„Lebens_linien“ im Quadrat
Diptychen von Bert Loewenherz zu Portrait und Hand in der Heilandskirche
„Das Leben ist in Farbe, aber Schwarzweiß ist realistischer.“ Bert Loewenherz steht zu dem Ausspruch des Regisseurs Sam Fuller. Denn in den 1990er Jahren verfolgte auch er diesen Realismus und fotografierte ausschließlich in schwarz-weiß. Die in der Heilandskirche ausgestellten Großfotografien sind Teil eines Werkzyklus, in dem Loewenherz nur mit Diptychen, zweiteiligen Bildwerken gearbeitet hat.
Herr Loewenherz, die zwölf Diptychen bestehen aus jeweils einem Portrait und einer Hand der dargestellten Person. Wie sah der Schaffensprozess aus?
BL: Der Fokus lag zuerst auf der Portraitsitzung, weil das Portrait sehr viel schwieriger ist. Ich bin ein gnadenloser Fotograf, wenn es darum geht, nicht nur ein Abbild dieses Menschen zu schaffen, den ich fotografiere, sondern es geht mir immer auch darum, einen bestimmten Moment zu finden in meinem Gegenüber, wo auch ein gewisses Strahlen da ist. Ich suche Entspannung in den Gesichtern. Ich suche den Moment, wo der Mensch loslässt.
Und die Hand, welche Vorgaben gab es da?
BL: Wie die Portraitierten die Hände halten, ist sehr stark unbewusst. Wenn ich Sie jetzt bitten würde, die Hand zu heben, wie sähe das bei Ihnen aus?
Diese Hand (er weist auf ein Bild) ist zum Beispiel die Hand eines der berühmtesten Jazzmusiker unserer Zeit, Gunter Hampel. Er spielt Klarinette und hat wahnsinnig große Hände und vor allem wahnsinnig bewegte Hände. Er spielt auch Klavier und da ist das für ihn normal, so wie er die Hand hält. Das ist aber für jeden anders. Und das ist so spannend, dass man eben gar nicht weiß, dass ein anderer das anders macht.
Wie wichtig ist Ihnen bei der Auswahl der Bilder die Darstellung von Diversität?
BL: Meine Arbeit ist von vornherein dem Menschen gewidmet. Ich habe nie etwas anderes gemacht. Ich habe immer nur Menschen fotografiert. Es ist jetzt nicht so, dass ich ganz genau abmesse, habe ich genauso viele Frauen wie Männer und andere Charaktere, aber Diversität ist mir schon sehr wichtig. Mir war es wichtig es soziologisch ausgeglichen zu halten: jüngere Leute, Leute im mittleren Erwachsenenalter und Leute im schon etwas fortgeschrittenen Erwachsenenalter. Weil ich gesehen habe, dass mir die Älteren in dieser Serie fehlten, habe ich noch mal zwei Tage mein Studio in einem Altenheim aufgeschlagen.
Hat das den Titel der Ausstellung beeinflusst? Warum haben Sie Ihrer Ausstellung den Titel Lebens_linien gegeben?
BL: Weil sich das Leben eines Menschen auch in seinen Linien zeigt und weil ich mich tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt sehr stark mit esotherischen Dingen beschäftigt habe, mit Astrologie, aber eben auch mit der Handlesekunst, beziehungsweise eben, was die Linien der Hände bedeuten. Und die Lebenslinie ist ja eine der zentralen Linien in unserer Hand.
Sie soll den Weg aufzeigen, den man im Leben einschlagen wird. Welchen Weg haben ihre Bilder genommen? Wurden die Lebens_linien schon in Berlin ausgestellt?
BL: Nein, die Bilder sind in Berlin noch nie ausgestellt worden. Die Bilder wurden ausgestellt in Prag in der Galerie U Recickych und im Heidelberger Schloss auf der Foto Art Heidelberg. Ich habe mit ihnen auch auf Wettbewerben Preise gewonnen, den Hasselblad Fine Art Award zum Beispiel und den Kodak Portrait Preis.
Wie sind Sie auf die Heilandskirche als Ausstellungsort aufmerksam geworden?
BL: Ich wohne seit fast 40 Jahren in Moabit und gehe in letzter Zeit wieder sehr gerne in Kirchen. Ich bin vermutlich durch einen Zufall hier in die Heilandskirche gekommen und habe die Ausstellung gesehen, die hier war, und war dann auf drei Vernissagen im letzten Jahr, weil mich das einfach sehr interessiert hat und weil die Heilandskirche ein sehr schöner Ausstellungsort ist, ein besonderer Ort, ein Kulturort auch. Und, das gebe ich zu, weil ich in den letzten Jahren viel mit meinen Arbeiten unterwegs war und ich einfach irgendwann mal irgendwo in der Nähe meiner Wohnung ausstellen wollte.
Interview: Martina Knoll, Foto: Thorsten Knoll
Die LEBENS_LINIEN sind zu besichtigen in der Heilandskirche, Thusnelda-Allee, Berlin|Moabit bis zum 10. Juli 2024 mittwochs (12-18 Uhr) und samstags (13-15 Uhr).
Zuerst erschienen im Gemeindemagazin Evangelisch in Tiergarten, Ausgabe Juni-Juli 2024, S. 4