„tip“ fälscht Moabit – Titelbild
Wir sitzen am Dienstag abend seit ewigen Zeiten mal wieder beim Schwaben – Weitzmann im S-Bahnbogen an der Paulstraße – und der allseits bekannte, freundlich hektische, Tagesspiegel-Verkäufer hat auch den „tip“ dabei. Das Titelbild leuchtet schwarz – rot. Eine junge blonde Schönheit reißt ihre Jacke auf, darunter ein schwarzes T-Shirt „Moabit“ in altertümelnder Schrifttype.
Also ebenfalls seit ewigen Zeiten mal wieder den „tip“ gekauft. Das Titelbild sieht ein bißchen aus wie ein Foto der Serie „M wie Moabit“ von Jan Poppenhagen. Diese Serie von Jugendlichen, aufgenommen im nächtlichen Moabit, hing 2007 auch im Stadtschloss in der Rostocker Straße und sorgte für kontroverse Diskussionen. Die Fotos sprechen eine so direkte und authentische Sprache, dass sie auf Begeisterung und auch auf Abwehr stoßen. „Aber das Titelbild kann doch unmöglich von Jan sein“, sagt Jürgen, „das ist ein Studiobild.“
Wir suchen das Impressum und finden einen „Dank an Jan Poppenhagen, dessen Bildidee wir freundlicherweise übernehmen durften“. Doch zuhause eine mail von Jan an Freunde und Bekannte. Er stellt klar, dass er das Titelbild nicht fotografiert hat und dem „tip“ auch nicht erlaubt hat, seine Idee zu kopieren. Im Gegenteil das „weichgespülte“ Foto gefällt ihm überhaupt nicht. Und der Text?
Im ersten Moment ist man ganz erfreut, dass Moabit ausnahmsweise mal nicht nur als Problemkiez und Kriminalitätsschwerpunkt dargestellt wird, wie zum Beispiel im Zeitartikel, auf den der Autor kurz verweist. Aber finden wir uns wieder in diesem Artikel zwischen „Absturz und Aufbruch“? Ein schönes Portrait von Gitarre Moabit, ein Interview mit Juerg Judin, Schweizer Galerist an der Heidestraße. Eindrücke aus Gesprächen mit den Machern von Kurt-Kurt, mit Mitarbeitern des Quartiersmanagements Moabit West, mit Stephan la Barré vom Verein „BürSte„. Auch mit mir hat tip-Autor Erik Heider gesprochen. Herausgekommen ist ein Sammelsurium: die über Moabit schwebende Veränderung wird als Aufwertung begriffen, Aufwertung durch Bauvorhaben rund um den Hauptbahnhof, das neue Viertel an der Heidestraße, Ansiedelung von Künstlern usw. Doch kann diese Aufwertung als die eigentliche Gefahr für Moabit begriffen werden. Wenn es hier erst einmal hipp ist, geht jede Ursprünglichkeit verloren und Verdrängung droht.
Jugendliche kommen überhaupt nicht vor, weder deutsche noch mit Migrationshintergrund. Gerade in diesem Punkt straft der Text die Titelaussage „Jetzt zeigen wir’s Euch“ Lügen.
Nachtrag: Kommentar im Gentrification-Blog. Und die Bilder, die den TIP inspiriert haben.
Die Berliner Morgenpost im Oktober 2008 über den „Ortsteil der Kontraste„.
Was ist und was wird? (November 2008)
und eine Erinnerung an die 1980er Jahre aus der Zitty.
Aufbruchstimmung in Moabit (2010)
Moabit bei Ziegert-Immobilien: „eine Insel mit Hipnessfaktor„.
Zitty 22/2013: Moabit – ein Stadtteil mit Talent zur Selbstironie.
Qiez.de 2014: Moabit – Stadtteil der Kontraste.
Liebeserklärung an Moabit (Berliner Zeitung 2015).
2016: Moabit – das neue Kreuzberg
Film des Besuchs der Moabiter Jugendlichen in der Kreuzberger Galerie:
Gentrifizierung hin oder her. Ein ganz kleines bisschen Gentrifizierung würde Moabit sicherlich nicht schaden. Die Einkaufssituation ist einfach so miserabel. Im gesamten Stephankize z.b. gibt es keinen einzigen Bioladen, keinen einzigen ordentlichen Bäcker, nur eine einzige winzige Fleischerei, keinen Supermarkt mit Fleisch und Wursttheke usw.
