der Veranstaltung. Sie klatschen, lachen über die Witze, freuen sich. Viele Gruppen aus Wedding und Moabit sind vertreten. Sie hatten die Aufgabe, so viele Mitglieder wie möglich für die Gründungsveranstaltung zu mobilisieren. Und das ist gut gelungen. Wohl noch nie haben so viele Menschen mit Migrationshintergrund eine Veranstaltung über Probleme in den Ortsteilen Moabit und Wedding besucht. Die extra eingeladenen und begrüßten prominenten Teilnehmer sind in einem weiteren enthusiastischen Bericht in Glocalist Daily News aufgelistet.
Selbstorganisation und Basisdemokratie hat sich das Community Organizing auf die Fahnen geschrieben, den Armen und Ausgegrenzten soll eine Stimme verliehen werden, sie sollen „auf Augenhöhe“ mit Politik und Verwaltung verhandeln können. Dazu werden „local leaders“ gesucht und ausgebildet. In Wedding und Moabit wurden einige „Führungs“-Persönlichkeiten gefunden. Monika Götz und Dr. Suat Özkan moderierten professionell. Azize Karagülle vom Kümmere Dich e.V. und Quartiersrätin im Soldiner Kiez, Mahmoud Bargouth vom Haus der Weisheit e.V. und ZID (Zentrum für interreligiösen Dialog e.V.) und Manfred Kunth von der Berliner Stadtmissionsgemeinde im Wedding erklärten, warum mit diesem breiten Zusammenschluss vieler Gruppen wirksame Veränderungen erreicht werden können. Sie sammelten Eigenschaftsworte für die Bürgerplattform: bunt, unparteiisch, gleichberechtigt, unabhängig, kraftvoll, engagiert, wissend, kreativ, strategisch, zielstrebig, selbstbewusst, respektvoll, langlebig.
Dann wurde auch der Name bekanntgegeben, der so knapp wie einfach lautet: „Wir sind da!“. Unter dem Trommelwirbel der Band „drum attack“ traten Vertreterinnen und Vertreter von 43 Gruppen ans Mikrofon, erklärten, warum sie dabei sind, und unterschrieben auf vorbereiteten Bögen. Nicht wenige erwähnten voll Stolz, wieviele aus ihrer Gruppe dabei sind. Die Gruppen verpflichten sich zusammen 20% der Kosten für die Organisation einzubringen (etwa 20.000 Euro jährlich).
Zum Schluss der Veranstaltung sollten einige Erlebnisberichte zeigen, „wo der Schuh drückt“. Eine Themensammlung im Vorfeld hatte alle nur denkbaren Mißstände in Schulen und Bildung, für Familien, Kinder und Jugendliche, im Jobcenter, wie auch Verwahrlosung im Öffentlichen Raum, Drogen- und Alkoholprobleme umfasst. Eine Liste von 5 Seiten. Selcuk Seydam von der Haci Bayram Moschee berichtete, wie er in der 12. Klasse die Schule verlassen musste, um seinem Vater in der Bäckerei zu helfen. Jetzt musste er das Geschäft aufgeben und steht ohne Ausbildung da. Deshalb hält er gute Bildung für ebenso wichtig, wie Erna Wormsbecher, die früher lange Jahre Lehrerin in Rußland war und ehrenamtlich Aussiedlerkinder unterrichtet. Verständlichere Formulare im Jobcenter mahnte Haci Karaca von der Aksemseddin Moschee an. Sonja Zell berichtete, wie sie als Selbstständige, die zusätzlich Unterstützung beantragen muss, von Sachbearbeitern diskriminiert wird. Sunny Akpan von der Jesus Miracle Harvest Church erzählte von Gesprächen mit seiner kleinen Tochter über offenen Drogenhandel in der U-Bahn, denen er lieber aus dem Weg gegangen wäre. Er forderte eine drogenfreie Umgebung für die Kinder. Lee Schneider, die Pastorin der Pfingstgemeinde „Feste Burg“ in der Neuen Nazarethkirche, lamentierte über alkoholtrinkende Menschen auf „ihrer“ Kirchentreppe, achtlos hingeworfenen Müll, geplünderte Kleidercontainer und Spritzen in der Umgebung der Kirche.
