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Land in Sicht!

So hieß es zu Zeiten der alten Segelschiffe, wenn nach monatelanger Fahrt über den Ozean voraus die Silhouette einer Küste zu erspähen war. Land war auch schon vor langer Zeit am Wikingerufer in Sicht, allerdings ohne Uferweg. Vor kurzem sind nun etliche Bauzäune entfernt worden, so dass man wieder den Uferweg nutzen kann. Zeit also, auf die vergangenen Jahre zurückzublicken und die Bauarbeiten Revue passieren zu lassen, von denen so manche im nachhinein den Ernst der Lage sehr deutlich machen. Während der Bauarbeiten gab es nämlich deutliche Absackungen der Fahrbahn des Wikingerufers zu beobachten, die halbe Fahrbahn musste im Nachgang neu gepflastert werden. Diese Absackungen sind immer dann entstanden, wenn in der Linie der alten Uferwand, die ja bekanntlich auf morschen Holzspundwänden stand und hinter der sich durch die Auswaschungen des Spreewassers Hohlräume gebildet hatten, die neuen Bohrpfähle, die das Fundament der neuen Uferwand bilden, eingebracht worden waren. Über diese statischen Probleme ist auf MoabitOnline schon berichtet worden (hier und hier), so dass es an dieser Stelle nicht wiederholt werden muss.

Bild 1

Die Absackungen, aber auch die Länge der Bohrpfähle, zeigen sehr deutlich, dass die alte Uferwand in statischer Hinsicht eine tickende Zeitbombe war – sie war schon zu ihren Bauzeiten falsch bemessen worden. Die großen Bäume der ersten Reihe wirkten da noch zusätzlich wie ein schwerer Tresor, den man an die Außenkante seines Balkons stellte. Man könnte sagen, dass die Arbeiten zur Herstellung der Bohrpfähle das Versagen der alten Uferwand simuliert haben – allerdings hatte die Baugrubensicherung schlimmeres verhindert.

[Bild 1] Die provisorische Ufersicherung in Form einer Spundwand und einer Sandhinterfüllung ist zu einer Art Damm aufgeschüttet worden, die Stahlträger für die Baugrubensicherung liegen bereit, im Hintergrund werden diese Träger hinter der alten Uferwand mit einem Großbohrgerät (der „Bagger“), eingebracht. Der „Damm“ ist notwendig, um ein Wegkippen der schweren Baumaschine zu verhindern. Die Länge der Träger ist deutlich größer als die Einbindetiefe der alten Uferwand, obwohl es sich dabei nur um ein zeitweiliges Provisorium handelt. Diese Träger sind landseitig hinter die alte Uferwand eingebaut worden, um von der Wasserseite die alte Uferwand abreißen und die neue aufbauen zu können.

Bild 2

 

 

[Bild 2] Der obere Teil der alten Uferwand wird abgerissen, die vorher eingebrachten Träger sind dahinter sichtbar. September 2019.

 

 

 

 

 

Bild 3

 

 

[Bild 3] Zwischen die Stahlträger werden Bohlen eingeschoben, diese sogenannte Trägerbohlwand ist die Baugrubensicherung für die folgenden Arbeiten. Die „Lappen“ sind ein Schutzvlies, auch zum Schutz der Wurzeln. September 2019.

 

 

 

Bild 4

[Bild 4] Mittels dieses Bohrgerätes werden Zuganker gesetzt, die die Trägerbohlwand (Baugrubenwand) sicher rückverankern, damit die Baugrubenwand nach dem Wegbaggern des „Dammes“ nicht in die Spree kippt. November 2019.

