Jugendberatungshaus sos.mitte in der Paulstraße 4
Das Gebäude steht unweit der großen Kreuzung mit dem wohlbekannten Moabiter Gefängnis. Gegenüber befindet sich ein Kindergarten. Auffällig sind die überstehenden Wohnungen in Form eines spitzen Dreiecks. Dieses architektonische Detail ist nicht zu übersehen, wenn man mal nach oben schaut. Ansonsten kann man das Jugendberatungshaus sos.mitte leicht übersehen, weil es im Erdgeschoss eines Wohnhauses untergebracht ist. Die Sichtbarkeit wird sich jedoch bald durch mehr Außenwerbung verbessern, freut sich Nicole Schwarz, die hier als Coach arbeitet: „Wir werden Werbung mit Folien auf unseren Fenster anbringen und unsere Fahrradständer aufstellen.“ Allerdings muss sie dafür erst eine Genehmigung vom Straßenamt bekommen, da das als Sondernutzung des Bürgersteigs gilt. Auch am alten Standort im Zillehaus war die Einrichtung beim ersten Besuch nicht so leicht zu finden. „Damit uns die Jugendlichen nicht zu lang suchen müssen, habe ich ihnen im Vorfeld sogar ein Video gesendet, damit sie sehen können, wo genau sie lang laufen müssen bis zu unserer Tür“, erinnert sich Nicole Schwarz.
Jugendcoach, Beraterinnen und ein Fallmanager vom Jobcenter
Lange gab es keinen Alternativstandort für das Jugendberatungshaus sos.mitte, bevor der Träger SOS-Kinderdorf dann die leerstehende Gewerbeeinheit mit rund 120 qm Fläche in der Paulstraße fand. Ende Januar 2021 ist die siebenköpfige Truppe aus der Rathenower Straße dann hierher gezogen. Mit dabei sind neben Nicole Schwarz, die wie eine weitere Kollegin als Jugendcoach arbeitet, vier Jugendberaterinnen und ein Fallmanager vom Jobcenter, der sich um Jugendliche kümmert, die Geld vom Jobcenter bekommen, sich also „im Leistungsbezug“ befinden. Nicole Schwarz sagt: „Wir betrachten uns als Anwälte der Jugendlichen.“ Das bedeutet, dass ihre Beratungsangebote komplett freiweillig, vertraulich und kostenlos von den Interessierten genutzt werden können.
Viel mehr als reine Berufsberatung
Was willst Du beruflich machen? Wie ist Dein Plan? Mit Fragen wie diesen unter Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation der Jugendlichen bleiben Nicole Schwarz und ihre Kollegin länger dran an den Jugendlichen und begleiten sie bis zu einem Jahr lang, und das auch nach außerhalb. Auftraggeber der Angebote im Jugendberatungshaus sos.mitte, das vor über 15 Jahren seine Arbeit aufnahm, ist das Jugendamt von Berlin-Mitte auf der Grundlage von § 13.1 SGB VIII. Während das Jugendschutzgesetz die Altersspanne der Zielgruppe die Altersgruppe von 14 bis 27 Jahre definiert, ist die Hauptklientel im Jugendberatungshaus zwischen 17 und 22 Jahre alt. Die Themen, um die es neben der reinen Berufsberatung geht, sind vielfältig. Sie reichen von Problemen im Elternhaus und Schulden über alle Dinge, die mit dem Auszug aus einer Jugend-WG zusammenhängen, bis hin zum Schulabschluss, der nachgeholt werden soll, und zu den verschiedenen Möglichkeiten, das Sprachniveau zu verbessern. „Das bedeutet, dass ich auch mal jemanden zur Volkshochschule begleite“, illustriert das Nicole Schwarz. „Generell gucken wir uns hier alles an“. Darüber hinaus ist sie auch Ansprechpartnerin für Eltern, Lehrkräfte sowie für alle Akteure, die am Übergang von der Schule ins Berufsleben mitwirken.
Computerarbeitsplätze für die Jugendlichen und mehrere Beratungsräume
Während unseres Interviews sind einem Zimmer gerade zwei Jungs im Teenageralter mit einer Beraterin an einem der zwei Computerarbeitsplätze beschäftigt. Ansonsten ist es pandemiebedingt recht leer in den Räumlichkeiten, die neben dem Arbeitsbereich für Jugendliche drei Beratungsbüros für Einzelberatungen, ein Zimmer für den Jobcenter-Fallmanager und einen Konferenzraum beinhalten. Viele der Möbel hier sind neu, berichtet Nicole Schwarz und zeigt auf bequeme Polstersitze: „Die haben wir mit dem Umzug angeschafft.“ Angeregt durch die notwendige räumliche Veränderung wurde intern auch über eine Veränderung des Konzeptes nachgedacht. Man überlegte, Beratungssituationen und Büroarbeitsplätze voneinander zu trennen. Schließlich entschied man sich jedoch dagegen und blieb beim bisherigen Konzept, so dass auch in der Paulstraße in jedem Beratungsraum ein Büroarbeitsplatz steht. „Das ist unter anderem deshalb gut, weil wir im Zuge einer Beratung immer mal etwas ausfüllen oder zeigen müssen, und dann können wir das gleich zusammen am Rechner tun.“
Beratung vor Ort und online
Öffnungszeiten zum spontanen Vorbeikommen gibt es nicht, sondern geplante Vorort-Gespräche nach vorheriger Terminvereinbarung per Telefon oder E-Mail. Zwar gibt es auch Beratungschats, aber gerade in Zeiten von wenigen Sozialkontakten und (zu) vielen Online-Terminen schätzen die Jugendliche es sehr, dass sie zu einem 1-zu-1-Gespräch hierher kommen können. „Wir sind da!“ so Nicole Schwarz.
Künftig direkt hin zu den jungen Leuten mit ambulanten Angeboten
Wie die jungen Leute von diesen Angeboten erfahren? Die meisten durch Mund-zu-Mund-Propaganda untereinander. Empfehlungen gibt es aber auch von allen, mit denen das Jugendberatungshaus sos.mitte zusammenarbeitet. Das sind Schulen, Jugendfreizeiteinrichtungen, Arbeits-, Sozial- und Jugendämter, Bildungsträger sowie die freien Träger der Jugendhilfe. Eng kooperiert wird auch mit der Jugendberufsagentur in der Lehrter Straße, die eine noch intensivere Begleitung von einzelnen Jugendlichen im Fokus hat. Und natürlich vermissen Nicole Schwarz und ihr Team die örtliche Nähe zu anderen Einrichtungen wie dem Zilleklub am alten Standort. Im Januar 2023 geht’s voraussichtlich dorthin zurück. Unabhängig davon wird geplant, künftig mehr ambulante Abgebote aufzubauen, was bedeutet, dass das Beratungs- und Coaching-Team direkt in Jugendeinrichtungen geht wie jetzt bereits in die Oase in der Wallstraße. „Dadurch können wir noch niedrigschwelliger an die jungen Leute herantreten.“
Kontakt:
Jugendberatungshaus sos.mitte, Paulstraße 4, 10557 Berlin, Beratungstelefon: 030 330993 630 (Mo-Fr 10-16 Uhr), E-Mail: jugendberatung-mitte@sos-kinderdorf.de
Text und Fotos: Gerald Backhaus
Zuerst erschienen auf der Webseite des Quartiersmanagements Moabit-Ost zum Umbau des Zille-Hauses und die Ausweichquartiere der drei Einrichtungen.