Brückenzoll nach Moabit
Moabit ist eine Insel – das ist einigermaßen bekannt – und heute führen 23 Brücken auf diese Insel. Aro Kuhrt hat sie alle beschrieben. Als die erste Brücke gebaut wurde, war Moabit aber noch gar keine Insel, denn damals gab es weder den Spandauer Schiffahrtskanal, den Humboldthafen noch den Charlottenburger Verbindungskanal. Erst seit 1875 ist Moabit eine Insel.
Trotzdem war es beschwerlich bis in die Stadt Berlin zu kommen, die Königliche Pulverfabrik, 1717 auf dem riesigen Areal angelegt, was heute vom Hauptbahnhof über die Werftstraße bis zum Fritz-Schloß-Park reicht, sperrte Moabit ab. Sonntags machten sich Berliner Handwerker und Dienstmädchen gerne einen schönen Tag in den ländlichen Ausflugslokalen Moabits. Auf der Spree – wie auch in Stralau verkehrten die sogenannten Moabiter Gondeln.
Doch die Moabiter auf umgekehrtem Weg kamen schlecht in die Stadt. Diese und auch der preußische Staat hatten keinerlei Interesse daran, für die damals gerade mal 250 Moabiter eine Brücke über die Spree zu bauen. Mittlerweile hatten dort einige Intellektuelle und Professionelle ihre Sommerhäuser gebaut. 1820 wurde Pierre Ballif (1775-1831), der Hofzahnarzt des Königs von Preußen, aktiv, sammelte Geld und schon ein Jahr später konnte eine hölzerne Klappbrücke dort gebaut werden, wo heute die Moabiter Brücke, im Volksmund auch Bärenbrücke genannt, Moabit mit dem Hansaviertel verbindet.
Die Brücke hieß damals Ballif-Brücke und die Kirchstraße passenderweise Brückenstraße. Der Brückenbau war eine private Investition und deshalb wurde Brückenzoll erhoben, von Fußgängern, Reitern, Fuhrwerken und Kutschen, ebenso wie von den Schiffen, für die die Klappe in der Mitte der Brücke geöffnet werden musste, weil die Brücke so niedrig war, dass Schiffe nicht drunterdurchgepasst hätten. Nachdem die Brücke schon 1840 vergrößert worden war, wurde sie 1868-69 wieder als Holzbrücke, jetzt ohne Klappe, neu gebaut. Schon vorher war der Brückenzoll abgeschafft worden und der Berliner Magistrat hatte die Verantwortung für die Brücke übernommen. Auch diese Brücke genügte dem zunehmenden Verkehr bald nicht mehr, sie wurde 1892 abgerissen.
Der Neubau aus grauen Basaltlavagestein, das aus der Eifel stammt, wurde 1894 fertig, künstlerisch gestaltet vom Architekt Otto Stahn während für die Konstruktion der Ingenieur Karl Bernhard verantwortlich war. Auf den Brückenpfeilern standen damals naturgetreue Bären aus Bronze gegossen, gestaltet von den Bildhauern Karl Begas, Johannes Böse, Johannes Goetz und Carl Piper. Sie wurden wie viele andere Bronzedenkmäler oder Kirchenglocken im 2. Weltkrieg eingeschmolzen. Auch der südliche Bogen der Brücke war 1945 bis auf einen Seitenstreifen zerstört. Fußgänger konnten noch passieren. Für die Trümmerbahn wurde 1946 eine Notbrücke errichtet und der zerstörte Bogen 1948-50 wiederaufgebaut. Die naivblickenden flachen Bären hat der Bildhauer Günter Anlauf 1981 gestaltet. Die Brücke steht unter Denkmalschutz.
Und um auf Pierre Ballif zurückzukommen, heute wird ein von ihm 1819 geschriebenes zweisprachiges Buch „Guide journalier pour servir à l’embellissements et à la conservation des dents – Anleitung zur Pflege und Erhaltung der Zähne“ für mehr als 500 Euro gehandelt. Es hat einen Rückentitel mit Goldprägung und Goldschnitt.
Hallo und guten Tag.
Ein sehr guter Artikel und recht interessant.