 

Bild 5

[Bild 5] Mittels eines Großbohrgerätes werden die Bohrpfähle hergestellt, die das endgültige Fundament der neuen Uferwand bilden. Sie überschneiden sich und bilden damit eine sogenannte Bohrpfahlwand. Dabei werden die Röhren nacheinander drehend in den Boden gebohrt und anschließend mittels Spezialgreifer der Boden innerhalb des Rohres entfernt. In das leere Rohr wird dann ein sogenannter Bewehrungskorb (das runde „Drahtgeflecht“) eingestellt und das ganzes unter gleichzeitigem Ziehen des Rohres ausbetoniert. Das direkt vor dem Großbohrgerät liegende Stahlträgergebilde (links im Bild) ist die „Bohrschablone“, um die einzelnen Bohrpfähle korrekt einbringen zu können. August 2020.

Bild 6

 

 

 

 

[Bild 6] Der Bohrer hat deutlich sichtbar die vermoderten Reste der alten Holzspundwand zutage gefördert, das Ganze ist mit Wasser und Schlamm durchsetzt. Auf diesem „Fundament“ stand also die alte Uferwand … Die Senatsverwaltung hatte bei einem ihrer Vorträge die von den Tauchern gemachten Aufnahmen der maroden Spundwand gezeigt. August 2020.

 

 

 

 

 

 

Bild 7

[Bild 7] Und hierbei passierte es: Die Trägerbohlwand sackte stellenweise ab und das Pflaster der Fahrbahn riss auf. Auf dem oberen Bild (November 2019) ist die Trägerbohlwand noch gerade, auf dem unteren (April 2020) hat sie schon eine „gewellte“ Form.

 

 

 

 

Bild 8

 

 

[Bild 8] [Bild 9] Diese Schäden zogen sich das ganze Wikingerufer entlang. Setzungen sind bei Gründungsarbeiten zwar nie auszuschließen, normalerweise halten sie sich aber in Grenzen, zumal bei der gewählten Baumethode keine baubedingten Hohlräume entstehen und der ausgebohrte Bereich wieder mit Beton gefüllt wird. Wenn aber schon Hohlräume vorhanden sind, dann kollabiert das nicht mehr gegebene Gleichgewicht im Untergrund vollends. April 2020. Diese drei Bilder zeigen mit großer Deutlichkeit die Alternativlosigkeit der Sanierung der Uferwand!

Bild 9

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 10

 

 

 

 

[Bild 10] Im Größenvergleich zum Großbohrgerät, aber auch zu den Menschen (kurze Maßlinie) erkennt man die Länge des sogenannten Bewehrungskorbes (lange Maßlinie) und damit die Länge des Bohrpfahles, der das Fundament für die neue Uferwand darstellt. Nur die oberhalb der Maßhilfslinie sichtbaren „Drähte“ bleiben während der Bauzeit noch sichtbar und werden in den die eigentliche Uferwand tragenden Betonbalken und dessen Bewehrung (das Moniereisen) miteinbezogen. September 2020.

 

 

 

 

 

 

 

Bild 11

[Bild 11] Auch die neuen Fundamente werden mit Zugankern gegen Kippen gesichert, allerdings sind diese weitaus länger und kräftiger als diejenigen der Trägerbohlwand. Oktober 2020.

 

 

Bild 12

[Bild 12] Sehr schön sind die freigelegten Köpfe der Bohrpfahlwand und die schrägen Zuganker zu sehen, links davon befindet sich die verbreiterte Basis für den später sichtbaren Teil der neuen Uferwand. Sowohl die senkrechten „Drähte“ als auch die Enden der Zuganker werden in den durchgehenden Tragbalken einbetoniert. Erinnert sei daran, dass der gesamte Untergrund im alten Urstromtal der Spree von Ablagerungen und Schlammschichten geprägt ist und damit einen ungünstigen Baugrund darstellt. Dieser Bereich geht weit über den heutigen Fluss hinaus. Die Risse in der Fahrbahn des Wikingerufers befinden sich in etwa dort, wo die alten Betonklötze der Verankerung der alten Uferwand lagen. Nach heutigem Wissensstand der Bodenmechanik hätten sie einen Einsturz der Uferwand nie verhindern können, sobald die unter Wasser befindliche Holzspundwand versagt hätte. Spätestens mit diesen letzten Bildern des heutigen Aufwandes zur Fundamentierung der neuen Uferwand in einem schlechten Baugrund sollte also jedem klar sein, dass – so schön die Bäume der ersten Reihe auch waren – sie nicht zu retten gewesen wären. Sie hätten vor allem aus statischen Gründen dort nie gepflanzt werden dürfen. April 2021.

