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Turmstraße 32: Abriss und Neubau

Ende Oktober hat das Bezirksamt Mitte die Baugenehmigung für den ersten Bauabschnitt des neuen Ärztehauses „moavitalis“ erteilt. Das Bauvorhaben insgesamt betrifft die Ecke Turmstraße / Wilhelmshavener Straße einschließlich der Baulücke. Alle Grundstücke gehören der Königstadt Gesellschaft für Grundstücke und Industrie mbH. Geplant wird das neue Ärztezentrum von Bertsch-Architekten, die uns freundlicherweise die Architekturbilder zur Verfügung gestellt haben (rechts der heutige Zustand).

Das Eckhaus von Paul Schwebes aus den 60er Jahren beherbergt bereits sieben Arztpraxen und ist komplett vermietet. An diesem Haus wird sich zunächst auch nichts ändern. Anfang 2011 soll das frühere Wohnhaus Turmstraße 32 (mit der roten Fassade), das bis auf Zwischennutzungen im Erdgeschoss bereits seit längerem komplett leer steht, abgerissen und ein siebengeschossiger Neubau errichtet werden. Ein Bild des neuen Hauses hängt bereits draußen dran. Die Fertigstellung ist für Mai 2012 geplant (Bild mit Neubau unten links).

Da stellten sich mir und vielen anderen Moabitern spontan zwei Fragen: „Warum kann so einfach Wohnraum vernichtet werden?“ und „Brauchen wir ein neues Ärztezentrum in Moabit, wo es noch Platz auf dem früheren Krankenhausgelände gibt?“ Diese Fragen habe ich auch dem Architekten, Alexander Bertsch, gestellt.

Seine Auskunft zu den Wohnungen: Die Wohnungen in der Turmstraße 32 konnten in den letzten Jahren nur sehr schwer vermietet werden. Das Haus ist in den 60er Jahren auf dem Fundament eines zerstörten Hauses aus den Gründerjahren in einfachster Bauweise aufgebaut worden. Es ist keinerlei Schallschutz vorhanden, nicht einmal Estrichböden in den Bädern. Das habe dazu geführt, dass trotz niedriger Mieten Wohnungen lange leer standen. Vor etwa 2 bis 3 Jahren sei dann auch deshalb, weil die Arztpraxen im Nebenhauses gut vermietet werden können, der Plan für Abriss und Neubau geschmiedet worden. Es wurden keine Kündigungen ausgesprochen, sondern die verbliebenen Mieter sind nach und nach ausgezogen.

Zum Bedarf eines Ärztehauses: Der Bedarf sei vorhanden. Das sehe man ja an dem vermieteten Ärztehaus Turmstraße 31. Den Standort direkt an der U-Bahn hält Alexander Bertsch für überaus geeignet.  In einem Neubau würden Ärzte weit bessere Bedingungen für ihre Praxen vorfinden als in den Altbauwohnungen oder -läden. Hygienischere Ausstattung und eine bessere Infrastruktur können geboten werden. Die Mieten würden bei effizienter Raumgestaltung kaum höher sein als bisher. Eine Studie hätte festgestellt, dass Fachärzte in Moabit fehlen. Das Ärztehaus soll auf die Versorgung der Moabiter Bevölkerung ausgerichtet sein, also Kassenärzte und -patienten ansprechen. In einem zweiten Bauabschnitt sei daran gedacht auch das Eckhaus umzubauen und aufzustocken. Außerdem kann das freie Grundstück noch bebaut werden (eine Ansicht des Gesamtprojekts, rechts oben). Allerdings ist das noch Zukunftsmusik. 70% der Fläche muss bereits vermietet sein bevor der Bau beginnt. In das erweiterte Ärztehaus könnten dann auch andere gesundheitsrelevante Dienstleistungen oder Geschäfte einziehen – etwa Wellness oder Fitness, Bioladen oder Bistro mit gesunden Angeboten.

Die Königstadt, der die Grundstücke gehören, wurde 1871 als Brauereigeselleschaft gegründet. Die wechselvolle Geschichte des Unternehmens kann hier nachgelesen werden. Das Immobilienunternehmen gehört seit 1989 einer Stiftung, der Fred und Carla Lottberg Stiftung, die spastisch gelähmte Kinder unterstützt. Da ist es also durchaus nachvollziehbar, dass langfristig geplant risikoreiche Spekulation vermieden wird. Für das Projekt geworben wurde laut Bertsch hauptsächlich in Moabit, dieses Plakat hing in der Quitzowstraße.