Ubrigens, momentan ist das Bild „Keven“ von Jan Poppenhagen in der Gruppenausstellung „On Fire“ in der Galerie Miope in der Muskauerstr. 47, 10997 Berlin zwischen dem 12.11 – 29.11.2008 (geöffnet Di-Fr. 11-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr) ausgestellt, da kann man sich einen Eindruck von der Qualität dieses Bildes machen, dass echte Moabiter Authentizität vermittelt.
Ja, das Urheberrecht, denke Jan sollte sich an den BBK oder die VG-Bild und Kunst wenden und dann kann der Vorfall in der nächsten Ausgabe richtig gestellt werden.
Vielleicht sollten wir die MoabiterInnen mal auffordern, was über ihren Kiez zu schreiben (Was gefällt, was nicht), statt immer auf Artikel von aussen zu reagieren.
Ein wenig mehr „Hip“ sollte schon sein und so szenemässig wie Prenzlberg wird Moabit eh nie, die Gegend um den Hauptbahnhof ausgenommen, denn so viel „Szenekaufkraft“ gibts eh nicht und auch in Kreuzberg wurde nicht alles verdrängt, denn davor schützt der hohe Migrantenanteil.
zu # thosch 14. November 2008 11:14 :
Also im Stephankiez gibt es doch zahlreiche Bäcker die super Brötchen , Brot etc. anbieten (z.B. in der Perleberger Str.) Einen Bioladen gibt es z.B. in der Wilsnackerstr. Also guck dich doch einfach mal ein bischen um 😉
Susanne Torka malt den Teufel an die Wand: Am Ende ihres Beitrags kann „diese“ Aufwertung von Moabit als „die eigentliche Gefahr für Moabit“ (?) begriffen werden, und wenn es hier erst mal hipp ist, geht „jede Ursprünglichkeit“ verloren und Verdrängung droht.
Das scheint mir doch reichlich übertrieben. Vor allem aber wüsste ich gerne:
Welche „Ursprünglichkeit“ von Moabit meint Susanne Torka? Sollte es den einen, wahren, Urzustand von Moabit geben, der nicht verändert werden darf? Und wer entscheidet das? In welchem Verfahren nach welchen Kriterien?
@Martin Reckmann, es wurde in den letzten 20 Jahren schon „aufgewertet“. Die meisten Wohnungen sind saniert, mehr oder weniger gut, mehr oder weniger auch im Interesse der Mieter. Dies ist jetzt mein 5. Winter mit Zentralheizung und ich kann das durchaus genießen. Dennoch kenne ich durchaus einige wenige Moabiter, die hoffen zu günstiger Miete bei Ofenheizung weiterwohnen zu können. Das ist eine kleine Minderheit, zugegeben. Aber auch für sie sollte es noch Platz geben.
Mit Ursprünglichkeit meinte ich nicht, dass alles unverändert bleiben soll. Was sich nicht verändert, ist tot. Ich wollte nicht schon wieder die Fremdworte „Authentizität“ oder „Gentrifizierung“ benutzen. Was ich an Moabit liebe, ist die Unaufgeregtheit. Es geht recht natürlich zu. Es gibt nicht so viele Menschen wie anderswo, die sich ständig anstrengen, anderen etwas vorzuspielen, unbedingt wichtig scheinen zu müssen … Ich könnte im Bademantel auf die Straße gehen und keiner würde blöd gucken.
@tosch, da geht es mir genauso, würde mir auch einige schönere Geschäfte wünschen. Trotzdem befürchte ich ernsthaft Verdrängung angestammter Bevölkerungsgruppen durch Aufwertung und möchte auch nicht an jeder Ecke „latte macciato“ trinken. In Prenzlberg oder in der Spandauer Vorstadt wurden in den vergangenen 20 Jahren mindestens 50 % der Bevölkerung ausgetauscht (das schätze ich hier jetzt mal, genaue Zahlen müsste ich erst recherchieren). Es gibt Studien zum Thema. Hier noch der link zu einem Gentrifizierungsblog: http://gentrificationblog.wordpress.com/2008/07/14/die-dritte-welle-der-verdrangung/
Es kann sein, dass „die Lehrter“ etwas zu laut schreit. Doch ist das manchmal nötig, um gehört zu werden. Wir wollen nicht auf kleinen Wohninseln im Meer von Hotels und Büros versinken, sondern ein Wohngebiet bleiben zu möglichst günstigen Mieten. Den Auftrag hat uns schon Klara Franke gegeben mit ihrem Namen für unseren Verein „Für eine billige Prachtstraße – Lehrter Straße“.
