Gotzkowsky in der Volkshochschule
Johann(es) Ernst Gotzkowsky (1710 – 1775) lebte natürlich nicht in der Gotzkowskystraße, sondern ab 1747 in der damals vornehmen Brüderstraße. Die Nr. 13, jetzt das Nicolaihaus, blieb aber nicht sein einziges Domizil. Als Moabiter fühlt man sich dennoch nicht nur durch die Benennung der Gotzkowskystraße, sondern auch der Gotzwkowskybrücke und der Gotzkowsky-Grundschule irgendwie mit diesem „patriotischen Kaufmann“ verbunden. Er stammte aus einer polnischen Adelsfamilie, geboren in Chojnice (damals Konitz/Westpreußen). Schon als 5jähriger verlor er seine Eltern durch die Pest, lebte als bis zum 14. Lebensjahr als Waisenkind bei Verwandten in Dresden. 1724 kam er zu seinem älteren Bruder Christian Ludwig (1697-1761) nach Berlin und ging beim Adrian-Sprögelschem Handelshaus auf der Fischerinsel in die Lehre. 1730 trat er in das Handelsgeschäft seines Bruders ein, der Juwelen und andere Luxuswaren für den preußischen Hof lieferte.
J. E. Gotzkowsky lernte Friedrich II. persönlich kennen – eine wichtige Verbindung für seine Geschäfte. Er wurde kurz nach dem Regierungsantritt 1740 beauftragt „viele nützliche und geschickte Künstler in das Land zu ziehen“ und regelmäßig immer wieder als Berater in wirtschaftlichen Angelegenheiten hinzugezogen. Preußen wollte die eigene rückständige Wirtschaft entwickeln und Manufakturen fördern. 1744 wurde Gotzkowsky Berliner Bürger und heiratete ein Jahr später Anna Louisa Blume (1725-1755), die Tochter des Hofposamtiers*. Durch diese Verbindung wurde er sehr wohlhabend. Er brachte seinen Schwiegervater dazu die Samt- und Seidenfabrikation auszubauen, die er nach dessen baldigem Tod übernahm und mit Hilfe von großzügigen Krediten Friedrichs II. und staatlichen Subventionen erweiterte. 1754 beschäftigte er 1.500 Menschen an 250 Webstühlen, für die damalige Zeit ein sehr großer Betrieb.
Das waren aber längst nicht alle geschäftlichen Aktivitäten von J. E. Gotzkowsky. Er gründete, ebenfalls auf Anraten des Königs, 1761 die „Ächte Fabrique de Porcelaine de Berlin„. Die Gotzkowsky-Brüder hatten schon Jahre zuvor große Aufträge an die Meißener Porzellanmanufaktur gegeben. Dort war sogar ein spezielles Muster „Gotzkowskys erhabene Blumen“ für ein von J. E. Gotzkowsky bestlltes Service entworfen worden. Er bewohnte ein weiteres Haus in der Leipziger Straße 4, nebenan die Seidenmanufaktur und die neue Porzellanfabrik, in der bereits ein Jahr nach der Gründung 146 Personen arbeiteten. Dort stand später das Preußische Herrenhaus, in dem heute der Bundesrat tagt. Obwohl der König das Monopol für die Porzellanherstellung in Preußen an Gotzkowsky vergeben hatte, konnte das den auf vielen Gebieten umtriebigen Kaufmann nicht vor dem Bankrott 1763 retten. Der König kaufte ihm die Porzellanfabrik ab, die damit zur Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) wurde.
Eine große Bildersammlung hatte J.E. Gotzkowsky zusammengetragen, er war einer der einflußreichsten Kunsthändler seiner Zeit. 600 oder 700 Werke von italienischen und niederländisch-flämischen Malern. Genaueres hierzu im Tagesspiegel-Artikel „Ein kunstsinniger Kaufmann“ und beim Vortrag am Sonntag (siehe unten). Ein großer Teil dieser Sammlung wurde an die russische Zarin Katharina II. verkauft und damit der Grundstein für die Gemäldesammlung der Eremitage in St. Petersburg gelegt. Dieser Verkauf diente nach neueren Forschungen von Nina S. Schepkowski dazu eine diplomatische Krise zu verhindern, denn J.E. Gotzkowsky war durch spekulative Getreidegeschäfte und die Pleite des Amsterdamer Bankhauses de Neufville hoch verschuldet.
Und warum nannte er sich in seiner 1768 erschienenen Autobiographie einen „patriotischen Kaufmannn“? Er hatte bei der Besetzung Berlins durch Russen und Österreicher 1760 sowohl sein Verhandlungsgeschick als auch eigenes Vermögen eingesetzt um die Forderungen der Sieger zu senken und teilweise zu begleichen. Das alles rettete ihn nicht vor der vollständigen Pleite 1767. Er musste sogar in Schuldhaft sitzen. 1775 starb er in Armut und vergessen.
Veranstaltungen der City-VHS:
Zwei jeweils 4stündige Veranstaltungen der Volkshochschule Mitte beschäftigen sich ausführlich mit Gotzkowsky. Am Sonntag 21. November von 16 – 20 Uhr kann man für den Beitrag von 10 Euro zunächst an einer Führung durch die KPM teilnehmen und anschließend einem Vortrag der Kunsthistorikerin Dr. Nina Simone Schepkowski über Gotzkowsky als Kunstagenten und Gemäldesammler lauschen. Ihr im vergangenen Jahr erschienenes Buch**, das umfangreiche neue Quellen erschlossen hat, wird vorgestellt. Ort: KPM Qartier, Wegelystraße 1.
Am Freitag 26. November von 18 – 22 Uhr berichtet der Wirtschaftsjournalist Andrzej Niewiadomski interessante Details über den Geschäftsmann Gotzkowsky in der europäischen Wirtschaftskrise nach dem Siebenjährigen Krieg. Es kann diskutiert werden. Vielleicht finden sich sogar Parallelen zu heute. Ort: City VHS, 10115 Berlin, Linienstraße 162, Raum 1.12 (Multifunktionsraum)
* der die Posamenten (Spitzen, Borten, Quasten, Volants, Zierknöpfe) an den Hof lieferte
** Nina Simone Schepkowski: Johann Ernst Gotzkowsky. Kunstagent und Gemäldesammler im friderizianischen Berlin, Berlin 2009, Akodemie Verlag
Ein klassischer Emporkömmling, Speichellecker, Ausbeuter und Spekulant. Man fühlt sich an heutige Figuren erinnert. Eine Schande, daß nach ihm gleich drei Moabiter Lokalitäten benannt sind!
Bezeichnend, daß ihn die königliche Familie offenbar fallen ließ wie eine heiße Kartoffel, als von ihm nichts mehr zu holen war. Sic transit gloria mundi.
Natürlich eine interessante Lebensgeschichte, aus der mensch so manches lernen kann.
Danke für den informativen Artikel!