Verborgene Schönheit: das Gebiet um das Poststadion
Ein Rundgang mit Margaretha Seels vom Stadtplanungsamt Mitte
– von Gerald Backhaus –
Was das Stadion mit seiner überdachten Zuschauertribüne und Sitzgelegenheiten auf der Gegengerade bis zu 10.000 Menschen mit der benachbarten Rollsportanlage, Sport- und Ruderhalle, fünf Fußball-Trainingsplätzen mit Kunstrasen, Skater- und Tennisanlage, Kletterzentrum, einem Street-Work-Park, einer Minigolf-Anlage und dem Fritz-Schloß-Park gemeinsam hat? All das gehört zum SportPark Poststadion, in dem sich auch das Stadtbad Tiergarten und nebenan das Vabali-Wellness Spa befinden.
An einem sonnigen kalten Tag Ende April treffen wir uns im Eingangsbereich des Poststadions. Margaretha Seels sitzt schon auf einer der neuen Holzbänke und freut sich sichtlich darüber, was hier in den letzten Jahren alles gestaltet wurde, von den Bänken über Baumscheiben und die restaurierten historischen Kassenhäuschen bis hin zu einem neu verlegten „barrierearmen“ Gehwegpflaster. Ganz barrierefrei ging es nicht, merkt sie an, weil man hier sonst mit dem Denkmalschutz und der notwendigen Straßenbreite kollidiert wäre. „Lange Zeit war dies hier der Rangier- und Abstellplatz der Baufahrzeuge für die verschiedenen Baustellen auf dem Gelände. Deshalb wurde er erst zuletzt umgestaltet“, erklärt sie. Mit dabei hat die Stadtplanerin eine Mappe mit historischen Fotos, die sie gern bei ihren Führungen durch das Poststadion und den angrenzenden Fritz-Schloß-Park dabei hat. Wir konzentrieren uns auf das Areal des Poststadions. Aus einiger Entfernung sieht und hört man Geräusche von der Skateranlage, die an diesem Vormittag von vier oder fünf Leuten genutzt wird, an Nachmittagen hingegen ist es hier richtig voll. Was auffällt, sind die zahlreichen Poller in Form von Stäben oder als kreisrunde Steinplatten. Sie sind zwar nicht schön, verhindern aber das wilde Parken von Autos, berichtet Margaretha Seels. Weiter hinten gibt es eine Schranke, die nur Berechtigte passieren dürfen. Einige Motorisierte müssen ja auf das Gelände fahren können, z.B. die Trainer mit ihren Sport-Utensilien und die LKWs zur Wäsche-Belieferung für das Vabali Spa.
Margaretha Seels brennt für das Gebiet
Die gebürtige Charlottenburgerin hat Stadt- und Regionalplanung studiert und lebt im Wedding. Nach ihrem Studium arbeitete sie zunächst in der Privatwirtschaft und wechselte 2011 ins Stadtplanungsamt von Mitte. Dort betreute sie anfangs soziale Infrastrukturplanungen genauer gesagt die stadtplanerische Flächenvorsorge für die soziale und grüne Infrastruktur und erarbeitete gemeinsam mit den anderen Fachverwaltungen die ersten Bezirksregionenprofile. 2013 übernahm sie die Aufgabe, das Fördergebiet Nachhaltige Erneuerung (damals Stadtumbau) zu koordinieren. Dieses Gebiet wird noch bis 2025 gefördert, d.h. dass bis dahin Fördergelder beantragt werden können, die dann über fünf Haushaltsjahre bis Ende 2029 in Projekten verbaut werden. Margaretha Seels gestaltet im Fördergebiet der Nachhaltigen Erneuerung vor allem Grünflächen und Sportanlagen um, weil das im „SportPark Poststadion“ der Schwerpunkt ist. Als eine Art Projektmanagerin entwickelt sie gemeinsam mit Akteuren vor Ort Ideen und stimmt diese mit den jeweiligen Fachämtern wie Sportamt, Jugendamt und Grünflächenamt ab. Unterstützt wird sie dabei vom Planungsbüro S.T.E.R.N. Zu ihren Aufgaben zählt auch die Information der Bevölkerung, z.B. durch Führungen wie am „Tag der Städtebauförderung“. Margaretha Seels organisiert auch Beteiligungen, bringt als Stadtplanerin alle zusammen und kümmert sich um die Organisation.