Und: ohne die Steine am Kudamm hätte es keine behutsame Stadterneuerung gegeben in den 80ern.
[…] Poppenhagen, dessen Bildidee wir freundlicherweise übernehmen durften”. Susanne Torka nimmt auf MoabitOnline auf eine Mail des Fotographen Bezug: Er stellt klar, dass er das Titelbild nicht fotografiert hat […]
@ Frau Torka: Sehr geehrte Frau Torka, Sie befürworten hier doch nicht ernsthaft Gewalt? Wenn das hier im Eifer des Gefechts durchgerutscht ist, bitte stellen Sie das klar. Die behutsame Stadterneuerung wurde natürlich nicht durch Steinwürfe durchgesetzt, wie Sie behaupten, sondern von vielen engagierten Bewohnergruppen, friedlichen Instandbesetzungen, progressiven Menschen in der Verwaltung, Wissenschaft und im Bau über viele mühevolle Jahre, über viele politische Diskussionen, Konzepten, Demonstrationen. Kann man alles detailliert nachvollziehen. Wir können hier gerne jeden einzelnen Monat zwischen 1978 und 1984 durchgehen und prüfen welche Aktion welche Reaktion erzeugt hat. Gewalt war immer kontraproduktiv. Es wurde Polizisten und unbeteiligte Demonstranten schwer verletzt. Auch die kleinen Ladenbesitzer deren Eigentum vernichtet wurde hatte nie Verständnis für die Chaoten. Im Übrigen waren die Krawalle nicht nur am Kudamm sondern vor allem in Kreuzberg selber und haben das Lebensumfeld der betroffenen Menschen zerstört. Die Krawalle spielten immer nur den Hardlinern im Senat in die Hände, die eben keine behutsame Erneuerung wollten. Es ist ein Hohn, dass Sie die friedliche Bewegung für behutsame Stadterneuerung mit den gewalttätigen Steinewerfern in einen Topf werfen. Das müssten sie alles nur allzu genau wissen, sie haben die Zeit aktiv erlebt. Stellen Sie das hier klar! Sie verspielen hier mit dieser Krawallargumentation die Sympathien der anderen Moabiter. Dabei könnten Hilfe brauchen, um die geplanten Bauprojekte in der Lehrter Straße verträglicher zu gestalten. Daran, dass in einer Bahnhofsstraße auch Hostels gebaut werden, müssen Sie sich gewöhnen. Die Bauten im einzelnen verträglicher zu gestalten, Dichten zu begrenzen und die bestehende Wohnnutzung zu sichern und vielleicht auszubauen ist die aktuelle Aufgabe. Aber bauen sie hier aber nicht den Popanz einer unmittelbar bevorstehenden tiefgreifenden Gentrifizierung für Moabit auf – das ist sachlich nicht begründet. (Über das, was im Prenz.b. passiert ist, kann man trefflich streiten, das hat aber mit Moabit nichts zu tun. Das G-Wort ist längst ein politischer Kampfbegriff.). Bleiben Sie sachlich. Ein paar Leute, die Latte Macciato trinken müssen sie aushalten können, genauso wie Menschen die Kaffee, Mokka und Tee trinken und die mit Bademantel auf die Straße gehen, genauso wie andere Berliner neue Moscheen oder soziale Einrichtunen in ihrer Nachbarschaft akzeptieren sollten. Diese kulturelle Vielfalt hält Moabit schon lange aus. Es gibt ernsthafte Anliegen im östlichen Moabit. Man muss die Verantwortlichen sensibilisieren, eigene Rechte wahren und vielleicht auch Mehrheiten für Veränderungen organisieren – aber Krawall und Steine braucht niemand.