Ein breiter Zusammenschluss vieler Menschen und Gruppen, die sich eigenverantwortlich und aktiv für ihren Stadtteil einsetzen, ist natürlich sehr zu begrüßen. Doch wo ist der gemeinsame Nenner? Wann und wo haben sich die Mitglieder der einzelnen Gruppen und Religionsgemeinschaften gegenseitig kennengelernt und Vertrauen zueinander aufgebaut, wie nach außen hin gesagt wird? Wieviel wissen sie überhaupt von einander? Vor der Gründungsveranstaltung hat es nur zum Zweck der Themensammlung die Gelegenheit gegeben, mit Mitgliedern aus anderen Gruppen zusammenzutreffen und in einer kurzen Runde die eigene persönliche Betroffenenheit zu erörtern. Wurden untereinander neue Beziehungen geknüpft oder haben die einzelnen Gruppen“führer“ nicht fast ausschließlich Beziehungen zu der Organizerin, Susanne Sander, aufgebaut? Wer trifft in einer so zentralisierten Struktur die Entscheidungen? Wie kann sichergestellt werden, dass die Bürgerplattform vom DICO unabhängig ist? Wie wird sichergestellt, dass die Sponsoren keinen Einfluß nehmen? Das sind einige der Fragen, die sich mir aufdrängen. Die Versammlung selbst hat in mir durchaus unangenehme Gefühle hervorgerufen: eine perfekt inszenierte Show, irgendwie sektenähnlich. Die vielen Menschen waren nur für den Applaus an der jeweils richtigen Stelle nötig.
Nachtrag:
Die neue Webseite der Bürgerplattform
Ich finde Ihren Blogeintrag traurig und einseitig. Überhaupt den Ausdruck „-führer“ zu benutzen, wenn es durchaus angemessene deutsche Sprache gibt, erschreckt mich. Die Fragen, die Sie stellen scheinen rhetorischer Natur zu sein, denn unsere Gruppen konnten sich, je nach Interesse, durchaus kennenlernen. Unsere Gemeinde hat beispielsweise mit einer Moschee bereits mehrere Veranstaltungen durchgeführt, die ohne diesen Kontakt wohl eher nicht zustande gekommen wären. Es liegt doch an jedem selbst den anderen kennenzulernen. Endlich ist es mal kein elitärer Politikerhaufen, der hier die Geschicke in die Hand nimmt, sondern wir selbsst. Die Unabhängigkeit des DICO ist durch die Hochschule und den wissenschaftlichen Beirat gesichert. Die Sponsoren haben sich auch bei dieser Veranstaltung sehr zurückgenommen und ich finde es schade, dass Sie deren gesellschaftliches Engagement in Zweifel ziehen. Zuletzt der Vorwurf der perfekten Show, „sektenähnlich“. Es gibt objektive Kriterien für Sekten, die Sie sich vielleicht mal anschauen sollten. Einem katholischen Priester dies vorzuwerfen finde ich schlicht eine Frechheit. Nutzen Sie doch mal die Gelegenheit Herrn Penta näher kennezulernen und sich dann vielleicht acuh zu entschuldigen. Die Menschen aus Schöneweide jedenfalls finden auch, dass sie ihm viel zu verdanken haben (FHTW, eine Brücke), denn ohne ihn hätten sie selbst sich nie so organisiert. Und wenn Sie mal einen Parteitag besuchen, dann werden Sie die Inszenierung ebenfalls perfekt finden. Dass alle Parteien Sekten sind, wird Ihnen wohl auch nicht in den Sinn kommen. –Eine verärgerte Engagierte der Bürgerplattform
…und schließlich! Rudi wurde lediglich darum gebeten sich an den Beschluss ALLER Gruppen zu halten! Wir hatten im Kernkreis beschlossen, dass keine Flyer verteilt werden und die Veranstaltung nicht für Einzelanliegen mißbraucht wird. Wir wollen mit einer Stimme sprechen und uns nicht von Einzelnen auseinanderdividieren lassen. Es wäre schön, wenn Sie auch darauf hingewiesen hätten.