 

 

Bild 13

[Bild 13] Auch auf diesem Bild ist der erhebliche Aufwand– auch an Baustahl – zu sehen, um eine standsichere Uferwand zu bauen. Man beachte auch die parallel zur Uferwand unter dem „Drahtgewirr“ sichtbaren kräftigen Bewehrungsstähle, die die einzelnen Bohrpfähle miteinander verbinden. Juni 2021.

 

Bild 14

 

[Bild 14] Anhand der sich nach oben verjüngenden dunklen Stelle an der Schalung in Bildmitte kann man sozusagen als Negativform die spätere Uferwand ablesen. In diesem Bereich ist auch eine der späteren Ausstiegstreppen im Bau zu erkennen. Sie dienen der Sicherheit, damit sich ins Wasser gefallene Personen retten können. September 2021.

 

 

 

Bild 15

[Bild 15] Eines der vielen Felder der neuen Uferwand. Auch hier ist der große Aufwand für die Bewehrung zu erkennen. Da Beton keine Zugkräfte aufnehmen kann, sondern nur Druckkräfte, müssen die Zugkräfte durch den Baustahl aufgenommen werden. Beton und Stahl zusammen bilden dabei ein sowohl Zug- als auch Druckkräften gewachsenes Bauwerk. August 2021.

 

 

[Bild 16] Die fertig betonierte neue Uferwand – noch ohne ihre Vorsatzschale. Zu ihrer Fixierung sind die oben sichtbaren viereckigen Aussparungen vorhanden. Oktober 2021.

 

 

 

 

 

Bild 17

[Bild 17] Eines der letzten Elemente der Vorsatzschale wird eingesetzt und mit Mörtel hinterfüllt. Diese Elemente sind mit einer die alte Uferwand imitierenden Struktur im Werk vorgefertigt worden. Sie entsprechen dem Aussehen der alten Uferwand, denn auch sie bestand aus – weitaus dünneren – Betonplatten, in die „Steinfugen“ eingeritzt waren. November 2021.

 

 

Bild 18

[Bild 18] Zum Vergleich sei hier ein Bild der alten Uferwand gezeigt: Kaum Baustahl und dieser auch als sogenannter Glattstahl, ohne die heute üblichen Rippen (Rippenstahl), die der besseren Verankerung des Stahles im Beton dienen. Damals hielt man zum Teil Abstände von zehn und mehr Zentimetern zwischen jeweils nur einzelnen Stählen für ausreichend und hatte sie auch nur in einer Richtung eingebaut – keine Baustahlmatten wie heute. Die Wand war nicht stärker als die Stahlträger, und nur diese waren mit zu kurzen Ankern statisch unwirksam rückverankert. Von diesen waren etliche wie im ersten Artikel über das Wikingerufer beschrieben auch noch gerissen. Wie eingangs geschildert: In statischer Hinsicht angesichts des verfaulenden Fundamentes eine tickende Zeitbombe. September 2020.