@thom: Schon sehr heftig, aus dem letzten Satz von Susanne Torka abzuleiten, dass sie Gewalt befürwortet. Ich würde so eine Ableitung aus einer Einschätzung von Einflüssen in der Historie nicht machen.
@alle: Für diejenigen, die gerne ein wenig zur Geschichte der Stadterneuerung nachlesen möchten, hier ein Link auf einen Artikel (RTF-Datei) „ROTER FADEN – ZUR GESCHICHTE DES SANIERUNGSGEBIETES KOTTBUSSER TOR“, verfasst von Martin Düspohl, Jörg Klitscher, Michael Rasch, Textgrundlage (u.a.): Gutachten “Aufhebung des Sanierungs-Gebietes Kreuzberg-Kottbusser Tor” im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erstellt von S.T.E.R.N. Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung mbH, Bearbeiter: Erhart Pfotenhauer, Berlin, Oktober 2001
@thom
Ich denke auch, dass Sie den Satz von Susanne Torka überbewerten, denn – soweit ich sie kenne – gehört sie nicht zu den vermummten Autonomen, die regelmäßig militant gegen das „Schweinesystem“ angehen.
Doch auch ich habe meine Erfahrungen in der 80er Bewegung gemacht, mit ersten frustrierenden Erfahrungen, als uns die Feuerwache in der Reichenberger weggenommen wurde, über Lummers Räumungen bis zur Mainzer Straße 1990. Eine dieser Erfahrungen war, dass man erst mit Militanz auf der Straße ernst genommen wurde, siehe Räumungsstopp nach der Scherbennacht Mitte Dezember 1980. Trotzdem glaube ich nicht, dass Gewalt der richtige Weg ist, um politische Ziele durchzusetzen. Es ist leider wirklich so, dass Widerstand oft erst zur Kenntnis genommen wird, wenn er gewalttätig wird. Gleichzeitig nimmt er sich damit aber auch die moralische Berechtigung.
Allerdings habe ich den Satz auch nicht in diesem Sinne verstanden, sondern im Zusammenhang mit dem ersten Satz des Abschnitts: „Es kann sein, dass ‚die Lehrter‘ etwas zu laut schreit.“
Bisher habe ich hier auch nichts gelesen, was in die Richtung geht, dass wir mal losgehen sollten und den Kudamm kaputtschlagen. Diese Meinung hat hier niemand vertreten, und solange bin ich auch gegen eine theoretische Gewaltdiskussion.
@Aro
Ich sehe das natürlich genauso und habe mich auch bemüht, meine Worte dementsprechend zu wählen. Dass Frau Torka das so nicht meint, ist mir völlig klar und habe ja auch klargestellt, dass die Äußerung wohl unbedacht reingerutscht ist. Aber leider steht da nun mal, dass Steine die Einführung der behutsamen Stadterneuerung durchgesetzt haben. Deshalb bitte ich hier ja auch nur um eine kleine Klarstellung, dass hier nicht der unbedarfte Leser denkt, damals in den 80er Jahren hätte sei Gewalt gerechtfertigt gewesen und irgendetwas gebracht und daraus für heute falsche Schlüsse zieht. Hier sollte überhaupt nicht über Gewalt und Steine diskutiert werden, alle missverständlichen Äußerungen, sollte man möglichst vermeiden. Dann kann man doch hier auch konstruktiv über die Moabiter Entwicklung diskutieren. Ich meine auch, hier im Forum und in der Redaktion sind ganz vernünftige Leute unterwegs, die an ihrem Stadtteil interessiert sind.
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Nach so viel Aufforderung melde ich mich hier nochmal zu Wort:
Nein! Ich will nicht zu Gewalt aufrufen.
Ich sage auch nicht, dass nur die Steinwürfe am Kudamm die behutsame Stadterneuerung durchgesetzt haben, aber ich sage, dass die Militanz auf der Straße notwendig war (vgl. auch die Erfahrungen von Aro), um Verhandlungsbereitschaft zu erreichen. Dann konnten “engagierte Bewohnergruppen, friedlichen Instandbesetzungen, progressive Menschen in der Verwaltung, Wissenschaft und im Bau (Zitat thom)” die unterschiedlichsten Konzepte ausarbeiten. Diese historische Sicht auf die Dinge wird – wie zu lesen – auch vom Kreuzberg Museum und vielen anderen geteilt. Das sollte der Satz “ohne die Steinwürfe am Kudamm …. ” bedeuten. Und im übrigen gab es (und gibt es heute auch) kein schwarz – weiß: hier die militanten Randalierer, dort die friedlichen Instandbesetzer, sondern viele Zwischenpositionen zwischen diesen Polen.