Freitreppe ins Nichts?
Warum führt die große Freitreppe, die den Eingangsbereich des Areals begrenzt, eigentlich ins Nichts? Dazu holt Margaretha Seels etwas aus. Das Gebiet zwischen Lehrter und Rathenower Straße und zwischen Invaliden- und Perleberger Straße war einst das größte preußische Militärgelände. In der Mitte befand sich ein riesiger Exerzierplatz. Auf einem Teil davon wurde in den 1920er Jahre das Poststadion gebaut. Es war damals das größte Stadion Berlins. Zu der Mustersportanlage des 1924 gegründeten Postsportvereins, der rund 3.000 Mitglieder hatte, gehörte das Hauptstadion mit der Aschenbahn für die Leichtathletik, vielen Rängen mit Stehplätzen und dem Tribünengebäude mit 3.000 Sitzplätzen. Insgesamt fanden bis zu 45.000 Zuschauer hier Platz. Die heutige Treppe ist erst in den 1950ern oder später entstanden. Man kann sich den Ansturm richtig vorstellen, wenn man die Menschenmassen auf den historischen Fotos betrachtet. Einige der Ränge wurden vor kurzem von all dem wild gewucherten Grünzeug freigeschnitten.
Die spannende Geschichte des Poststadions
Bis zur Eröffnung des Olympiastadions 1936 war das Poststadion die wichtigste und modernste Sportstätte von Berlin. Kurios mutet es an, dass es heute kaum jemand außerhalb von Moabit kennt, was vor allem an der geringen Sichtbarkeit durch die umgebende Bebauung liegt. In den 1920ern und 30ern fanden hier nicht nur wichtige überregionale Fußballspiele statt, sondern auch Boxkämpfe, für die 30.000 Zuschauerplätze auf verbundenen Stuhlreihen im Hauptstadion aufgebaut wurden. „Damals war Boxen wichtiger als Fußball“, so Margaretha Seels, der die Historie des Areals sehr am Herzen liegt, weshalb die großen Schautafeln nahe der Kletterhalle zu ihren Lieblingsprojekten gehören. 1935 boxte Max Schmeling hier, und 1936 war das Poststadion ein Austragungsort der Olympischen Spiele. Durch das Olympiastadion verlor es allmählich an Bedeutung. Ab 1961 lag es durch den Mauerbau dann in einem toten Winkel, und durch den geplanten Autobahnbau („Westtangente 78“) gab es hier keine Investitionen mehr. So kam es, dass das Gelände in einen Dornröschenschlaf fiel.
Seine Wiedererweckung begann um das Jahr 2005 herum mit der Vorbereitung eines Konzeptes für die künftige Gestaltung und Nutzung. Zu den ersten Maßnahmen, die in die Praxis umgesetzt wurden, zählten die Überdachung der Rollsportanlage aus den 1950er Jahren und die Instandsetzung des Tribünengebäudes. Margaretha Seels berichtet auch über die seitdem verbesserte Sichtbarkeit durch die anfangs orangenen heute grünen Eingangsstelen rund um den SportPark Poststadion und durch die Übersichtstafeln an den Haupteingängen. Eine Querung des Areals (Döberitzer Grünverbindung) wurde ausgebaut und für 2025/26 ist die Umgestaltung des letzten Abschnittes vor dem Stadtbad Tiergarten geplant.
