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Der Otto-Weidt Platz – Moabits kleiner BER

Otto-Weidt-Platz, Dezember 2020

Geplant war seine Fertigstellung für 2018.
Doch ein kurzer Blick auf den Kalender zeigt, dass das nicht mehr realistisch ist.
Der Otto-Weidt-Platz, der zentrale Platz im Herzen der Berliner Europacity, ist ständig im Wandel, nur fertig wird er nicht. Die Geschäfte am Platz kämpfen um Kundschaft, die sich aufgrund der Dauerbaustelle und der damit verbundenen fehlenden Aufenthaltsqualität nur spärlich blicken lässt. Zwei Restaurants haben schon wieder geschlossen.

Warum also ist der Platz noch nicht fertig?
Ich hatte dazu über die Online-Plattform „FragDenStaat.de“ eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt und mich mit der zuständigen Mitarbeiterin vom Senat vor Ort getroffen. Die Gründe sind, wie so oft, vielfältig.
Im Vergleich zu den umliegenden Bauten, die vergleichsweise schnell hochgezogen wurden, wird der Otto-Weidt-Platz von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (vormals Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt) gebaut. Die Arbeiten am Platz wurden in drei Bauabschnitte aufgeteilt und separat ausgeschrieben. Hierzu zählen die Brücke, die neue Freitreppe zum Wasser auf Moabiter Seite und der restliche Platz inklusive des Brunnens.

## Boden
Zunächst einmal wurde schon zu Beginn der Bodenarbeiten festgestellt, dass ein Großteil des Bodens, der früher industriell genutzt wurde, kontaminiert ist. Das hat den eigentlichen Baubeginn stark verzögert. Die Auswirkungen konnte man auf der Baustelle ganz gut verfolgen. Die ersten Arbeiten begannen im Frühling 2019 – ein Jahr nach der geplanten Fertigstellung. 2020 wurde der Boden großflächig ausgehoben, abtransportiert und dann mit neuem Boden wieder aufgefüllt. Das hat bei 10.000 m² einige Zeit in Anspruch genommen.

Eröffnung Golda-Meir-Steg, Dezember 2021

## Die Brücke
Bevor große Teile des Platzes bebaut werden konnten, musste zunächst die Brücke fertiggestellt sein. Der nun endlich fertige “Golda-Meir-Steg” hatte sich aber stark verzögert. Es wurde mangels Bietern insgesamt dreimal ausgeschrieben, bis sich endlich eine Firma für die Umsetzung gefunden hatte. Dies hat schon mal für eine jahrelange Verzögerung gesorgt. Allerdings hatte die dann beauftragte Firma (wiederum eine andere) hier sehr zügig und mit viel Personal von morgens früh um 7 bis abends 18-19 Uhr gearbeitet.

## Der Brunnen
Grob in der Mitte des Platzes ist das Herzstück geplant, der Wasserbrunnen aus Granit. Das Problem hierbei war laut Senat, dass dieser in China gefertigt wurde und sich auch stark verzögerte. Das wiederum lag daran, dass der Platz europaweit ausgeschrieben werden musste. Der günstigste Bieter, der den Zuschlag bekommen hat, hat den Brunnen nach China untervergeben. D.h., hier hatte der Senat keinen direkten Einfluss auf die Ausführung. Die Qualität der Arbeit sollte in China vor Ort überprüft werden, was wiederum durch die Corona-Pandemie nicht stattfinden konnte. Diese Überprüfung wurde dann nachgeholt und natürlich wurden Mängel festgestellt, die von der dortigen Firma behoben werden mussten.

Otto-Weidt-Platz, Oktober 2022

Dann folgte ein baulogistisches Problem, was die Weiterarbeit am Platz verhinderte. Auf dem östlichen Teil des Platzes lagerten die Materialien u.a. für den Bereich rund um den Brunnen. Dieser Bereich konnte aber nicht bebaut werden, da der Brunnen durch schweres Gerät (wie z.B. ein großer Kran) zu seinem Bestimmungsort gebracht werden muss. Dies hätte alles beschädigt, was schon in der Umgebung des Brunnens gebaut wurde, wie z.B. bereits gepflasterte Wege.

