Hier lebe ich. Hier wähle ich. Symbolwahl 2024
Am 9. Juni 2024 finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. In Mitte finden vom 21. bis 27. Mai zusätzlich die Symbolwahlen für Menschen ohne Wahlrecht statt. Eine einführende Informationsveranstaltung in der Fabrik Osloer Straße fand schon gestern statt. Bereits seit 2017 organisiert „Demokratie in der Mitte“ mit dem Bezirksamt Mitte eine Symbolwahl.
Worum geht es bei der Symbolwahl?
Die Mitglieder des Europäischen Parlaments werden für die nächsten fünf Jahre gewählt. Die gewählten Abgeordneten bilden dann sieben Fraktionen, gestalten und beschließen neue Gesetze. Viele Themen sind aktuell, wie die zahlreichen Wahlplakate auf den Straßen uns zeigen: Soziales, Arbeit, Klima, Umwelt, Lebensmittel und Landwirtschaft.
Die Entscheidungen, die im Europäischen Parlament getroffen werden, beeinflussen unser Leben in Europa, in Deutschland, in Berlin-Mitte und in Moabit. Apropos „unser Leben“. Wahlberechtigt sind nur EU-Staatsangehörige, unsere Gesellschaft umfasst aber viel mehr Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Berlin beziehungsweise in Europa haben. Laut dem Amt für Statistik Berlin Brandenburg liegt der Anteil der Einwohner:innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in Berlin bei 24,4 Prozent (Stand 31.12.2023). Davon haben 60,7 Prozent eine europäische Staatsangehörigkeit; der Rest (39,3 Prozent) sind Menschen aus den sogenannten Drittstaaten und Menschen, die staatenlos sind.
In Mitte dürfen 93.000 Menschen nicht wählen
Im Mitte sind es zirka 93.000 Menschen, die am 9. Juni nicht wählen dürfen. Das ist knapp ein Drittel der Einwohner*innen unseres Bezirks. Für Betroffene bedeutet die Verweigerung dieses Grundrechtes ein Weniger an Mitbestimmung und Teilhabe in der deutschen Gesellschaft. Jene Gesellschaft, die häufig Zuwanderer:innen Integrationsverweigerung vorwirft. Wie sieht es aber mit der Teilhabebereitschaft einer Gesellschaft aus, in der das aktive und passive Wahlrecht nicht an die Wahl des Wohnortes, sondern an die Staatsbürgerschaft geknüpft ist? Auf diesen Ausschluss wollen wir aufmerksam machen, die Betroffenen unterstützen und über das Thema ins Gespräch kommen.
Das Recht zu wählen und damit mitzubestimmen, welche Parteien Regierungsverantwortung erhalten, ist ein hart erkämpftes Grundrecht in einer demokratischen Gesellschaft. In Deutschland bestimmen die Artikel 20 und 28 des deutschen Grundgesetzes das Wahlrecht, wonach die politische Macht vom Staatsvolk ausgeht. Wer aber zählt alles zum Volk? Und was bedeutet die Kopplung der Wahlberechtigung an die deutsche Staatsbürgerschaft und nicht an den Wohnort?
Der Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit war und bleibt mit hohen Hürden verbunden, auch nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Eine Einbürgerung kann erst nach acht Jahren Aufenthalt beantragt werden, zudem ist ihr Erhalt mit Kosten, Zeit- sowie Kraftaufwand verbunden und für Migrant:innen und ihre Kinder an Bedingungen geknüpft, die für Deutsche nicht gelten. Mit dem Maastricht Vertrag wurde 1992 das Wahlrecht auf kommunaler Ebene für EU-Staatsangehörige eingeführt und dann 1994 in der EG-Richtlinie 94/80 festgelegt. Warum wird dieser Gleichbehandlungsgrundsatz nicht auf Drittstaatenangehörige ausgeweitet?
Wahlen sind in einer Demokratie das wichtigste Element der Mitbestimmung und Teilhabe. Bürger*innen können durch ihre Stimme ihre Meinung sichtbar machen und die Zusammensetzung der Parlamente beeinflussen. Aber viele Berliner*innen dürfen nicht wählen, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Im Bezirk Mitte betrifft das für die Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl über ein Drittel der wahlfähigen Bevölkerung. Auch bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung in Mitte sind über ein Viertel der Einwohner*innen noch immer ausgeschlossen, weil sie staatenlos oder Drittstaatenangehörige sind. Für viele der Betroffenen bedeutet das, von politischen Prozessen, die ihr Leben direkt betreffen, ausgeschlossen zu sein.
Weltweit gibt es vier Länder, die Menschen ohne Staatsangehörigkeit die Wahl auf nationaler Ebene ermöglichen. Seit 1975 schon dürfen in Neuseeland alle Einwohner*innen, die eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung haben, wählen. Ebenso ist es Ausländer*innen in Chile, Uruguay und Malawi gestattet, auf nationaler Ebene zu wählen. In einigen Ländern ist Ausländer*innen die Wahl auf kommunaler Ebene gestattet. Wie würde sich die Ausweitung des Wahlrechts auf alle Einwohner*innen Europas auf die Akzeptanz europäischer Politik auswirken?
Für die Symbolwahl vom 21. bis 27. Mai gibt es 20 Wahllokale in Mitte, in denen die Stimmen abgegeben werden können – mit unterschiedlichen Öffnungszeiten und auch nicht alle sind jeden dieser Tage geöffnet (Liste der Wahllokale herunterladen, pdf). Hier gibt es eine Wahlkabine für alle über 16 ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Ganz unten findet Ihr die Zeiten und Orte der Moabiter Wahllokale. Die Wahlen finden frei und geheim statt, die Stimmen werden gesammelt und ausgezählt und das Ergebnis in einer Pressekonferenz am 29. Mai durch Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) bekannt gegeben.
Liste der Moabiter Wahllokale:
- 21.05. – 16:00 bis 19:00 Uhr – Karame e.V., Kiez Machen Moabit, JMD im Quartier – Am Unionplatz vor der Union-Sporthalle, 10551 Berlin
- 21.05. – 15:00 bis 18:00 Uhr – Kiez Machen Moabit – Stephans – Der Nachbarschaftstreff, Stendaler Straße 9, 10553 Berlin // Mobiles Wahllokal
- 21.-24.05.+ 27.5.- jeweils von 14:00 bis 16:00 Uhr – Quartiersmanagement Moabit Ost, Wilsnacker Straße 34, 10559 Berlin (nicht am Wochenende!)
- 23.05. – 10:00 bis 20:00 Uhr- Jugendmigrationsdienst des CJD, Sickingenstraße 20–28, 10553 Berlin // Im Innenhof bei “Mega” rechts Tür, dann Treppe hoch, wir sind in der Zwischenetage
- 23.05. – 16:00 bis 19:00 Uhr – Karame e.V., Kiez Machen Moabit, JMD im Quartier – Am Ottopark, Ottostraße 5, 10555 Berlin // Mobiles Wahllokal
- 23.05. – 16:00 bis 18:00 Uhr – Kiez Machen Moabit, Zillesiedlung, 10557 Berlin // Mobiles Wahllokal
- 24.05. -08:00 bis 16:00 Uhr – Lotsenprojekt »die brücke«, Beusselstraße 80, 10553 Berlin
Teile des Artikels sind übernommen aus dem Weddingweiser.