Konkrete Fragen auf der Skateranlage
Wo sich die Skateranlage befindet, war früher ein Parkplatz für Autos. Um die Dominanz des Fußballs auf dem Gelände des Poststadions etwas zu brechen und andere Sportarten hier zu verankern, wurde die Idee des 1. Berliner Skateboardvereins aufgegriffen und nach einem Beteiligungsverfahren schließlich in die Tat umgesetzt. Rund 900.000 Euro hat der Bezirk Mitte dafür investiert. 2018 wurde die Anlage vor einer Mauer hin zum ehemaligen Frauengefängnis, die auch als Lärmschutzwand fungiert, fertig gestellt. Seitdem wird sie sehr gut angenommen. Auch an diesem Vormittag sind hier ein paar Leute mit ihren Rollbrettern unterwegs. Prompt wird Margaretha Seels angesprochen, zuerst von einer Frau in mittleren Jahren und einem Skateboard unter dem Arm. Sie bedankt sich, als sie erfährt, dass die Stadtplanerin an der Entstehung des Skateanlage mitgewirkt hat und regt die Reparatur von Rissen im Betonboden an. Außerdem beklagt sie, dass es zu wenige Toiletten in der Umgebung gibt. Ein etwa zehnjähriger Junge auf dem Fahrrad erkundigt sich danach, wer wir sind, und möchte wissen, wie man es anstellt, dass ein Skaterplatz auch in anderen Parks entstehen kann. Margaretha Seels erklärt ihm geduldig, dass es dafür Aufrufe zu Beteiligungsverfahren gibt, bei denen er mitmachen kann.
Viel los auf den Freiflächen
Neben der Ruderhalle angekommen, zeigt sie auf die Wildblumenwiese, auf der unter dem Motto „essbare Stadt“ vier Apfelbäume gepflanzt wurden. Lange Zeit befand sich an dieser Stelle ein Erdhügel, der durch den Aushub bei einer anderen Baumaßnahme entstanden war. Dann ging das Geld aus, so dass der Hügel eine Weile bestand, bevor dann dort die Rasenfläche eingerichtet werden konnte. Heute befindet sich hier auch eine Luftpumpe für Fahrradreifen, die fest verankert und hoffentlich vor Vandalismus und Diebstahl gefeit ist.
Am imposanten Tribünengebäude aus den 1920er Jahren erklärt Margaretha Seels, dass zwischen dem Gebäude und den Fußballplätzen für rund 25.000 Euro ein Calisthenics Park gebaut wurde, an dem man Kraftsportübungen machen kann. Gepflegt wird er von den Sporttreibenden. Nur ein Jahr dauerte es von der Überzeugung der Politik von diesem Vorhaben bis hin zur Einweihung der Geräte. „Das war eine der ersten Anlagen dieser Art im Bezirk“, so Margaretha Seels. Generell war vom Beginn der Sanierungs- und Gestaltungsmaßnahmen auf dem Poststadion-Areal sehr viel zu tun, weil hier rund 20 Jahre lang Investitionsstau herrschte. Seit 2020 wird bei allen anstehenden Baumaßnahmen auch die Klimaanpassung mitgedacht. Doch auch wenn tolle Sachen entstehen, ist oftmals leider zu wenig Geld für deren Pflege und Instandhaltung da. Das bemerkt man an der Freifläche zwischen der Ruderhalle und der Kletterhalle. Sie wurde 2013 besonders für die Nutzung durch Familien, Frauen und Kindergartengruppen gestaltet. Den Rasen hier grün zu erhalten, sei sehr schwierig, so Margaretha Seels. Das liege nicht nur am Geld, sondern auch an den heißen Sommern, in denen sich das momentan saftige Grün manchmal in eine Sandpiste verwandelt.
