NS-Zwangsarbeit für die Heilandsgemeinde
Jedes Jahr am Volkstrauertag gilt das Gedenken in Neukölln auch den kirchlichen Zwangsarbeitern, deren Lager sich auf dem Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde befand. Ein Schuldbekenntnis durch 39 evangelische und drei katholische Kirchengemeinden, die daran beteiligt waren, sich der Arbeitskraft aus der Sowjetunion verschleppter Männer und Jungen für ihre Friedhöfen zu bedienen. Die Heilandsgemeinde war eine davon.
Drei Jahre lang, von 1942 bis 1945 war das unwirtliche Lager auf dem Friedhof in Neukölln Ausgangspunkt für rund 100 deportierte Bewohner und ihren täglichen Fußmarsch auf die Friedhöfe im ganzen Stadtgebiet. Die aus durch die Deutschen in Osteuropa besetzten Gebieten Stammenden, in der Nazi-Ideologie „slawische Untermenschen“, sollten Gräber ausheben und mit ihrer Arbeitskraft die 1941 von der Wehrmacht im Rahmen der großen Mobilmachung eingezogenen Totengräber ersetzen. Unter Zwang und erbärmlichen Konditionen verrichteten sie ihre Aufgaben – bis zu ihrer Befreiung durch die Rote Armee am 24. April 1945.
Erst im Jahr 2000 wurde im Zuge der Diskussion um die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern aus Osteuropa eine kirchliche Arbeitsgruppe gebildet, um nach überlebenden Opfern zu suchen. Es fanden sich zehn Männer in Russland und der Ukraine, zu denen andauernder Kontakt aufgenommen wurde, um sie als Zeitzeugen zu befragen und über kirchliche Spenden zu entschädigen.
Das Friedhofslager in Neukölln ist das einzige bisher bekanntgewordene kirchliche Zwangsarbeiterlager und hat damit eine besondere historische und politische Bedeutung. Jede Berliner Kirchengemeinde, die sich an dem Unrecht beteiligte, hat einen „Stein der Erinnerung“, der bei der jährlichen Gedenkfeier am Volkstrauertag auf dem Gedenkstein an dem für ihn bezeichneten Platz niedergelegt wird. Das restliche Jahr findet er mahnend einen würdigen Platz in den jeweiligen kirchlichen Räumen.
Die Heilandsgemeinde ist durch Fusion aufgegangen in der Gemeinde Tiergarten. Ihre Schuld liegt jetzt auf breiteren Schultern und wiegt trotzdem noch schwer und nur, weil sich bisher keine Spur zu den anderen Kirchen auffinden lässt, heißt das nicht, dass nicht auch sie von der Zwangsarbeit profitierten. Die Friedhöfe Heiland, St. Johannis III und der Friedhof der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche lagen benachbart am Plötzensee.
Bei Grabungen fanden sich auf dem Friedhof Jerusalem Reste der Bodenplatten des im April 1944 zerstörten Lagers, das bis 1945 durch Holzbaracken ersetzt wurde. Die steinernen Überreste werden jetzt vor Ort sukzessive mit ergänzenden Elementen zu einer Gedenkstätte für Zwangsarbeiter der Evangelischen und Katholischen Kirchen ausgebaut.
Text und Foto: Martina Knoll
Quelle: Bist du Bandit? Das Lagertagebuch des Zwangsarbeiters Wasyl Timofejewitsch Kudrenko. Wolfgang G. Krogel (Hg.). Wichern-Verlag, Berlin 2010.
Zuerst erschienen im Gemeindemagazin „Evangelisch in Tiergarten„, Ausgabe April/Mai 2025 auf S. 16
EINLADUNG zur Gedenkstunde am 24. April 2025 um 17 Uhr
Ort: Der Eingang zur Gedenkstätte NS-Zwangsarbeit für die Evangelische Kirche – Friedhofslager Neukölln befindet sich am Grünen Weg zwischen Hermannstraße und Tempelhofer Feld, U8-Bahnhof Leinestraße, 12051 Berlin.
Am 24. April 2025 ist die Befreiung des Zwangsarbeiterlagers auf dem Friedhof in Neukölln 80 Jahre her. An diesem Tag wird die Informationswand zum Kontext kirchlicher Zwangsarbeit auf dem Gelände der Gedenkstätte der Öffentlichkeit übergeben.
Der Zugang zur Gedenkstätte ist täglich vom Grünen Weg aus geöffnet. Interessenten an einer Führung durch die Gedenkstätte und ausführlichere Informationen über die Entstehung des Lagers und die Gedenkarbeit wenden sich bitte an:
info@kirchliches-zwangsarbeiterlager.de
Dr. Wolfgang Krogel, Gedenkstätte NS-Zwangsarbeit für die Kirche Vorsitzender des Fördervereins, Bethaniendamm 29, 10997 Berlin