An diese Arbeiten schlossen sich das lagenweise Verfüllen und Verdichten des Bereiches hinter der neuen Uferwand an, abschnittsweise wurde dabei die Trägerbohlwand zurückgebaut. Anschließend wurde die Fahrbahn des Wikingerufers wiederhergestellt und die Uferpromenade neu angelegt. Dabei gibt es einen „kleinen“ Unterschied zur alten Uferwand: Folgte sie der Höhenlinie des Wikingerufers, so hat die neue eine einheitliche Höhe. Dies führt zu den unterschiedlichen Höhen der Wand zur Promenade. Während der Großteil der Promenade schon begehbar ist, fehlen noch die Stützwand mit Geländer (das alte Geländer war schon vor vielen Jahren so durchgerostet, daß es umgehend entfernt werden und durch einen langweiligen Stabmattenzaun ersetzt werden mußte) und die beiden Wege am Torbogen an der Gotzkowskybrücke sowie der Bereich um die Dampferanlegestelle in Höhe Wullenweberstraße.

Bitte zum Vergrößern auf die Bilder klicken!

Text, Bildbeschreibungen und Photos: Andreas Szagun

4 Kommentare auf "Land in Sicht!"

  1. 1
    Moabiterin says:

    Hier wird eine Sandaufschüttung am Gerickesteg diskutiert. Wer weiß da mehr?
    https://nebenan.de/feed/37141572
    … um zur Diskussion zu kommen, auf „alle 7 Antworten anzeigen“ klicken!

  2. 2
    Andreas Szagun says:

    Da ich kein Teilnehmer von nebenan.de bin, kann ich über den Inhalt der dortigen Diskussion nur spekulieren, ich nehme aber an, daß es sicht um das große Projekt Uferwandsicherung handeln könnte:
    Die Sandaufschüttung gehört zu den Sicherungsmaßnahmen, wie sie auch am Wikingerufer betrieben worden sind und derzeit ihm gegenüber auf Charlottenburger Seite sowie auch am Hansaufer und am gegenüberliegenden Schleswiger Ufer vorgenommen worden sind. Prinzipiell treten dort die gleichen Probleme auf wie am Wikingerufer (siehe die beiden Links in der Einleitung), Unterschiede bestehen in der Höhe der Uferwände und damit in der statischen Belastung. Mittlerweile kann man dort die alten Beschriftungen „Achtung Unterwasserspundwand“ kaum noch lesen. Auch an anderen Uferwänden in Moabit, z.B. am Charlotenburgher Verbindungskanal, werden die Uferwände saniert. SenMVKU hat dazu einen eigen Internetseite eingerichtet:
    https://www.berlin.de/sen/uvk/mobilitaet-und-verkehr/infrastruktur/wasserbau/uferwaende/spree-oder-wasserstrasse/
    Das Wikingerufer war im Prinzip die Blaupause, nach der – örtlich abgewandelt – die Sanierungen betrieben werden. Im 18. und weit ins 19. Jahrhundert waren die Uferwände sozusagen „ehrlicher“, da sie auch oberhalb der Wasserlinie sichtbar aus Holz bestanden, was auf zeitgenössischen Darstellungen gut zu erkennen ist.

  3. 3
    Jürgen says:

    Auch ich bin kein Teilnehmer von nebenan.de – schätze aber, dass die Vermutung von Andreas Szagun zutrifft.
    Bereits Anfang 2024 (ab ca. Februar / März) wurden im Bereich des Helgoländer Ufer lange Metallstützen am Rand des Ufers als Sicherungsmaßnahmen in den Spreegrund getrieben, weil die Spundwand des Ufers unterspült ist.
    Die von Andreas verlinkte Internetseite der Senatsverwaltung zum „Neubau der Uferbefestigung der Spree-Oder-Wasserstraße“ zeigt in der Bilderstrecke u.a. ein Foto der problematischen Uferwand am Helgoländer Ufer und in einer Karte zum Stand der Sanierungsarbeiten im Dezember 2023 „Sicherung“. Bis zur Fertigstellung einer sanierten Uferwand wird es nach den Erfahrungen der bisher sanierten Bereiche sicherlich noch einen längeren Zeitraum andauern.

  4. 4
    Moabiterin says:

    … und auf den Sandaufschüttungen gehen die Leute auch schon spazieren. Gut zu sehen vom Wullenwebersteg aus, entlang des Hansaufers z.B.

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