Eine doch ziemlich einseitige Darstellung. Es war sicherlich „keine perfekt inszenierte Show“, es war jedoch gut vorbereitet, und die beiden Moderatoren machten ihre Sache trotz der Vorbereitung liebenswert unprofessionell. Ich denke schon, dass es in den 914 Tagen des Zusammenfindens der sehr unterschiedlichen Gruppen intensive Diskussionen gegeben hat und auch weiterhin geben wird. Eine zentrale Steuerung durch die DICO würde ich erst mal nicht vermuten. Ich würde das ganz Vorhaben nicht gleich von Vorneherein verdammen.
Die Text ist doch eine Perle: Was hier angesprochen oder düster zwischen den Zeilen angedeutet wird: Herrlich!
An dieser Veranstaltung muss ja einfach etwas faul sein: Da gehen wirklich mehr als 1000 Leute hin und haben auch noch Spaß, so was ist hier ja noch nie vorgekommen. Und die reden auch noch konstruktiv und optimistisch miteinander. (Sekte?) Die Veranstaltung war auch noch gut organisiert. (Steuerung durch Industrie?) Sehr verdächtig! Da wird sogar geklatscht! Im einem richtig deutschen Betroffenenrat wäre so etwas nicht vorgekommen. Wenn über Stadtteilengagement gesprochen wird, dann doch bitteschön wie in der trocken-teutonischen-Berufsbetroffenen-80er Jahre-Vorhölle üblich. Ganz wichtig ist: Man muss grundsätzlich erst mal alles, was in der Gegend geplant wird ablehnen und am Ende Senatsknete fordern. Niemals Optimismus verbreiten! Niemals Veränderungen wünschen! Was die Menschen wollen, entscheidet hier immer noch eine Betroffenavantgarde. Wo kämen wir denn sonst hin, da könnte ja jeder kommen und sich engagieren und einfach eine Plattform gründen ohne mich zu fragen!
Böse, böse Großunternehmen sind auch noch bei der Plattform dabei. Die werden bestimmt alles im Hintergrund steuern, weil sie die ganze Aktion für ihre böse kapitalistische Verwertung brauchen. Z.B. Schering, das wahrscheinlich heimlich alle Moabiter und Weddinger zu Versuchskaninchen degradieren will (dass die Firma der größte industrielle Arbeitgeber in den beiden Stadtteilen ist und an einer stabilen Entwicklung einfach aus lauteren Motiven interessiert sein könnte, ist ja nicht denkbar). Eine Bank ist auch noch dabei. Brrrrh!!! Die wollen bestimmt hier alles an Hedgefonds verkaufen (dass die Berliner Volksbank eine genossenschaftliche Bank ist, die vor allem regionale Finanzierungskreisläufe befördert, mal außen vor gelassen). Igitt, da sind auch noch Wohnungsbaugesellschaften dabei. Die wollen bestimmt alles aufwerten, um dann ganz schnell alles an die Zehntausenden Superreichen als Eigentumswohnung zu verkaufen, die sich nichts Besseres vorstellen können als in Sozialwohnungen im Wedding und in Moabit zu ziehen. (Dass sie zum Abbau ihres erheblichen Leerstands in Moabit und Wedding beitragen wollen, mal außen vor gelassen.) Ja auch noch ein böser Konzern wie das Druckereiimperium Laserline, das ein Weddinger Migrant aus Kroatien, der sich hochgearbeitet hat, gegründet hat. Da muss ja etwas Böses dahinterstecken, wenn da sich da einer hocharbeitet und von seinem Geld etwas in die Plattform steckt!