Die Brunnensteine wurden schließlich Mitte 2023 geliefert, unter 10-fach so hohen Transportkosten. Zu den Kosten später mehr. Der Einbau erfolgte bis Ende 2023. Dann passierte wieder einmal nichts.
Auf Nachfrage gab die Senatsverwaltung bekannt, dass nun die um den Brunnen laufende Entwässerungsrinne eine Maßanfertigung sei und Maß erst nach Zusammenbau der Brunnensteine genommen werden konnte. Die umliegende Rinne ist nun verbaut und die Pflasterarbeiten haben begonnen.

## Die Freitreppe
Die große Freitreppe, die die Promenade am Kanal verbindet, liegt aktuell einsam, eingezäunt und in nacktem Beton da. Hier ist auch wieder eine andere Firma zuständig. Diese wartete lange auf den Granit für die Treppenstufen. Laut Senat gab es weltweit Lieferschwierigkeiten für Naturstein. Deshalb sollte zeitweise sogar der optisch minderwertigere Betonwerkstein verwendet werden. Glücklicherweise konnte nun doch Granit beschafft werden. Dieser wurde Anfang 2024 geliefert und lagert nun ebenfalls auf der Fläche des zukünftigen Platzes – und blockiert somit erneut den Weiterbau.
Die Belegung der Treppe sollte eigentlich schon Mitte Juni beginnen, aber wieder hat es sich verzögert. Mittlerweile wurden auch hier die Arbeiten wieder aufgenommen. Es wurde eine Beschichtung aufgebracht und die ersten Granitplatten an ihren Platz befördert.

Otto-Weidt-Platz, Mai 2023

## Kosten
Laut Senat lagen die ursprünglich geplanten Baukosten bei ca. 15 Mio. € (ohne die Brücke), durch die lange Verzögerung ergaben sich bis jetzt ungefähr 1,5 Mio. € (also 10 %) höhere Kosten, was für Berliner Verhältnisse fast noch im Rahmen liegt.
Die Kostentragung wird laut dem Senat hart verhandelt, hier wird von Fall zu Fall entschieden. Wenn die ausführende Firma für die Kosten verantwortlich ist (wie z.B. bei dem Brunnen aus China), dann muss diese auch die Kosten tragen. In anderen Fällen (Verzögerung durch fehlende Auftragnehmer bei der Brücke) wird der Steuerzahler dafür aufkommen müssen.

## Baufirma
Zufrieden ist die Senatsverwaltung mit der aktuellen Baufirma nicht. Hier hat es wohl mit anderen Firmen (Ausführung der Brücke und der umliegenden Pocketparks) deutlich besser geklappt. Das sieht man auch als Anwohner. Im Vergleich zum Bau der Brücke wird auf dem Platz seltener, kürzer und mit weniger Personal gearbeitet. Wochenlang passiert gar nichts, dann trifft man auf ganze zwei Arbeiter auf dem Platz, die an den Pflastersteinen arbeiten. So dauern Arbeiten, die auf dem privaten Nachbargrundstück des Weidt-Park-Corner eine Woche dauern, schon mal drei.

Otto-Weidt-Platz, September 2023

## Die Aussicht
Laut Senat ist die Fertigstellung bis Oktober 2024 geplant. Allerdings sind solche Aussagen mit Vorsicht zu genießen. In den letzten Jahren wurde der Fertigstellungstermin immer wieder um ein Jahr nach hinten verschoben, fast so wie wir es von der Baustelle des Flughafens BER kennen.
Um es im Sinne des damaligen Flughafenchefs Mehdorn zu sagen: Der Platz wird fertiger und fertiger.

Die Europacity erhält oft Schelte aufgrund langweiliger Fassaden und fehlenden Lebens. So beschwerte sich die Berliner Zeitung in einem inhaltslosen Artikel im Mai 2024 über die Petunien-Pyramide des italienischen Restaurants am Platz. Doch viel Leben findet aktuell noch in den Innenhöfen statt. Hier gibt es Nachbarschaftsgrillabende, Kinderfeste, Weihnachtssingen und andere Aktivitäten, von denen man als Außenstehender wenig mitbekommt. Zudem sind noch nicht einmal alle Gebäude und Wohnungen im Quartier fertiggestellt.

