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Berührender Abend in der Kunststätte Dorothea

„Nichts wird mehr so sein wie früher. Alles braucht MUT“ – Ukrainische Lyrik in Zeiten des Krieges

Gerne, wenn auch gar nicht so häufig, besuche ich Veranstaltungen in der Kunststädtte Dorothea der Dorotheenstädtischen Buchhandlung – nicht immer begeistert, denn die Lesungen sind sehr unterschiedlich – es gibt tatsächlich Autor*innen, die nicht mit Betonung aus ihren Büchern lesen können.

Bild von Christine Pöttker

Doch als am 23. Mai der Schauspieler Jan Uplegger aktuelle Gedichte aus der Ukraine vortrug – begleitet von Vikoria Leléka mit Stimme und Synthesizer – hat mich diese Dichtung, die Kombination von kräftig, anklagend oder nachdenklich leisen Texten mit elektronisch verfremdeten Klängen und fast körperloser gehauchter Stimme, sehr berührt. Ursprünglich hatte Uplegger das Gedicht Programm für die Finissage einer Ausstellung von Christine Pöttker ausgearbeitet, die sich bei der Unterstützung der Ukraine engagiert, zunächst mit einem Gitarristen. Die Zusammenarbeit mit Viktoria Leléka entstand spontan. Sie bot an mit ihren Tönen zu begleiten.

Viktoria Leléka hat in Kiew Schauspiel studiert, danach in Berlin und Dresden Jazzgesang. 2016 hat sie die Band Leléka gegründet, die traditionelle und zeitgenössische Musik verbindet, sie komponiert, produziert und experimentiert mit elektronischer Musik. Jan Uplegger ist freischaffender Schauspieler, Sprecher und Theatermacher in Berlin und Leipzig, wobei er gerne zeithistorische Stoffe für die Bühne adaptiert.

Die Gedichte gehen ganz direkt ans Herz, ins Gemüt, manche sind gar körperlich zu fühlen. Der Krieg kommt nahe heran, denn die Autor*innen sind auf die eine oder andere Weise direkt betroffen. Einige kämpfen an der Front oder sind mit Hilfsaktionen im Einsatz, bei denen sie ihr Leben riskieren – einige kommen nicht zurück.

Die meisten der ausgewählten Gedichte sind zu finden in „Den Krieg übersetzen„, Edition fotoTAPETA. Gedichte von Serhij Zhadan, der 2022 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, sind den Bänden „Antenne“ und „Chronik des eigenen Atems„, Suhrkamp entnommen. Die Gedichte von Maksym Krywtsow sind gedruckt in der Literaturzeitschrift „die horen“, Bd. 295: „weil die Wunden Vögel werden. Landschaften der Ukraine“. Krystow starb im Januar 2024 an der Front. Während die Schriftstellerin Viktoria Amelina durch eine Rakete auf eine Pizzeria in Kramatorsk, wo sie mit kolumbianischen Kolleg*innen zusammen saß, im Juli 2023 ums Leben kam.

Dichter*innen erklären ihr zeitweises Verstummen angesichts der Invasion 2022, die den seit 2014 latenten Krieg uns erst bewusst machte – die Sprache versagte angesichts der Brutalität. Dann erkannten sie, dass sie berichten müssen – Gefühle, Gedanken, der Tod, die Zerstörung sollen beschrieben werden. Wie wichtig das Atmen ist, auch das ist in der elektronischen Musik und der stimmlichen Begleitung des Vortrags zu spüren, mehr zu erahnen.

Nur ein Gedicht wurde simultan zweisprachig vorgetragen: „Vater unser“ von Kateryna Kalytko. Ich möchte hier keine Ausschnitte aus den Gedichten anführen, denn viele sind online zu finden, z.B. bei Lyrik-line, gesprochen und mit Übersetzungen in verschiedene Sprachen, sortiert nach Autor*innen, Sprachen usw.

Das Programm „Nichts wird mehr so sein wie früher. Alles braucht MUT“ wird noch zweimal aufgeführt:

am 12. Juni, 20 Uhr in der Lettrétage im ACUD, Veteranenstraße 21, Eintritt: 10 Euro (Einladung)

am 17. Juli, 18 Uhr (mit Gitarre) im Museum Reinickendorf, Alt-Hermsdorf 35, kostenfrei, bitte anmelden (Einladung)

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