Dazu habe ich eine Frage:
Haben Sie Bilder oder andere Informationen ( Namen, alten Stadtplan) über eine Brücke, die von der Dortmunder Str über die Spree zum Holsteiner- bzw. Schleswiger Ufer führte. Diese Brücke wurde im Krieg zerstört und durch eine Holzbrücke ersetzt.
Nach ca. 1953 wurde diese Brücke abgerissen, weil inzwischen die beue HANSABRÜCKE wieder in Betrieb genommen wurde. Es blieb nur der Brückenunterbau stehen, da er die natürliche Abgrenzung der Uferpromenade von Bundesrat Ufer war. Erst später wurde dieser massive Steinunterbau entfernt
und die Uferpromenade wurde bis zur Hansabrücke verlängert.
Ich hoffe, dass Sie mir helfen können.
Im Voraus besten Dank für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüßen
Alfred Schulz
Das war der Borsigsteg.
Schauen Sie doch unter Wikipedia mal nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Borsigsteg
und hier gibt es von der Uni Stuttgart ein pdf mit Bildern und Entwurfszeichnungen:
http://elib.uni-stuttgart.de/opus/volltexte/2004/1778/pdf/bruno_moehring_47_51.pdf
und hier noch eine interessante Zusammenstellung der Arbeiten von Bruno Möhring (1863-1929), der nicht nur den Borsigsteg in Moabit sondern auch den Guerickesteg gestaltete. Von diesem findet sich auch ein Bild im ursprünglichen Zustand, der nach der Zerstörung nicht wieder hergestellt wurde.
http://www.kmkbuecholdt.de/historisches/personen/Moehrin1.htm
Ich bin dafür, den „Brückenzoll“ wieder einzuführen, der Einnahmen für das arme Moabit garantiert *ggg*. Zum Glück steht die „Bärenbrücke“ unter Denkmalschutz, denn das ist meine Lieblingsbrücke, auch wenn die Bären naiv blicken *lach* (hoffe, es klappt mal mit einem Video). Bietet der Abrissbirne endlich mal die Stirne, sonst droht uns der Schuhkarton vom platten Verwaltungs- und Architektenhirne.
„Das Dorf Moabit ist von Alters her ein Vergnügungsort der mittleren und unteren Stände Berlins … Es finden sich hier gemischte Gesellschaften von Leuten aus der dienenden Klasse zusammen, die sich mit allerlei Spielen im Freien und hernach in mehreren Sälen mit Tanz unterhalten.“
Das waren noch Zeiten! Mehr Tanz und Vergnügen für Moabit! Und singende Gondoliere!!!
Danke für den erbaulichen und lehrreichen Artikel!
Aber hieß der Hofzahnarzt nicht Bailiff?
Die Bartning-Allee hieß übrigens noch bis 1960 Brückenstraße, derweil die Kirchstraße immerhin schon seit der Weihung der Johanniskirche (1835) ihren Namen trägt
An der Moabiter Brücke gab es auch noch lange Zeit eine Flussbadeanstalt, jetzt will ein neues Projekt so etwas wieder einrichten, nicht hier, aber am Kupfergraben, mit Pflanzenkläranlage usw. – klingt sehr interessant:
http://www.berliner-woche.de/nachrichten/bezirk-mitte/artikel/37878-initiatoren-praesentieren-projekt-flussbad-berlin/
Gute Idee (auch wenn sie nicht direkt zum Artikel passt). Bislang habe ich mir das Bad in der Spree verkniffen.
@ K.S,
da hast Du natürlich recht, die Flussbadeanstalt ist im Artikel gar nicht erwähnt. Es gab mehrere Flussbadeanstalten an der Spree auf ihrem Weg durch Moabit: die Thalmannsche am Unterbaum, die Tichysche an der Pulverfabrik und Lutzes Damenbad sowie Lutzes Wellenbad (später Kampmeyers) oberhalb der Moabiter Brücke am Südufer der Spree. Letzteres bestand bis 1873.
Dank Uta Maria Bräuer, die kürzlich beim BürSte-Treffen darüber berichtete, ist die Geschichte der Bäder in Berlin ab 1800 gut dokumentiert.
http://www.kulturradio.de/rezensionen/buch/2014/Braeuer-Lehne-Baederbau-in-Berlin.html