Varieté auf zwei Rädern
Interview mit Frank Wolf – Künstlername DOA 21
Anfang Mai suchte DOA 21 auf Flyern und im Internet jugendliche Moabiter für einen Filmdreh zu seiner neuen Moabithymne. Viele kamen und zeigten 2 Stunden am Hansaplatz Breakdance- und BMX-Kunststücke für das Video. Dann mussten sie zum Guerickesteg weiterziehen, weil es im Grips-Theater eine Vorstellung gab und der Lärm draußen vor der Tür gestört hätte. Aber damit nicht genug, die BMX-Fahrer drehten auch auf dem Teufelsberg mit einem herrlichen Sonnenaufgang. Das Video ist seit 7. Juni herunterzuladen: www.moabit-ist-beste.de.
MoabitOnline wollte von Frank Wolf wissen, wie es ihm gelingt mit Musikmachen und BMX fahren seinen Lebensunterhalt zu verdienen und welche Tipps er für Jugendliche parat hat. Das Gespräch führte Susanne Torka.
Wie bist Du dazu gekommen mit Hip Hop und BMX-Shows Dein Geld zu verdienen?
Hip Hop hat mich seit meinem 15. Lebensjahr interessiert. Das war eben die Sprache der Straße und der Jugend. Wir sind mit BMX-Rädern gefahren, weil es uns ein Gefühl der Freiheit vermittelt. Ich weiß nicht, wer sich noch an den Film E.T. erinnert. Die Szene in der der kleine Außerirdische im Fahrradkorb am Mond vorbei fliegt, begründete dies Freiheitsgefühl. Dieser Film hat die BMX-Kultur von Amerika nach Deutschland gebracht. Wir waren eine Gruppe von Jugendlichen, die seit 1985 am Hansaplatz geübt hat, später sind wir auf den Breitscheidplatz gezogen und dort fing es auch an, dass wir mit waghalsigen Kunststücken Geld einsammeln konnten. Ich weiß nicht, warum ich von Anfang an mehr in Shows gemacht habe, als mich auf Wettbewerbe vorzubereiten. Als ich dann im Ufa-Kinderzirkus aufgetreten bin und auch ein Jahr dort in der Kommune lebte, hat mich Juppy Becher ermuntert, meine Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Aber insgesamt war es ein weiter Weg, ich habe mich nicht unterkriegen lassen und bin immer wieder spontan bei Veranstaltern aufgetaucht und habe ihnen Videos meiner Auftritte als Referenz gegeben. Nach der ersten Fernsehshow wurde es dann leichter.
Machst Du das hauptberuflich und kannst Du davon leben?
Mein Geld verdiene ich mit den BMX-Shows. Und das ist richtig Arbeit. Ständig unterwegs. Man muss körperlich total fit bleiben. Die Musik, der Hip Hop ist mein Hobby. Im Kubu, in der Kulturfabrik, beim Lehrter Straßenfest, das hat Spaß gemacht. Auch wenn ich schon mehr als 50 Hip Hop Parties organisiert habe, Geld verdiene ich damit nicht. Ich muss froh sein, wenn sich das Minus in Grenzen hält.
Was waren Deine bekanntesten Auftritte?
Varieté und Paris ist untrennbar miteinander verbunden. Also war mein wichtigster Auftritt 2003 im „Le plus grand cabaret du monde“. Am liebsten erinnere ich mich aber an den Auftritt 1990 im alten Quartier Latin, das später der Wintergarten wurde. Und was ganz besonders war natürlich 1995 der Auftritt mit der Truppe Chrome Pioniers, mit meinen Freunden ….. bei der Zirkus-Show „Menschen, Tiere, Sensationen“ in der Deutschlandhalle vor 80.000 Zuschauern.
Wie vermarktest Du Deine Musik? Hast Du einen Plattenvertrag?
Wie gesagt, Musik ist Hobby, ich habe ein Tonstudio und meine Titel selbt produziert. Ich stelle sie frei zum Downloaden im Internet zur Verfügung. Mit meinem vorletzten Song „Ich zeig Dir meine Karre“ wollte ich es wissen. Ich habe einen Plattenvertrag bei Columbia/Sony BMG bekommen, aber trotz der ganzen super-spaßigen und durchaus teuren Promotion war die CD ein Flopp. Über 2000 verkaufte Platten, das wäre für selbstproduziert zwar super, aber für eine Plattenfirma ist es so gut wie nichts. Viele denken für den Auftritt auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor bei der Fußball-Europameisterschaft eine halbe Stunde vor dem Endspiel hätte ich Geld bekommen, aber das ist in Wirklichkeit umgekehrt. Die Plattenfirma hat bezahlt, damit ich dort auftreten konnte. Aber war natürlich Klasse: 450.000 Leute! Ich bin ein Autonarr, aber gebe zu, der Text ist etwas flachgespülter für die Massen geschrieben.
Warum liebst Du Moabit? Was ist für Dich das besondere an Moabit?
Moabit ist meine Heimat, ich wohne hier, hier wohnen meine Kumpels, hier fühle ich mich zu Hause. Am Hansaplatz bin ich aufgewachsen – o.k. nicht mehr ganz in Moabit, aber für mich gehört es dazu. Unter Moabitern gibt es ein unglaubliches Zusammengehörigkeitsgefühl, trotz sozialer Probleme sehr viel Menschlichkeit. Doch dort, wo ich jetzt wohne, Elberfelder Straße, verändert sich einiges. Leute ziehen ein, die ich eher in Prenzl-Berg suchen würde. Viele der älteren Bewohner fühlen sich schon fremd.
Wie kommt Dein Song über Moabit an?
Mal sehen, wir haben ja gerade erst das Video produziert.
Welchen Rat gibst Du jungen Talenten?
Macht eine praktische Ausbildung! Mein Vater hat darauf bestanden und heute bin ich froh, dass ich die Lehre bei der Moabiter Firma Galla & Wenzel zum Gas- und Wasserinstallateur fertig gemacht habe. Das hilft mir Dinge zu Ende zu bringen und mit meiner künstlerischen Sprunghaftigkeit fertigzuwerden. Artistik funktioniert, aber mit Musik könnt ihr kein Geld machen!
Wo kann man Dich demnächst sehen?
Ich war in diesem Jahr im Krystallpalast Variete in Leipzig zu sehen und werde im Oktober in der Urania 10 Tage performen.
Zuerst erschienen in LiesSte, Zeitung für den Stephankiez, Nr. 12, Juni 2009
Fotos: Gilbert Dadier (2) und Susanne Torka
Nachtrag vom 6.11.2011: Heute ein Portrait von Frank Wolf im Tagesspiegel, der über den Aktivisten prima sprcht, aber über die Turmstraße, „echt brr …“ diese Art Journalismus.
Unser inoffizieller Bürgermeister portraitiert von Guda Bartels im Tagesspiegel von heute:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/moabits-inoffizieller-buergermeister-macht-klar-schiff/5804978.html
Aber die Beschreibung der Turmstraße zu Beginn des Artikels, da hat die Autorin wohl doch nicht richtig zugehört …. brrr