Ich denke dass Thema Gewalt können wir hier abschliessen, Aro hat meines Erachtens schon sehr treffend formuliert, dass – leider – die Krawalle neben den friedlichen Auseinandersetzungen einen Anteil hatten, dass sich die Stadterneuerungspolitik damals in Berlin änderte. Ich selber lebte damals nicht in Berlin sondern im Ruhrgebiet, dort hörte man natürlich mehr von den Krawallen als den friedlichen Prozessen. Eine Interpretation der Geschichte kann durchaus unterschiedlich ausfallen, aber aus einer anderen Interpretation der Historie über den Einfluss der Gewalt der anderen Person eine Befürwortung von Gewalt in der Formulierung zu unterstellen, die Formulierung grenzte für mich schon an üble Nachrede, aber ich denke auch auch ‚thom‘ war dies ’nur so durchgerutscht‘, er trägt ja immer wieder auch mit guten sachlichen Recherchen zu einem interessanten Forum bei.
Aber noch mal zum „G-Wort“ Gentrifizierung, sicher gibt es andere Gegenden, in denen Verdrängung der Bevölkerung aktueller ist als in Moabit siehe der Tagesspiegel-Artikel vom 6.11. über eine Sozialstudie zu Bergmann-, Graefekiez und SO36 in Kreuzberg. Eine Gentrifizierung entsteht aber im Kontext von Aufwertung einerseits und den Einkommen der Bewohner andererseits. Wenn man dann in der Welt bzw. Morgenpost vom 13.11. gleichlautende Artikel liest, dass mittlerweile selbst der Vorsitzende des Immobilienverbandes Deutschland für Berlin und Brandenburg beklagt, dass die Mietbelastungen der Berliner Haushalte im Verhältnis zum Nettoeinkommen extreme Belastungen, und damit über den als hinsichtlich der Mieten als teuer verschrieenen Städte wie München und Frankfurt liegen, dann ist wohl die Frage legitim, wie eine von manchen gewünschte Aufwertung in Moabit ohne Gentrifizierung gestaltet werden kann, denn dazu müsste ja auch eine positive Veränderung der Erwerbsmöglichkeiten für die jetzt hier lebenden, nicht nur für neu hinzuziehende als Voraussetzung einhergehen. Und die Leute, die hier latte macciato trinken, mit denen kommen wir hier gut klar, aber ‚thom‘ sollte nicht aus einer Fomulierung „möchte auch nicht an jeder Ecke.. trinken“ von Susanne Torka einfach sinngemäß als Interpretation „möchte an keiner Ecke … trinken“ machen. Ansonsten finde ich, dass Moabit die hier vorhandene kulturelle Vielfalt schon lange aushält, sondern dass diese Vielfalt auch eine Qualität darstellt – und das zeichnet Moabit gegenüber manch anderen hippen Gegenden auch aus.
Um abschliessend noch mal auf die Lehrter und die Bauplanungen zurück zu kommen: Da ist schon die Frage, ob die beiden geplanten Hotels und die Entwicklung bei der Berliner Stadtmission mit einem vom Umfang her doch großen Bauvorhaben an Signalen und rechtlichen Ableitungen zur Entwicklung der Lehrter Straße haben. Und Vielfalt vermisse ich dann doch auch bei diesen Planungen, nicht zuletzt auch bei unserem amtierenden Stadtrat für Stadtentwicklung. Bei den beiden vergangenen Standortkonferenzen zum „Masterplan Heidestraße“ forderte Ephraim Gothe jeweils eine Nutzungsmischung auf jedem einzelnen Grundstück ein. Da fragt man sich als Anwohner der ‚Lehrter‘ doch, warum gilt diese Forderung an den Investor des Stadtrats nicht z.B. auch im Fall der Lehrter 12-15, um eine für die Straße eine interessante Mischung mit einer Priorität auf Wohnen zu erhalten?