Dann aber das aller Schlimmste: Da sind auch noch Katholen dabei, wie mehrfach süffisant bemerkt wird! Die wollten wir in Moabit doch seit den 1870er Jahren nie haben oder? Das Pauluskloster ist doch eine immer noch offene Wunde. Und auch noch evangelische Freikirchen, bah! Das müssen doch Fundamentalisten sein? Wagt es doch eine Pastorin über alkoholtrinkende Menschen auf “ihrer” Kirchentreppe nicht nur zu klagen, sie „lamentiert“ sogar. Sie beschwerte sich auch über die weggeworfenen Spritzen vor der Kirche: Wie intolerant ist die denn?
Und ganz schlimm: Auf der Veranstaltung dufte ein Flyer über eine ganz liebe Demo in Kreuzberg nicht verteilt werden, die von ganz, ganz lieben Leuten organisiert wurde. Über ihre ganz friedlichen Ansichten und liebenswerten politischen Ziele kann man sich auf ihren sympathischen Webseiten aufklären (ich meine nicht die Weichspülversionen, die sie an die bürgerliche Presse verteilen. Die besten Beispiele kann ich hier aus strafrechtlichen Gründen leider nicht verlinken). Die knuffigen Aktivisten von Spreepiraten/InternationaleKommunistInnen/DKP/Bethnien(Vertreiber)/Indymedia etc. hätten es umgekehrt ganz bestimmt zugelassen, wenn ein putziger bürgerlicher Verein sich auf einer ihrer Vorbereitungsveranstaltung vorgestellt hätte – so zwischen Aufruf zum Sturz unseres Gesellschaftssystems, Solidarität mit Autoanzündern und Diskussion über Möglichkeiten zur Vertreibung missliebiger Neubürger und der im (O-Ton) „kapitalistischen Konkurrenzsystem“ aufgestiegenen Nachbarn.
Danke, dass der Artikel es auf den Punkt bring: Ja, bringen wir die Beteiligten an der Bürgerplattform einfach mehrfach und gezielt mit Anfüs betont mit dem Begriff „Führer“ oder „Gruppenführer“ zusammen. Ja, eine Sektenveranstaltung mit einem manipulierten Publikum, dass auf Befehl klatscht. Warum alles nicht gleich mit einem Reichsparteitag vergleichen?
Der ganze Artikel, die gute alte Agitprop-Schule, liest man sonst nicht mehr in so reiner Form … Jetzt reicht es aber. Irgendwann kommt man mit Ironie auch nicht weiter. Es tut mir leid, aber das musste hier mal in überzogener Form thematisiert werden.…
Kritische Artikel sind gut, es kommt halt auf die Form an. Vielleicht habe ich alle Andeutungen in diesem Artikel nur falsch verstanden – ich fürchte aber, dass ich alles nur zu richtig verstanden habe. Warum muss man das Engagement anderer Menschen so denunzieren? Ich weiß nicht, ob die neue Bürgerplattform etwas bringen wird, ich war nicht dabei. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich noch nicht beurteilen. Der Artikel hat mir dabei nicht geholfen. Ich werde mich jetzt erst recht informieren.
Hups – was ist denn hier los? Habe ich Tendenzen in dem Artikel überlesen?
Der Text berichtet relativ neutral über eine Veranstaltung, die außer einer Mobilisierung von Massen erst mal nicht viel zu bieten hatte. Es wurde ein bisschen gekuschelt, alle hatten sich lieb, die Sätze von der Bühne herunter waren so allgemein gehalten, dass sie problemlos von eben den Massen abgenickt werden konnten, alles war schönschön. Wie wird weiter oben die Moderation genannt – „liebenswert unprofessionell“? Ich persönlich habe selten eine Moderation erlebt, die ihr Publikum mit derartigem Grundschulniveau behandelt, aber nun gut. Das Stichwort lautet hier wohl kleinster gemeinsamer Nenner und ist nötig angesichts derart unterschiedlicher Menschen.
Schön, dass so viele Leute mobilisiert werden konnten. (Seit wann ist Masse allein eigentlich ein Argument?) Ob jetzt tatsächlich Inhalte folgen, muss sich erst noch zeigen. Von Inhalten war auf dieser Veranstaltung nämlich keine Rede, zumindest nicht bis eine Viertelstunde vor Schluss, da bin ich gegangen.
