Moabit und Hansaviertel: Die Gelbe Post schließt ihre letzte „richtige“ Filiale
In Moabit und dem angrenzenden Hansaviertel ist die letzte „richtige“ Postfiliale geschlossen. Direkt nach Ostern war Schluss mit der Filiale der „Gelben Post“ Alt-Moabit 98. Einschreiben oder Pakete abholen, geht nicht mehr. Selbst seine Briefe wird man dort nicht mehr los. Der Schlitz zum Gelben Postbriefkasten im Eingangsbereich ist mit Flatterband versperrt. Briefmarken verkaufen, Pakete und Briefe annehmen oder herausgeben – das können die rund 90.000 Bewohner*innen nur noch in Zeitungsläden, Spätis, Lotto-Annahmestellen usw. Als „Information zu unserem Service“ hat die Post eine Liste mit Adressen ausgehängt, die jetzt durchgängig als „Postfilialen“ mit Nummern versehen sind.
Kundenfreundlich ist das alles nicht. Auf allen Aushängen wird der Begriff „Schließung“ tunlichst vermieden. Zu negativ?! Die Sprachregelung lautet offenbar: Die Dienstleistungen der Post werden jetzt woanders „angeboten“. Das passiert nicht nur in Moabit oder Berlin. Überall in Deutschland schießt die Post ihre Filialen, überträgt diese Aufgaben mutmaßlich preiswerteren Subunternehmen, spart Geld. Und überall, wie auch in Moabit, stellen DHL und Co. Automaten zum Abholen von Paketen auf.
In Pressemeldungen war letztes Jahr noch von einer Schließung in 2026 die Rede, die DHL/Post hat diesen Termin offenbar vorgezogen. Angeboten werden in den Räumen Alt-Moabit nur noch sog. „Finanzdienstleistungen“ der Postbank. Man kann am Schalter Geld abholen oder einzahlen, auch zwei Automaten für Überweisungen und Kontoauszüge stehen noch zur Verfügung.
Was im Alltag häufig übersehen wurde: In der Filiale Alt-Moabit waren zwei seit vielen Jahren völlig selbständige Unternehmen tätig: Die „gute alte“ Gelbe Post und die Postbank. Beide Unternehmen waren früher – zusammen mit heutigen Telekom – enge Geschwister und residierten unter einem Dach – ehe sie nach 1993 durch die politisch verordnete Privatisierung auseinander gerissen und zerschlagen wurden. Es entstanden im Laufe der Zeit die „Deutsche Telekom“ und die DHL, zwei an der Börse im Dax notierte Unternehmen. Und die Postbank, die auf Umwegen zur Deutschen Bank kam und jetzt immer mehr mit dieser verschmolzen wird. An den Schaltern in Moabit waren die Mitarbeiter zuletzt für Post und Postbank zuständig.
Auch wenn jetzt noch „Finanzdienstleistungen“ angeboten werden, die Räume aber sehen trostlos aus. Im November letzten Jahres sprengten Ganoven im Vorraum zwei Geldautomaten der Postbank, die angesichts der geplanten Schließung im kommenden Jahr wohl nicht mehr ersetzt wurden und wohl auch nicht mehr werden. Der Bereich ist durch schmucklose Sperrholzplatten abgesperrt und abgedeckt, das muss reichen. Der größte Teil der angemieteten Flächen ist verwaist. Früher wurden hier sogar Briefmarken verkauft, insbesondere aus dem Bereich Philatelie. Auch „Finanzberater“ der Postbank hatten hier einst ihre Arbeitsplätze. Diese Aufgaben werden jetzt anderswo erledigt, u. a. Online.
Text und Fotos: H. M. (Autor ist der Redaktion bekannt)
Öffnungszeiten der Postbank: mo – fr 9:00 – 18:30, sa 9:00 – 13:00 Uhr
Dienstleistungswüste Deutschland – alles wird angeblich immer einfacher und kundenfreundlicher
Joa, früher war alles besser und Servicewüste Deutschland. Böse Konzerne, die sich die gegen die Kunden verschwören, um ihre Profite zu steigern. Soweit so phrasig. Letztlich wurde mal wieder mit den Füßen abgestimmt. Am Ende müssen nämlich auch die Mitarbeiter „in der guten alten Postfiliale“ bezahlt werden und wenn sich kaum noch Kunden in die Filiale verirren, dann wird das eben schwierig. Weil Fakt ist doch, dass es Postfilialen eigentlich nicht mehr braucht. Briefe werden kaum noch verschickt und Pakete kann man besser in Spätis und Packstationen abholen, weil man da nicht an „behördenähnliche“ Arbeitszeiten gebunden ist.
Für die wenigen, die immer noch regelmäßig in der Postfiliale waren, ist das natürlich schade. Eine gewisse Melancholie kann ich auch verstehen. Finde man sollte es aber nicht übertreiben. Mein Güte! Wir reden hier von einer Postfiliale. Pakte aufgeben und abholen und mal eine Briefmarke kaufen, ist jetzt auch nicht so ein romantischer Akt. Und wer besondere Briefmarken will, muss jetzt eben in ein (echtes) Fachgeschäft, auf Messen oder zu Sammlern. Da ist er sowieso schon lange besser aufgehoben.
Alle anderen werden kaum bemerken, dass es in Moabit nun keine Postfiliale mehr gibt und stattdessen beim Paketabholen im Späti ihres Vertrauens noch ein kleines Schwätzchen halten, eine Cola mitnehmen und die kleinen Gewerbetreibenden in der Nachbarschaft stärken. So ist das halt: times there are changing!
Eines wird allgemein übersehen:
Das Internet kann nicht das soziale Miteinander ersetzen, das verloren geht, wenn im öffentlichen Bereich Dienstleistungen und andere der Allgemeinheit dienende Nutzungen gestrichen werden oder sonstwie wegfallen.
Naja, in einer Postfiliale, in die sich kaum Kunden verirren, geht auch nicht viel sozialer Austausch verloren. Außerdem wüsste ich nicht, warum der soziale Austausch in einer Postfiliale „besser“ sein sollte als in einem Späti, in dem ich mein Pakte abhole. Schließlich finde ich es etwas übertrieben, Gespräche a la „ich hätte gerne zwei Briefmarken für 60 Cent“ oder „ich möchte bitte mein Paket abholen“ als wichtigen sozialen Austausch darzustellen.
Sorry, wir reden hier von Postfilialen. Da gibt es wirklich schönere Orte, um Menschen zu treffen. Und wenn wirklich viele Menschen für ihren sozialen Austausch darauf angewiesen sein sollten, bei Dienstleister etwas zu kaufen, sollte der Ansatz nicht sein, irgendwelche verstaubten Filialen aufrecht zu halten, sondern echte Angebote und Begegnungsstätten zu schaffen. Nach meiner Beobachtung haben die meisten Menschen aber zum Glück andere Möglichkeiten, sich mit Menschen auszutauschen, als Pakete abholen.