Mittlerweile hat sich der ‚tip‘ bei Jan Poppenhagen, dem Fotografen der Bilder-Serie „M wie Moabit“, für die intransparenten, ja teilweise fälschlichen Angaben zum aktuellen TIP-Titelbild der Ausgabe 24 entschuldigt und wird dies auch „mit einer angemessenen Geste“ unterstreichen. Dazu gehört auch, dass die Bilder-Serie von Jan Poppenhagen jetzt auf der Seite des TIP-Berlin zu sehen ist. Sie ergänzt damit zumindest im Internet durch die Fotos den Schwerpunktartikel zu Moabit im Magazin.
Lieber Jürgen,
das Thema Gewalt kann mann nie abschliessen, da die „strukturelle Gewalt“ allgegenwärtig ist,
die zu individueller personaler Gewalt führen kann. Wenn es keine freie und unabhängige Presse und
Justiz mehr gibt, was dann ?
Warum gibt es keine kreativ-politischen Aktionen von Kurt Jotter vom „Büro für ungewöhnliche
Massnahmen ? Warum regt sich niemand über die Bervorzugung der Kapitalgesellschaften auf,
warum sitzt niemand von den globalen Devisenabzockern im Knast ?
Was kann Obama erreichen, bevor er ermordet wird ?
In diesen Zeiten geht es um mehr als nur einen Berliner Bezirk oder die Frage, ob die Blumentöpfe
rechts oder links der Strasse stehen !!!
Es geht, wie durch die gesamte Menschheitsgeschichte belegt, um Macht und Geld !!!
Kann hier auch noch eine persönliche Erinnerung an den Berliner Häuserkampf von der Seite berlinstreet beisteuern:
http://www.berlinstreet.de/1123
@Jürgen: Ich bedauere es weiterhin außerordentlich, dass hier ohne irgendeinen Grund die Gewalttätigkeiten der 80er Jahre in einem Atemzug mit aktuellen Diskussionen erwähnt und dann auch noch positiv bewertet wurden. Leider hat dann Frau Torka auf ausdrückliches Bitten ihre Äußerung trotz des Baus goldener Brücken nicht zurückgenommen, sondern noch mal verbal verschärft, in dem sie ausführt „aber ich sage, dass die Militanz auf der Straße notwendig war“. Der Zweck heiligt die Mittel? Die großen Fragen der Zeit werden von Blut und Eisen entschieden? Es geht hier um verletzte Menschen! Das trägt nicht gerade zum Niveau hier bei, auch wenn es auf die 80er Jahre gemünzt war, war es unerträglich, aber auf eine Distanzierung kann mal wohl lange warten. Mit den Relativierungen von Aro K. und Jürgen W kann ich leben, dass Gewalt „leider“ eine Rolle gespielt hat. Lassen wir es dabei. Ich weiß nicht, ob ich hier auf Dauer noch richtig bin.
Dennoch, mal zu dem Aspekt, wie man Mischung in der Lehrter durchsetzen kann. Bei J.W. steht ja der Vorwurf an den Baustadtrat, warum der Bezirk an der Heidestraße eine Mischung durchsetzen könnte, an der Lehrter Straße aber nicht. Ist das gerechtfertigt?
Auf dem Heidestraßengelände bestehen halt bessere Chancen der Durchsetzung von Festsetzungen zum Mischungsverhältnis (gesetzt den Fall, dass in den nächsten 10 Jahren hier überhaupt jemand baut). Erstens geht es hier um ganze Blöcke und nicht um eine einzelne (wenn auch große) Baulücke, wie in der Lehrter. An der Heidestraße muss zudem Baurecht und eine Erschließung erst geschaffen werden, weshalb man hier ggf. weitergehende Festlegungen direkt im Verhandlungsprozess auch mittels städtebaulicher Verträge festlegen könnten. Auch ohne solche Verträge sind Mindestfestsetzungen von Wohnnutzung auch im Bebauungsplan durchaus möglich, nur in der Regel nicht durch Prozentzahlen, zumindest im Mischgebiet. In der Heidestraße sind alle möglichen planungsrechtlichen Festsetzungen für einzelne Blocks denkbar, sei es Allgemeines Wohngebiet oder Kerngebiet, im letzten wären solche Prozentfestlegungen sogar rechtlich zulässig.