Ich wundere mich etwas über die ungerechtfertigten Attacken auf den Text, der einfach und vielleicht ein bisschen skeptisch die Veranstaltung detailliert beschreibt. Natürlich ist das „sektenähnlich“ NICHT neutral, aber der Kontext weist auch explizit auf die persönliche Meinung hin.
Und, ganz ehrlich: Soweit ich das überblicken konnte, waren mehr als 80% der Mitgliedsgruppen religiös motiviert – was mich persönlich auch etwas misstrauisch macht. Aber letztendlich zählen die Inhalte, und die müssen nun erst mal erarbeitet werden. Bestimmt nicht einfach bei einer solchen Vielzahl unterschiedlichster Gruppierungen. Ein bisschen Skepsis dürfte da angebracht sein, ohne gleich als kontraproduktiv abgestempelt zu werden.
Es sind doch Fragen und Eindrücke, die Susanne zur Diskussion stellt.
Ich zucke zusammen, wenn ich lese: „Wirkungsvolles Handeln braucht Menschen in Führungsrollen. Wichtigste Aufgabe der Bürgerplattform ist es, kontinuierlich Führungspersonen zu finden und mit ihren Stärken und Potenzialen zu fördern.“ Organizing Schöneweide, ‚Wer wir sind‘ .
– Wichtigste Aufgabe?
Und nachdenken darf man doch über Folgendes:
“ ‚Es geht um die Macht.‘ Ein solcher Satz geht uns schwer über die Lippen, weil wir lieber sagen würden, es ginge um „Überzeugung“ oder um „das Recht“ oder um die „Moral“. Aber es geht eben auch um Macht. Macht in einem doppelten und spannungsreichen Verständnis: Um Macht, seinen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen – das Machtverständnis der Tradition von Max Weber – und Macht als die Fähigkeit, sich mit anderen zusammen zu schließen, und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln – so die Position von Hannah Arendt.“
– Ob Hannah Arendt das aber so gemeint hat, daß eine Machtstruktur aufgebaut wird, die erst
danach auf Ziele und Handlungen festgelegt wird?
Ich komme auch ins Grübeln, wenn ich lese
„In deutschen Bürgerinitiativen ebenso wie in der Gemeinwesenarbeit sprechen wir kaum von Führungspersonen, geschweige denn von Führern und Führerinnen. Wir wollen zu Recht keine Machtzusammenballung, aber ohne die Identifikation von „Leadern“ geschieht oft genug Konzentration der Entscheidungen in den Händen einiger weniger oder öfters noch bei den Professionellen. Nur der gezielte Aufbau von „Leadership“ führt dazu, dass die BürgerInnen nicht nur „beteiligt“ werden, sondern wirklich die Richtung bestimmen. Aufbau von Leadership bedeutet nicht bloß das Finden von potenziellen Leadern, sondern auch ihr Training und die Begleitung des persönlichen Wachstums der Leader. “ Rothschuh, ebd.
– „ohne die Identifikation von ‚Leadern‘ geschieht oft genug Konzentration der Entscheidungen in den Händen einiger weniger oder öfters noch bei den Professionellen.“ – ??? Verstehe ich nicht.
Ohne Leader werden wir geleadet und mit Leadern nicht?
Außerdem muß ich doch überlegen dürfen, ob ich das wirklich will: auf einer Bürgerplattform organisiert sein und mitarbeiten, deren maßgeblicher Stichwortgeber ein katholischer Priester und Rektor einer Katholischen Hochschule ist und die zu sehr großen Teilen von Vertretern von Religionsgemeinschaften mitgetragen wird. Eine ähnliche Frage würde man sich doch auch stellen, wenn die Plattform wesentlich von etwa Unternehmervertretern geprägt wäre oder von Automobil – Enthusiasten.