Ein Wohnquartier vom Reißbrett, kann das funktionieren? Wenn man sich beliebte und belebte Plätze, z.B. im Prenzlauer Berg, anschaut, so wurden diese auch damals am Reißbrett für die wachsende Bevölkerung in Berlin geplant. Nur hatten diese 100 Jahre Zeit, sich zu dem zu entwickeln, was sie heute sind. Auch wenn die Architektur langweilig und uninspiriert sein mag, so wurde sich stadtplanerisch an dem Erfolgskonzept der anderen Plätze in Berlin orientiert. Es gibt einen zentralen Platz mit (hoffentlich bald) entsprechender Aufenthaltsqualität, es ist an der Hauptstraße und am Platz Einzelhandel sowie Gastronomie vorgesehen, zur Straße und zur Bahn hin gibt es Büros, in den ruhigeren Bereichen dann Wohnungen. Alles im selben Gebäude.

Geben wir der Europacity doch also noch etwas Zeit. Es wird sich zeigen, was das Quartier kann oder auch nicht kann, sobald einmal alles, auch der Otto-Weidt-Platz, fertiggestellt ist. Und wenn nicht, dann wohnen wir mitten in Berlin am Wasser und fahren mit der Straßenbahn in den Prenzlauer Berg oder wo immer es uns auch hinzieht.

Text und Fotos: Jan Wedel

4 Kommentare auf "Der Otto-Weidt Platz – Moabits kleiner BER"

  1. 1
    H. E. says:

    Die Europacity war und ist aus meiner Sicht von Beginn an zum Scheitern verurteilt, weil es zu wenige Wohnungen, viel zu viele Büros und in den Erdgeschossen entlang der Strassen kaum kleinteilige Gewerbeflächen gibt und weil der Hauptbahnhof nicht nur Bahnhof sondern auch Einkaufszentrum ist. Hinzu kommt, dass es noch nicht einmal Sozialwohnungen und damit auch keine preiswerten Wohnungen für weniger verdienende Berliner gibt.
    Aus diesen Gründen kann kein städtisches Leben entstehen, wie wir es aus alten Berliner Kiezen kennen und wie wir es uns wünschen. Insgesamt kommt das soziale Miteinander zu kurz, das Bedingung für ein lebens- und liebenswertes Quartier ist.
    Berlin kann leider nicht nur nicht bauen sondern es kann auch keine Stadtentwicklungs- und Regionalpolitik !!

  2. 2
    Pavel says:

    Die heute so geliebten Gürnderzeitgebäude sind nichts anderes als gleichartige, schnell hochgezogenen „Investorenarchitektur“. Berlin, wie wir es heute kennen, wurde quasi in 30 Jahre erbaut. Wenn heute derart „brutal“ alles mit „Mietskasernen“ zugebaut würde, wäre der Aufschrei groß. Die Kieze waren auch nicht divers, sondern ziemlich homogen. Arbeiterviertel hier. Bürgerviertal da.

    Das Europaviertel ist nicht meins. Aber richtig ist, man muss dem Viertel und den Bewohnern Zeit geben. Da wohnen Menschen. Sie können nichts dafür, dass der Senat nicht darauf achtet, dass Sozialwohnungen gebaut werden und dass sie sich höhere Mieten leisten können. Ihnen abzusprechen, aus ihrem Viertel ein lebens- und liebenswertes Quartier machen zu können, ist anmaßend.

    Ob und wenn ja, welchen Einfluss das Europaviertel auf Moabit hat, wird sich zeigen. Eins ist jedenfalls klar: Beide werden bis auf weiteres Nachbarn sein. Für die Zukunft wäre es daher doch wünschenswert, wenn die Nachbarn aus dem Europaviertel mit der M10 nicht (nur) Richtung Prenzlauer Berg, sondern (auch mal) Richtung Turmstraße fahren und die „echten“ Moabiter nicht nur am Spreeoben, sondern (auch mal) am Spandauer Schifffahrtskanal spazieren und einen Cafe am Otto-Weidt Platz trinken gehen.

  3. 3
    H. E. says:

    @ Pavel
    Was man als Moabiter in der Europacity soll, ist mir ein Rätsel, hat doch Moabit all‘ das, was die Europacity nicht hat.
    Den Bewohnern der Europacity wünsche ich, dass sie oft in die alten Stadtviertel wie Moabit, Charlottenburg und Prenzlauer Berg kommen, um den dortigen menschlichen weil kleinteiligen Massstab und die Lebendigkeit der Kieze zu geniessen.

    Die Bewohner der Europacity bedaure ich. Sie fühlen sich wahrscheinlich in ihren Wohnungen und in den Höfen wohl, aber im öffentlichen Raum dürfte dieses wohl kaum der Fall sein, fehlt doch dort das städtische Leben und Flair, das auch heute noch viele der alten Stadtteile wie Moabit auszeichnet.

