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„Tiergarten Blues“ – Lesung in der Dorotheenstädtischen Buchhandlung

Vor zwei Monaten las Bettina Kerwien bei herrlich warmem Sommerwetter in dem wunderbaren Lesegarten der Hansabibliothek aus ihrem neuen Kriminalroman „Tiergarten Blues„. Diese Woche am Freitag kommt sie in die Dorotheenstädtische Buchhandlung. Der Roman spielt im Jahr 1980 und ist als 36. Band in der Krimireihe des Jaron VerlagsEs geschah in Berlin“ erschienen. Gestartet ist diese Reihe 2007  mit einem Fall aus dem Jahr 1910 – mit Horst Bosetzkys „Kappe und die verkohlte Leiche“ vor dem Hintergrund des Moabiter Kohlenarbeiterstreiks. Die fiktiven Kriminalfälle sind in reale historische Berliner Ereignisse einbettet. Für jedes zweite Jahr ist ein Band erschienen, eine Gemeinschaftsproduktion verschiedener Autor*innen. Es soll sich um die am längsten laufende Krimireihe handeln.

Schon vor einigen Jahren hat die Ex-Moabiterin Bettina Kerwien unseren Ortsteil mit ihren actionreichen Krimis „Märzwinter“ und „Mitternachtsnotar“ anschaulich in Szene gesetzt. Aber erst 2019, mit dem 33. Band, ist Bettina Kerwien eine Autorin der Reihe „Es geschah in Berlin“ geworden. Aus „Au revoir, Tegel“ las sie in der Bruno-Lösche-Bibliothek – lang erwartet nach der Corona-Lesepause. Der Kriminalfall spielt 1974, dem Jahr der Eröffnung des Flughafens Tegel. Wenngleich der Titel eher auf die baldige Schließung desselben Flughafens anspielen könnte, ergibt sich aus dem Verlauf der Geschichte eine völlig andere Erklärung.

„Tiergarten Blues“ spielt vor dem Hintergrund des spektakuären Einsturzes des südlichen Dachteils der Kongresshalle am 21. Mai 1980. Das Geschenk Amerikas zur Internationalen Bauausstellung galt als Westberliner Wahrzeichen und Symbol der deutsch-amerikanischen Freudnschaft. Die friedliche Freizeitatmosphäre mit Müttern in Frühjahrskostümen und Kleinkindern, die sich am Regenbogen der Fontainen des einen Wasserbeckens und den Modellbooten der Ruheständler mit Schiebermüsse und Zigarette im Mundwinkel begeistern, kurz vor dem Einsturz ist autentisch beschrieben. Im Roman wird Jürgen Prosch, Koch des Kongresshallenrestaurants, von den herabstürzenden Betonteilen erschlagen, nachdem er wieder zurück ins Gebäude stürzte um den Gashahn abzudrehen. Der eigentliche Kriminalfall spielt im Oktober 1980, während das Gutachten zur Schadensursache verhandelt wird. Zunächst wird eine abgeschlagene Hand gefunden, wenige Tage später erst der dazu passende Tote, der einen alten DDR-Pass dabei hat.

Peter Kappe, Kriminalkommissar in dritter Generation, und Kollegen ermitteln in alle Richtungen: Ist es ein Racheakt des Bruders von Jürgen Prosch, der beim Gaststättenbedarf in dem kleinen zweigeschossigen Häuschen an der Turmstraße arbeitet? Ist das Ingenieurbüro, das mit dem Gutachten beschäftigt ist und schon an der damaligen Baugenehmigung mitgearbeitet hat involviert und wie hängt das alles mit einem jungen Studenten und seiner Freundin, einer Prostituierten zusammen? Der Kommandant des Amerikanischen Sektors will den Fall an sich reißen. Schließlich hatten die Amerikaner auf der Ausführung des Spannbetonbauwerks bestanden und die westdeutsche Politik war mit im Bunde. Während ein Berliner Statiker die Konstruktion nicht freigeben wollte. Und schließlich ist der Tote aus den USA angereist. Ein Glück, dass Sonderermittler US-Major Bukowski nicht nur den Blues liebt, sondern auch Kappes neue Kollegin Roswitha Habedank.

Mit viel Humor und spritzigen Dialogen wird die Atmosphäre der späten 1970er und 1980er Jahre mit Hausbesetzungen und Alternativszene in Westberlin lebendig. Die politischen Diskussionen strahlen aus – selbst Behördenmitarbeitende sind kritscher geworden. Musikstücke, beliebte Kneipen und Diskotheken machen das Zeitkolorit aus. Aber auch das Lebensgefühl in einer Mietskaserne am Baumschulenweg im Ostteil der Stadt wird überzeugend geschildert. Der große Tiergarten mit Moabit werden als Orte des Geschehens lebendig und außerordentlich kenntnisreich beschrieben. Nur bei Kleinigkeiten bin ich da nicht ganz sicher: Wurde die Notübernachtung in der Lehrter Straße wirklich bereits 1980 betrieben? Und welche gelbe Backsteinfabrik existierte in der Paulstraße?

Wer sich mit der Geschichte von Kongresshalle und Haus der Kulturen der Welt genauer vertraut machen will, kann in den „Erinnerungen an 50 Jahre Kongresshalle“ stöbern. Ein schönes Projekt, mit dem Erinnerungen und Fotos aus der Bevölkerung gesammelt und zugänglich gemacht wurden, wie diejenigen von Hartmut Dach oder Ahmet E. Çakir.

Bei der Lesung in der Hansabibliothek habe ich auch gleich den 1976 spielenden Band der Autorin „Tot im Teufelssee“ gekauft, obwohl er gar nichts mit Moabit zu tun hat und er hat mir sogar noch besser gefallen. Das Thema: Debatte über Frauenrechte und Reform des § 218.

Lesung aus „Tiergarten Blues„: 23. September 2022, 20 Uhr (Einlass: 19:30 Uhr), Dorotheenstädtische Buchhandlung, Turmstraße 5

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