Auch die Frage nach dem Sponsoring ist berechtigt. Sponsoring ist per definitionem Teil des
Marketing eines Unternehmens; eine Gegenleistung bzw. ein für das Unternehmen günstiger Effekt
wird erwartet. Da darf ich doch fragen, wie etwa mein bürgerschaftliches Engagement auf der Bürgerplattform der Bayer AG oder der Berliner Volksbank oder einer Wohnungsbaugesellschaft
zugute kommt. Bei Konto und Kopfschmerz könnten sich meine Interessen ja durchaus mit denen dieser Unternehmen überschneiden, wieso nicht auch woanders? Man muß aber doch fragen dürfen.
Die Struktur Bürgerplattform wird aufgebaut als Machtstruktur.
„Erst wenn ein verbindliches Netz an Organisationen entstanden ist, wendet sich die Plattform konkreten Themen zu.“ Bürgerplattform ImPuls – Mitte
– Inwiefern verbindlich? Weshalb soll ich mich einer Struktur verbinden, deren Zweck ich nicht kenne? Woran binde ich mich eigentlich, an wen oder was? Gerechtere Gesellschaft, gelebte Demokratie, bessere Lebensbedingungen – ist ja in Ordnung.
Dafür Leader, Sponsor, Schulung, Netz, Großveranstaltung und regelmäßige Treffen?
Mir geht’s meistens so: Ich will was machen, und frage mich dann, wie. Zuerst festzulegen,
wie ich mache, und danach zu entscheiden, was, wirft doch Fragen auf.
Befremden löst bei mir aus, wenn tausend Leute ein großes WIE bauen und bejubeln,
ohne sich über das was verständigt zu haben.
„Endlich ist es mal kein elitärer Politikerhaufen…“ – – und was heiß es dann, mit denen „auf Augenhöhe“ „die eigenen Geschicke“ zu verhandeln? Soll ein elitärer Plattformhaufen konstituiert werden? ( Etliche von denen sind übrigens gar nicht so elitär. Womit ich nicht sage, daß sie alles gut und richtig und bürgernah machen. )
Meine Frage war, als ich kontaktiert wurde: Schiebe ich nicht eine Ebene dazwischen? Wenn ich z.B. Gaslaternen im Bremer Park für dringend erforderlich halte, kann ich – eine Möglichkeit – direkt einen oder mehrere BVV – Vertreter ansprechen. Auf der Plattform müßte ich, so habe ich es verstanden, mit anderen Anliegen konkurrieren und ggf. meines fallenlassen, um mich gemeinsam mit Kernkreis und Leadern, gesponsort von Bayer und GSW, etwa für saubere Gehwege in der Torfstraße einzusetzen.
Frau Hubert, da wo Sie am bissigsten zu kommentieren meinen, bestätigen Sie Susannes Eindruck von der Versammlung auf überraschende Weise. Zu den „Kriterien für Sekten“ gehört sicherlich die Gründergestalt. Die Art und Weise, wie Sie Herrn Penta verteidigen – ob die ihm so recht wäre?
Wieso kratzen Susannes Fragen an der Gestalt des katholischen Priesters so, daß sie sich entschuldigen müßte? Wieso Frechheit? Wieso haben die Leute in Oberschöneweide ihm die FHTW und eine Brücke zu verdanken? Weht da nicht ein zumindest leiser Hauch von Messianismus durch Ihre Sätze?
Die Antwort auf thom hat Claudia hinreichend gegeben: „Hups“.
Ist „Hups“ eigentlich Agitprop?
Norbert Onken
Nun, ich denke auch, wenn es diese Plattform nicht schafft die brennenden Themen
– Drogen (auch die legalen), öffentliches Saufen als neue Jugendkultur ist mehr als bedenklich !!!
– Arbeitslosigkeit (Wo bleibt die Unterstützung des Mittelstandes ?)
– Bildung (welche ? Lernfabrik oder Förderung des selbständig denkenden individuums ?
– bezahlbare Mieten (sind die Wohnungsbaugesellschaften noch gemeinnützig ?)
in schnell realisierbare Projekte zu übertragen, wird sie ein Papiertiger sein.