Das Gebiet Heidestraße ist meines Wissens planfestgestelltes Bahngelände. Wenn Bezirk oder Senat kein Baurecht schaffen, können die Eigentümer darauf Lokschoppen bauen und Modeleisenbahn spielen – das bietet durchaus Möglichkeiten zur Gestaltung durch den Bezirk.
Im Bereich Lehrter Straße 12f ist die Lage anders. (hier nu in aller Kürze) Es besteht Baurecht. Es handelt sich um ein beschränktes Arbeitsstätten-Gebiet nach Baunutzungsplan 1960, d.h. hier ist faktisch jede gewerbliche Nutzung möglich. Selbst wenn es dieses alte Recht nicht gäbe würde § 34 BauGB gelten, der unter Würdigung des sehr heterogenen Umfeldes mit großer Sicherheit auch einen Hostelbau erlauben würde. Ein neuer Bebauungsplan wollte Mischgebiet für das gesamte Mischgebiet festsetzen und auch die Wohnbebauung insgesamt sichern. Hierzu gibt es einen Aufstellungsbeschluss. In einem nicht verabschiedeten Entwurfsstadium scheint auch ein grundstücksbezogener Wohnanteil in Prozent in die textlichen Festsetzungen geschrieben worden zu sein. Letzteres geht nicht. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage im einschlägigen § der Baunutzungsverordnung. Möglich wäre vielleicht eine geschossweise Festsetzung, ggf. auch eine flächenmäßige Gliederung des Grundstücks. Beides haarige Angelegenheiten und faktisch auf einem Grundstück schwer mit einer Hostelnutzung zu vereinbaren.
Eine Anfrage des Liegenschaftsfonds oder eine Bauvoranfrage eines Investors hat der Bezirk m.E. nicht anders beantworten können. Möglichkeiten zur Zurückstellung oder Veränderungssperre kann ich hier rechtlich nicht erkennen, da das Hostel (nach Art der Nutzung) auch mit dem neuen B-Plan vereinbar wäre. Mein Fazit: Man wird den Investor kaum dazu zwingen können auch noch Wohnungen zu bauen. Der Liegenschaftsfonds als Verkäufer im Besitz des Landes könnte das durchsetzen – er wird es aber nicht. Wer sollte auf einem einzelnen Grundstück unbedingt eine Wohn- und Hostelnutzung kombinieren wollen, (extra Treppenhaus, extra Erschließung etc.)? Daran sollte man sich nicht verkämpfen. Es tut mir leid, aber ein Hostel ist hier stadtstrukturell durchaus gerehtfertigt, nur nicht in dieser Dimansion. Hier geht es nicht um Gentrifizierung – Hostels, Billighotels oder kirchliche Verwaltungsgebäude zählen kaum zu den entsprechenden Pioniernutzungen, sondern um die Entwicklung der Lehrter Straße zu einer Straße im Bahnhofsumfeld. Da entstehen schon starke Nutzungskonflikte, die man mit guten und konstruktiven Ideen bewältigen sollte: Welche konkreten Vorschläge kann man den für das Verfahren machen etc.. Insbesondere die zuerst geplant exorbitante Baumasse des Hostels ist nicht akzeptabel. Hier ist noch einiges möglich, da der alte Plan nur mittels Befreiung eine so hohe Dichte erlauben würde.
Wo gibt es das Shirt zu kaufen?
Ernst, schau mal hier nach: https://www.beatillz.de/article27118.html
lange her die Diskussion – das Thema „Stadtumstrukturierung“ bleibt aber aktuell, hier in Moabit, in Berlin und auch in vielen anderen Städten.
Über die Frage, welchen Einfluss militante Aktionsformen haben können, führten am Beispiel Frankfurter Häuserkampf in den 70gern im April 2008 im Club Voltaire Knut Müller, damaliger Polizeipräsident, und Tom Koenings einen bemerkenswerten Dialog, der hier nachzulesen ist: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31666/1.html (s. die letzten 5 Absätze des langen Artikels von Wolf Wetzel, Dez. 2009).
Oder schon etwas älter: Gibt es Quartiere, die zu schlecht für eine Aufwertung sind? http://gentrificationblog.wordpress.com/2008/07/07/19/