Dennoch bleibt die Frage berechtigt, warum nicht 12 oder 18 Wohnungen, die weggefallen sind, hier nicht wieder neu gebaut werden können.100_7855-250

Lesen Sie auch: „Ein Leuchtturm für den Kiez„, aus Berlin vis.à.vis, „Eine Spritze für die Turmstraße“ von G. Völlering im Berliner Abendblatt vom 13.11.2010 und „Bauen bis der Arzt kommt“ von Ralf Liptau in der Berliner Woche vom 8.12.2010.

Nachtrag:
Bilder vom Bau im Deutschen Architekturforum: Aug. 12 und Nov. 12 (nach Eröffnung).

10 Kommentare auf "Turmstraße 32: Abriss und Neubau"

  1. 1
    Martin says:

    Ich bin ja mal gespannt, mit welchen Mitteln die Gesellschaft Fachärzte dazu bringen will, nach Moabit zu kommen, wo es relativ wenige Privatpatienten gibt. Die Tendenz war bisher eher der Wegzug von Facharztpraxen aus Moabit in Richtung begütertere Wohngegenden. Mal sehen, Moabit wird.

  2. 2
    Stadtplaner pro Moabit says:

    Wenn ein Wohnungsbau ersetzt wird, weil er nicht mehr den Anforderungen entspricht, ist das in Ordnung. Aber warum genehmigen die Abt. Stadtentwicklung und Stadtrat Ephraim Gothe (SPD) an dieser Stelle ein Bauvorhaben, dass nicht wieder wenigstens z. T. Wohnungen enthält? Moabit braucht Bewohner und nicht Leute, die nur Geld rausziehen.
    Ich frage mich langsam, ob in dieser Abteilung überhaupt jemand sitzt, der Ahnung von Stadtentwicklung hat, und welches die Kriterien sind, nach denen entschieden wird.

  3. 3
    Carsten says:

    Nach genau welcher baurechtlichen Vorschrift dürfte man an der Turmstraße den Bau eines Ärztehauses anstelle eines Wohnhauses untersagen? Wenn Du so viel Ahnung hast, so viel mehr als die Abt. Stadtentwicklung, würde mich mal Deine Einschätzung interessieren. Bitte genaue Darstellung der vorhandenen baurechtlichen Situation:) Oder kommt dann nur heiße Luft? Bist du denn in der Stadtplanerrolle verzeichnet und darfst diese Bezeichnung führen? Ansonsten stellt das unbefugte Führen eine Ordnungswidrigkeit dar. (Hier sind Schätzer unterwegs, es ist unglaublich!)

  4. 4
    Redaktion says:

    Auch die BVV hat sich in einer Kleinen Anfrage bereits mit dem Gesundheitszentrum Moavitalis beschäftigt,die Antwort auf die Kleine Anfrage KA 414/III Neubau eines Gesundheitszentrums kann man erreichen, indem man in der hier verlinkten Seite wiederum den Link “Anlage zur Anfrage” anclickt. Leider „dank“ dem ALLRIS-System nur so umständlich zu erreichen .

  5. 5

    Wenn das Haus aus einer vernünftigen Nutzung als Wohnhaus herausgewachsen ist, halte ich es für begrüßenswert, wenn nach MoaBogen und Markthalle erneut ein Investor etwas bei uns im Kiez anpackt. Eine direkte Anbindung an die U-Bahn, inzwischen ja auch mit Aufzug, lässt den Ort geeignet erscheinen, auch mal Patienten von außerhalb anzulocken, wenn unter den Mietern die passenden Spezialisten sind.

    Und kann es nicht sein, dass auch nutzungseingeschränkte (zu klein, unpraktischer Schnitt, u.ä.) Räume Ärzte aus dem Quartier getrieben haben? Nicht jeder Altbau hier ist charmant. Manche sind schlicht renovierungsbedürftig.