Rané Schmidt
Neben den sehr idealistischen Berichten in der Presse, die endlich mal etwas Neues zu berichten hatten und im Obama-Geiste feiern konnten, finde ich dies den einzigen wirklich reflektierten Bericht zur Gründung der Bürgerplattform WIR Sind DA.
1. Gehen die Leute wirklich Beziehungen untereinander ein.
2. Wer genau in dieser Plattform, die ja eine Gegenmacht bilden will, hat die Macht. Die wird sicherlich nicht in den Sonntagsreden ausgehandelt. Die Macht haben letztlich nur einige wenige, auch wenn viele Akklamateure benötigt werden. Erinnert mich in vielem an die Lehren von Carl Schmitt, in der durch eine dezionistische Entscheidung ein neues Ordnungsprinzip geschaffen wird.
3. Die Erwähnung der katholischen Kirche im Artikel ist relevant. Analog zu Carl Schmitt führt eine kleine Gruppe ein grosse Schar von Menschen, die kultisch über einen Mythos mit dieser Leitungsebene verbunden sind. Schön war dieses kultische Element bei der Gründungsveranstaltung zu sehen, als mit dem Enthüllen des Emblems der Plattform und Aufblenden der Scheinwerfer mythisch die Geburt der Plattform gefeiert wurde. Sicherlich eine überspitzte Beobachtung.
4. Ganz sicher ist es keine Sekte, aber denoch ähnlich einem Vertriebssystem hierarchisch aufgebaut. Was nicht schlecht sein muss. Aber was ist den einzelnen Mitgliedergruppen selber.
5. Zu kurz kam die Frage im Artikel: Warum machen Menschen in der Plattform mit. Alles edle Absichten? Sicher nicht. Bestimmt auch einige, Leute wie bei jeder politischen Veranstaltung, die gerne im Rampenlicht stehen wollen.
Letztlich sollten wir der Plattform eine Chance geben, ob sie nach der kultisch anmutenden Selbsterschaffung weitere konstruktive Taten folgen lässt oder sie nur hilft, die Machtgelüste einiger weniger zu bedienen, die sich damit eine PLATTFORM bauen.
p.s.
Schon interessant, dass die Gründungsveranstaltung in der Presse ausgerechnet mit den sehr religiösen Worten “ IM GEISTE OBAMAS“ widergespiegelt wird. Unbewusst wurde der quasireligiöse Impetus der Veranstaltung in der Presse aufgenommen.
Das macht mich wirklich misstrauisch, wenn politische agierende Menschen die Sprache der Kirche verwenden. Dazu habe ich zuviel gelesen.
… und alle Herrlichkeit . Amen!
Die Bürgerplattform stellt eine exekutive Gewalt dar. Einige werden diese Plattform als Sprungbrett in die „richtige“ Politik für sich nutzen.
Das ist nicht nur bei Obama Realität geworden, sondern schon jetzt hier beobachtbar.
Wie jede andere Exekutive bedarf die Bürgerplattform der Kontrolle und der kritischen Begleitung durch die Presse, die solche Tendenzen frühzeitig aufzeigen.
Nichts gegen „Community organizing“ an sich. Aber ich weiß nicht, wie ich diese Plattform deuten soll. Als Nebenparlament zur BVV, das aber nicht von den Bürgern gewählt ist oder als Lobbyverband verschiedener Gruppen mit ganz unterschiedlichen Zielen. Beides erzeugt Zweifel bei mir. Ich bin gespannt, welche konkrete Arbeit an den lokalen Herausforderungen dabei herauskommt und wie sehr Demokratie und Transparenz nach innen und außen zum Zuge kommen. Ich finde den Artikel gut – eine kritische Betrachtung ist erlaubt.
