[8] Klassensolidarität 1916
Quelle: „SED Tiergarten: Das war Moabit“
Der Kollege M.J. aus der Rostocker Straße berichtete:
„Zu dieser Zeit arbeitete ich im Betrieb Ludwig Loewe AG. Der Weltkrieg hatte damals schon Ströme von Arbeiterblut gekostet. Die Kriegsgegnerschaft der Kollegen im Betrieb kam immer stärker zum Ausdruck. Der 1. Mai rückte heran und die Arbeiter wollten ihren Kampftag feiern. Als die Direktion davon erfuhr, ließ sie durch einen Anschlag bekanntgeben: „Wer am 1. Mai nicht zur Arbeit erscheint, wird entlassen.“
Kollege Weinert beriet sich mit den zuverlässigsten Kollegen und legte den Stellplatz im Kleinen Tiergarten fest. Am 1. Mai hatte jedoch die Polizei den Kleinen Tiergarten bereits besetzt. Die Taktik wurde sofort geändert und alle Kollegen in die Lokale an der Waldstraße umdirigiert. Das klappte – dann kam die Durchsage: „Um halb zwölf alles auf der Promenade Aufstellung nehmen!“ Wir marschierten dann zur Kaiserin-Augusta-Allee, wo sich noch Kollegen von DMW in den Demonstrationszug einreihten. Dann ging es weiter durch die Wiebestraße, Huttenstraße bis zur Rostocker Straße. Hier löste sich der Zug mit seinen über 400 Teilnehmern auf.
Die Direktion versuchte tatsächlich einige Kollegen wegen dem 1. Mai zu entlassen, aber wir hatten vorher beschlossen, zu streiken, wenn es zu Entlassungen kommen sollte. Gestützt auf die Solidarität der Arbeiter gelang es dann dem Arbeiterausschuss, vertreten durch die Kollegen Mehlhose und Weinert, die Entlassungen rückgängig zu machen. In den folgenden Monaten trafen sich die Loewe-Arbeiter immer häufiger, abteilungsweise, und wählten schon 1916 die ersten revolutionären Obleute.“