Außenbecken am Schwimmbad Tiergarten
Auf dem Weg zur Kletterhalle des Deutschen Alpenvereins (DAV) berichtet Margaretha Seels davon, dass rund 70 Prozent der Sporttreibenden selbstorganisierten Sport betreiben, aber öffentliche Sportflächen überwiegend Vereinen zur Verfügung stehen. Das gilt auch für die Sportanlagen des Poststadions, deshalb wurde vor allem die Einrichtung von vereinsungebundenen Sportflächen gefördert. 2012 gab es einen ersten Anlauf für das Schwimmbad Tiergarten wieder ein Außenbecken zu bauen, der leider scheiterte. Wer sich noch erinnert: das gab es vor Jahren mal ein Freibad. Es wurde irgendwann geschlossen und verfiel dann. Später wurde das Areal als Campingplatz genutzt und der wiederum musste 2012 dem Vabali-Spa weichen. Im Sommer 2025 wird nun hoffentlich das neue Außenbecken des Stadtbad Tiergartens eröffnet.
Die Kletterhalle des Deutschen Alpenvereins (DAV)
In der Kletterhalle, einem beeindruckenden modernen Gebäude, gibt es – nach der Besichtigung von Anfängerbereich und Boulderbereich im Obergeschoss – einen Kaffee auf der sonnigen Terrasse. Wem das nichts sagt: beim Bouldern bewegt man sich auf Absprunghöhe ohne Gurt und Seil an Felsblöcken in der Natur oder an künstlichen Kletterwänden. Das ist anstrengender als Klettern, weil in viel kürzeren Routen anspruchsvolle Probleme mit dynamischen Zügen geknackt werden müssen. Margaretha Seels ist hier im Haus durch ihre Führungen gut bekannt. Sie hat sich auch schon selbst beim Klettern versucht und ihrer Kinder wegen einen Sicherheitsschein gemacht. Doch inzwischen geht ihre Familie lieber Wandern und macht Hüttentouren.
Von Niederschlagsmanagement und Versickerungsmulden
2020 wurde die DAV-Kletterhalle in der Folge von Starkregen überflutet. Das geschah unter anderem, weil das Wasser auf dem benachbarten Fußballplatz wegen des Kunstrasens nicht abfließen kann. In der Folge baute der DAV am Zaun Versickerungsmulden. Sogenanntes „Niederschlagsmanagement“ ist ein wichtiges Thema, so die Stadtplanerin Margaretha Seels. Auch im Fritz-Schloß-Park, der nach Regenfällen früher oft voller großer Pfützen war, wurden aus diesem Grund die Wege etwas erhöht, um das Regenwasser besser seitlich der Wege versickern zu lassen. Und im Moabiter Kinderhof – auf den Kauf seiner Fläche durch das Bezirksamt ist Margaretha Seels stolz – wird eine Zisterne gebaut. Dadurch kann das dort anfallende Regenwasser gleich vor Ort für die Bewässerung des Gartens genutzt werden.
Was in Zukunft auf diesem Areal in Moabit passieren wird?
Ein Schwerpunkt wird der Eingangsbereich des Fritz-Schloß-Parks in der Rathenower Straße 16, wo demnächst bezahlbarer Wohnraum entstehen soll. Dieser Zugang zum Park soll barrierefrei gestaltet werden. Dafür wurden 1 Mio. Euro beim Förderprogramm Nachhaltige Erneuerung beantragt. Im Jahr 2026 soll er fertig werden.
Öffentliche Führung am 13. Mai 2023
Wer sich für all die spannenden Details zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft von Poststadion und benachbartem Fritz-Schloß-Park interessiert, dem sei die Führung von Margaretha Seels am Sonnabend, dem 13. Mai 2023, empfohlen. Das ist der „Tag der Städtebauförderung“, an dem ihre Behörde zusammen mit dem Quartiersmanagement Moabit-Ost ab 13 Uhr an Ständen im Eingangsbereich des Poststadions anzutreffen sein wird. Die Führung beginnt dort um 14 Uhr.
Kontakt zu Margaretha Seels im Stadtentwicklungsamt:
margaretha.seels[ätt]ba-mitte.berlin.de
Mehr zur Geschichte des Poststadions:
http://sportparkpoststadion.de/informationen/geschichte
Gastautor (Text & Fotos): Gerald Backhaus 2023, Bildunterschriften: Jürgen Schwenzel
zuerst veröffentlicht (mit noch mehr Bildern) auf moabit-ost.de