Als Unternehmer und bloggender Quartiersrat in Moabit-West habe ich zunächst abgewartet, ob meine Bedenken und Fragen bereits von anderen gestellt oder beantwortet werden. Ich ergänze mangels dieser Variante somit für mich und andere, die als schweigende Mehrheit leider nur zuschauen:
1 Welche nicht mulmig machenden Ziele verfolgt die Konstituierung einer „Macht“, die nicht auf VORHER bekannten und transparent kommunizierten Inhalten basiert? („Kaufen Sie diesen Karton mit Inhalt zum Überraschungspreis. Inhalt und Preis werden sie begeistern!“)
2 Wie ist die in meiner Wahrnehmung pointierte Verwendung des Begriffes Gründung zu verstehen, wenn das „gegründete“ Forum so tut, als habe es keine Rechtsform? Oder habe ich deren Nennung übersehen? Im Zweifel kann man die Rechtsauffassung vertreten, dass Akteure ohne ihr Wissen u.a. auch haftender Teil einer GbR werden, was durchaus nicht risikolos ist. Zur GbR steht ausreichend zur weiteren Recherche in der Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Gesellschaft_b%C3%BCrgerlichen_Rechts
3 Wenn ich das diffuse Unwohlsein gehörter und gelesener Stimmen unreflektiert addiere, komme ich überspitzt zur Frage, ob es um Führungswillen und Geführte oder Führer und Verführte geht.
4 Ich wünsche mir, dass es bald Antworten auf so wichtige Fragen gibt, was denn dieses auf mich homunkulusartig wirkende Konstrukt anders, besser und nachhaltiger macht, als die Behörden der Stadt und des Bezirks, Quartiersmanagement begleitet vom Quartiersrat sowie zahlreiche andere Akteure, die bereits jetzt die Kieze stützen und entwickeln. Eine selbst ernannte vermeintlich von unten kommende Elite, die u.a. mangels Legitimation nichts bewegen kann und Akteure finanziell und organisatorisch belastet, wird irgendwann hoffende Menschen enttäuscht zurücklassen müssen. Zumindest das braucht hier keiner!
Stephan la Barré von BürSte e.V. zur Bürgerplattform in der Lieste Nr. 9, Dezember 08: http://www.stephankiez.de/Dez2008/page4.html
„Mit Bussen angereist“ sagt schon alles, Engagierte brauchen dies nicht, traurig die Entwicklung der Bürgerinitiativen, die früher Strassen blockierten (Westtangente) und gegen eine Nichtsteuersenkung (z.B. Mehrwertsteuer) regt sich auch nichts. Warten wir also ab , wie die schläfrige Angela, bis der Binnenmarkt zusammenbricht, dann brauchen wir eh keine solchen Vereinigungen mehr. Und in Deutschland gibt es weit und breit niemand der nur annähernd das Format von Obama hätte, also bitte keinen Bezug darauf.
Vor allem werden da Busse organisiert, um von Moabit nach Moabit zu fahren…
Da bin ich doch eher mit dem Bus zur Anti-AKW-Demo damals nach Hannover gefahren,
immerhin, ein wenig hats gebracht, aus dem Berliner Igel wurden die Grünen (ein paar Stacheln
gingen dabei verloren), mmm, gibts eigentlich ein Buch über die Bürgerinitiativen und deren
Entwicklung ?
Was regt die Pastorin sich denn über den Dreck auf? Wenn es „ihre“ Kirche ist, muss sie sich schon selber darum kümmern. Ausserdem soll sie sich mal erst um den Zustand „ihrer“ Kirche kümmern. Die Seiteneingänge sind voller Spinnweben, die niemand wegmacht. Das ist nicht gerade ein tolles Aushängeschild.Und anstatt die „Alkoholiker “ zu verjagen, könnte sie doch mal Hilfe für diese Personen anbieten. Sind Kirchen nicht dafür da, um Menschen zu helfen? Glockenläuten ist ja schön, aber wenn nichts dahinter steht, ausser Selbstbeweihräucherung, braucht es keiner. Die wenigen Menschen, die in diese Kirche gehen, könnten sich locker in einem kleinen Raum treffen. Wozu brauchen so wenig Gottesdienstbesucher solch eine grosse Kirche?
Ein interessantes Interview mit Robert Maruschke, der seine Diplomarbeit über die Bürgerplattform Wedding/Moabit geschrieben hat:
http://www.jungewelt.de/2012/11-10/001.php