    Die Immobilieninvestoren der Europacity sind m. E. typisch für den heutigen ausgeuferten Immobilienkapitalismus. Als die typischen Berliner Wohnungsaltbauten vor rund 120 Jahren entstanden, waren die Grundstücke an den Strassen 25 bis 30 Meter breit und umfassten nicht ganze Blöcke mit Kantenlängen von 100 Metern und mehr wie heute. Damals waren die Bauherren einzelne Bürger, die ihr Geld in ein oder auch zwei in der Regel fünf Etagen hohen Häusern angelegt haben und nicht den grösstmöglichsten Gewinn machen wollten. Sie wollten und konnten nicht wie die heutigen Immobiliengesellschaften rund um einen Block auf 400 Metern Länge die gleichen Wohnungen und die gleiche eintönige Fassade mit möglichst vielen gleichen Fenstern produzieren.

    Wie klein vor 120 Jahren die Grundstücke und Baustellen waren, sieht man auch daran, dass die Fassaden der Altbauten ca. alle 30 Meter wechseln. Dieses kann man noch heute bei genauem Betrachten sehen, auch wenn heute leider vielfach der Stuck fehlt, weil er nach dem Krieg aus unterschiedlichen Gründen abgeschlagen wurde.

  4. 4
    Pavel says:

    @H. E.

    Ich glaube, um die Bewohner der Europacity müssen wir uns keine Sorgen machen. Man kann sicher darüber streiten, ob die Architektur der Europacity ein „echtes“ Kiezleben ermöglicht. Von vorneherein ausgeschlossen ist das aber nicht. Dass in Friedrichshain und PBerg die vielen Ladenflächen zu Restaurants, Bars, Cafes und Boutiquen werden, hat vor 120 Jahren niemand so geplant. Wer weiß also, was die Menschen aus der Europacity in den nächsten Jahrzehnten machen.

    Die Gründerzeit wird jedenfalls ziemlich verklärt. Von wegen die Bauherren waren einzelne Bürger, die ihr Erspartes angelegt haben. Das klingt so, als hätten sich damals Bürger wie du und ich zusammengetan und gemeinsam Mehrfamilienhäuser gebaut. Das mag es gegeben haben, war aber nicht die Regel. Die Gründerzeit war Turbo-Kapitalismus. Die Bauherren waren vor allem Menschen, die durch die Industrialisierung schnell zu sehr viel Geld gekommen sind. Viele stammte aus dem Adel, weil die zwar ihre Privilegien verloren hatten, aber trotzdem gut ausgebildet waren, über Kapital verfügten und die entsprechenden Verbindungen hatten; das hilft, wenn man eine Fabrik gründen will.

    Aber ja, auch „normale“ Bürger schafften den Aufstieg. Ähnlich wie während des E-Commerce Booms in den 2010er Jahren ist aber nur ein absolut geringer Bruchteil der Menschen wirklich reich geworden. Der Rest hat vom allgemeinen Aufschwung profitiert (oder auch nicht); hat aber sicher keine Mehrfamilienhäuser gebaut, sondern wurde in Mietskasernen mit zwei oder drei Hinterhöfen „eingepfercht“, in die Fabrik zum Arbeiten „geschickt“ und hat die Reichen, noch reicher gemacht.

    Es stimmt, dass damals kleinteiliger gebaut und viel Stuck an die Fassaden „geklatscht“ wurde. Das war aber vor allem den begrenzten technischen Möglichkeiten und einer anderen Ästhetik geschuldet (Stuck ist übrigens relativ günstig, man kann davon ausgehen, dass damals einige Architekten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, angesichts dieser „billigen und kitschigen Fassadengestaltung“). Ändert aber nichts daran, dass viele Gründerzeit-Gebäude schnell hochgezogene Investoren-Mietskasernen waren; das gilt insbesondere für Arbeiterviertel wie Moabit.

    Heute finden wir die Altbauten schön. Mögen die Patina. Das Kleinteilige. Den Stuck. Bis in die 70er Jahre in Westdeutschland und bis in die 90er Jahre in Ostdeutschland sah man das aber noch ganz anders und als die Dinger neu waren, waren sie in erster Linie überbelegte, hellhörige und dunkle Rendite-Maschinen.

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