    Auch wenn einige das nach meiner begrüßenden Zustimmung des Projektes ungern lesen mögen: Was bedeutet ein solcher Neu- oder Ergänzungsbau (kenne die Fachbegriffe nicht und halte sie auch für verzichtbar im Sinne des Verständnisses) für das Gelände des ehemaligen Krankenhauses Moabit? Gibt es da einen handfesten Plan von irgendwem? Das Gelände ist viel zu schade für den mindestens denkbaren weiteren Verfall…

  6. 6
    Rané says:

    Denke mal, dieses ist eine von vielen Fehlplanungen in dieser Stadt. Da versuche ich verzweifelt auf dem Krankenhausgelände eine kulturelle Nutzung durchzubekommen, weil der jetzt vorhandene Leerstand mit der Vorgabe „Gesundheit“ denen, die mit der Vermietung beauftragt sind, Kopfzerbrechen bereitet. Die Konkurrenzsituation im medizinischen Bereich, wie auch in anderen, hat halt ihre Grenzen.

  7. 7
    melanchthon says:

    Sollte der fertige Bau letztendlich so aussehen wie auf dem Foto angekündigt, ist es mir völlig egal wie das Gebäude genutzt wird.
    Diese Ecke hätte sich zum Vorteil verändert und eine Baulücke wäre geschlossen. Rein optisch gesehen ist dieses Vorhaben auf jeden Fall zu befürworten.
    Als Arzt hätte ich lieber dort meine Praxis als z.b. auf dem alten Moabiter Krankenhausgelände.

  8. 8
    R@lf says:

    Nix gegen den Abriss von einer disfunktionalen 60erJahre-Kiste … wenn was Schönes (!) dafür hingebaut wird. Aber wir kriegen wieder ne neue anspruchslose Nutzkiste auf der Basis von Quadratmeter-Maximalisierung. Angesichts dieser Vorgabe ist die Bauerweiterung immerhin recht gut gelungen. Das Eckhaus knüpft übrigens an das Neue Bauen der 1920er Jahre an und da stellt sich schon die Frage, ob es da nicht auch moderne Denkmalschutzbedürfnisse bei dessen avisierten Umbau gibt. Mit der Bauhaus-artigen Erweiterung ist dem wenigstens schon einmal etwas Rechnung getragen.

    Warum es sinnvoller sein soll ein neues (erweitertes) Ärztehaus zu bauen, als das Moabiter Krankenhaus endlich zurückzubesiedeln leuchtet mir allerdings nicht ein. Die Begründung ist wohl eher in finanztaktischen als in sozialen und städtebaulichen Erwägungen zu suchen: Stiftungen müssen sich eben optimal verzinsen, denn sie dürfen nur den Zins für die Stiftungszwecke verbrauchen.

    Ein lebendiges, aufgewertetes und vernetztes Moabiter Krankenhaus Gelände wäre mir als Bürger und Patient allemal lieber. Dann hätte ich bei Wehwehchen kürzere Wege von Doc zu Doc und müßte das jahrelange, für uns Steuerzahler_innen kostspielige Leerstehen des ehemals vorbildlichen KH Moabit nicht weiter betrauern.

  9. 9
    blazey says:

    ein ärztehaus mit „eigenem“ u-bahnausgang – nebst fahrstuhl – hat wohl für jeden nachvollziehbar seine berechtigung. das ehemalige krankenhausgelände ist da mit abstand unterlegen. zu bedenken ist außerdem, dass moabit viele fachärzte verloren hat. erst kürzlich 2 neurologen, und das bei einer alternden gesellschaft. es ist bekannt, dass die verbliebenen neurologen wartezeiten von zum teil 6 monaten haben oder von vornherein keine aufnahme von patienten mehr durchführen.
    architektonisch, gemeint ist wohl optisch, kann man streiten. ich finde, dass der nutzbau angenehm dezent daherkommt. in mkoabit passiert gerade erstaunlich viel. und erstaunlich ist auch, dass davon so viel als positiv betrachtet werden kann. man kommt an kaum einem park/spieltplatz vorbei, der nicht entweder bereits aufwendig saniert wurde oder gerade eingezäunt ist.

    man sollte auch positive entwicklungen benennen.

  10. 10
    Thomas Koch says:

    Die Fragen von Susanne Torka bezüglich des Wohnanteils sind nachvollziehbar. Selbstverständlich hat der Bezirk die Möglichkeit einen B-Plan zu machen, wenn es zu keiner Einigung mit dem Investor kommt. In aller Regel lässt sich ein Einvernehmen aber bereits erreichen, wenn der Wille des BAs nur deutlich wird.

    Stadtteilzentren leben von einer Mischung aus Wohnen, Einzelhandel und sonstigem Gewerbe. Bei dem angespannten Wohnungsmarkt in Berlin ist der ersatzlose Wegfall von Wohnraum ein Unding.

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