Wenn mich ein Buch wirklich reizt – Hans Fallada als Literaturkritiker
Ausstellung in der Dorotheenstädtischen Buchhandlung Berlin-Moabit vom 30. März bis zum 9. Mai 2025.
Hans Fallada (1893 – 1947), der weltberühmte Autor von Kleiner Mann – was nun? (1932) oder Wer einmal aus dem Blechnapf frißt (1934), war ein Büchernarr und großer Literaturkenner. Er nahm am literarischen Leben der Weimarer Republik rege Anteil, auch als Kritiker und Publizist.
Die von der Hans-Fallada-Gesellschaft e. V. konzipierte Wanderausstellung Wenn mich ein Buch wirklich reizt – Hans Fallada als Literaturkritiker macht auf diese weitgehend unbekannte Seite des Schriftstellers aufmerksam. Sie ist nun zu sehen in der Dorotheenstädtischen Buchhandlung in Moabit vom 30. März bis zum 9. Mai 2025. Die Ausstellung spiegelt die gesamte Bandbreite der Interessen Falladas wider: Er hat Romane, Kinderbücher, Alltagslyrik, Reportagen, politische Sachbücher und sogar Gartenbücher besprochen.
Moabit: Es ist kein Zufall, dass die Wanderausstellung in Moabit präsentiert wird. Fallada hat, aus Neumünster kommend, von Januar bis Juni 1930 in Moabit gelebt. Zusammen mit seiner Frau Anna, und ab März gemeinsam mit ihrem ersten Sohn Ulrich, wohnten sie bei Nothmanns in der Calvinstraße 15 A. Dort wohnten sie in einer möblierten Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küchenmitbenutzung. Die Calvinstraße ist auch heute noch eine Verbindungsstraße zwischen der Straße Alt-Moabit und dem Helgoländer Ufer an der Spree. Das Haus, in dem Fallada mit seiner Familie für ein paar Monate lebte, steht heute nicht mehr. Es ist den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer gefallen. Der Fallada-Biograf Werner Liersch beschreibt es in seiner 1983 erschienenen Biografie Hans Fallada. Sein großes kleines Leben kurzerhand so: Das Haus in der Calvinstraße überzieht Jahrhundertewendeprotz, den Treppenaufgang zieren farbige Fenster und den Hausflur Spiegel im Stuckrahmen. Und Fallada selbst schreibt in seinem 1943 erschienenen Erinnerungsbuch Heute bei uns zu Haus. Ein anderes Buch. Erfahrenes und Erfundenes: … die Brandmauer des Hauses zeigte gegen den Bahnhof Bellevue, noch heute ist sie mit einer Reklame für „Kupferberg Gold“ bemalt.
Fallada arbeitete Anfang der 30ziger Jahre in der Rezensionsabteilung des Rowohlt-Verlages. Er sammelte und klebte Rezensionen zu Büchern des Verlages in Mappen und versandte Exemplare von Erstveröffentlichungen an die Zeitungen. Bei seinem Arbeitsweg nahm er den Gerickesteg über die Spree zum Bahnhof Bellevue. Es handelte sich um eine Teilzeit-Tätigkeit von neun bis zwei Uhr. Nachmittags arbeitete er in der Calvinstraße an seinem Roman Bauern, Bonzen und Bomben, der 1931 im Rowohlt-Verlag erschien.
Hans Fallada selbst hat zwar in Moabit keine tieferen Spuren hinterlassen, aber in seinem Werk finden sich durchaus Spuren Moabits vom Anfang der 30ziger Jahre, und zwar in dem Roman, der ihn weltberühmt gemacht hat: Kleiner Mann – was nun? (1932). Ob es der Kleine Tiergarten ist, in denen die Arbeitslosen der Weltwirtschaftskrise warten, sie wissen selbst nicht mehr auf was, wie Fallada schreibt, oder das Städtische Krankenhaus Moabit, in dem Ulrich geboren wurde, alles das hat er genau beobachtet, festgehalten, erinnert und – gemäß seinem Ausspruch: Alles in meinem Leben endet in einem Buch – im Stile der Neuen Sachlichkeit literarisch verarbeitet.
Die kurze Zeit in Moabit kann durchaus als biografischer Wendepunkt im Leben Falladas bezeichnet werden, einem Leben, das von vielen Wendepunkten, Höhen, aber auch Tiefen mit schweren Krisen gekennzeichnet war. In Moabit gründete Hans Fallada eine Familie und legte den Grundstein für seine Karriere als freier Autor (wobei: Freier Autor war er nur kurze Zeit. 1933 kamen die Nazis an die Macht und im Nationalsozialismus war kein Schriftsteller mehr frei).
Zahlreiche Biografien – zu nennen sind hier insbesondere die von Jenny Williams, Mehr Leben als eins. Hans Fallada – Biographie (2012) und Peter Walther, Hans Fallada. Die Biographie (2018) – haben die vielen Lebensstationen Falladas aufschlussreich ausgeleuchtet.
Und doch eines war noch gar nicht so sehr bekannt, nämlich das Hans Fallada auch als Literaturkritiker gearbeitet hat. Fallada hat Werke von Erich Maria Remarque und Irmgard Keun, Erich Kästner und Carl Zuckmayer besprochen zu einer Zeit, als ihre Bücher als Neuerscheinungen in den Buchhandlungen lagen. Was damals als Übersetzung auf den deutschen Buchmarkt kam, Ernest Hemingway, Sinclair Lewis, Aldous Huxley und Karel Capek, hat er wahrgenommen und rezensiert.
Zu verdanken haben wir diese Entdeckung der Germanistin Dr. Sabine Koburger und dem langjährigen Leiter der Agentur für Medienrechte beim Rowohlt-Verlag, dem Filmjournalisten und Fallada-Experten Michael Töteberg. In dem von ihnen gemeinsam herausgegebenen Begleitbuch zur Ausstellung Wenn mich ein Buch wirklich reizt – Hans Fallada als Literaturkritiker (2023) finden sich Essays zu allen von Fallada geschriebenen Kritiken.
Die Ausstellungseröffnung findet am Sonnabend, den 29. März um 18:00 Uhr in der Dorotheenstädtischen Buchhandlung (Kunststätte Dorothea) in der Turmstraße 5 (Ecke Pritzwalker Straße), direkt gegenüber vom Kriminalgericht Moabit, statt. Es referieren Dr. Sabine Koburger und Michael Töteberg von der Hans-Fallada-Gesellschaft e. V. Der Eintritt ist frei. Die Dorotheenstädtische Buchhandlung und die Hans-Fallada-Gesellschaft e. V. freuen sich über zahlreichen Besuch.
Text und Foto: Christian Winterstein
Interessant und lesenswert, Hans Fallada als Literaturkritiker wahrzunehmen. Das macht auch den Leseanreiz aus, um auf dieses Buch neugierig zu werden. Ein Lob und Anerkennung an die beiden Autoren für ihre schöpferische Arbeit.