Auf den Spuren eines Kunstwerks
Was hat es mit der Skulptur zweier Kinderfiguren im Kleinen Tiergarten auf sich?
Folgender Brief erreichte uns [die ecke turmstraße] per Post, beigelegt waren Kopien von Fotos einer Skulptur. Dazu schrieb uns Doris Shambu aus der Huttenstraße:
Sehr geehrte Redaktion,
anbei sende ich Ihnen ein paar Kopien von Fotos und Zeilen, eventuell für das Bilderrätsel oder einen Artikel in der Bezirkszeitung zu verwenden…
obwohl viel wichtigere Aufgaben und Ausgaben auf der Liste des Bezirksamts stehen, hier eine Bitte für den Erhalt oder zur Ergänzung eines kleinen Kulturgutes im Kleinen Tiergarten, Moabit: Auf dem alten Teil des Spielplatzes am Buddelplatz steht die schon lange vernachlässigte Skulptur aus Stein, die zwei nebeneinandersitzende Kinder zeigt, zwei Hasen sitzen an ihrem Rücken. Bei meinen kurzen Aufenthalten ruhe ich manchmal auf den Bänken dort aus und hatte 2007 die Fotos gemacht. Nun sind schon 13 Jahre vergangen, der Park ist neugestaltet, und es ist rührend, das großköpfige Kinderpaar immer noch auf ihrem Sockel sitzen zu sehen, jedoch scheinbar irgendwie dem Vergessen und Verfall überlassen…
Ich weiß leider nichts von der Geschichte dieses kleinen Denkmals, wer es wohl geschaffen hat, aus welchem Stein es ist, wo der ursprüngliche Standort und was der Anlass für das Kunstwerk war. Vielleicht stammt es aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts, der Blumenkranz auf dem Kopf und die Haltung des Mädchens deuten darauf hin … Und vielleicht, weil ich auch noch aus dem vorigen Jahrhundert stamme, bin ich immer für den Erhalt von Arbeiten, die Menschen mit Liebe und Fleiß einmal geschaffen haben. Wenn es möglich wäre, das zu restaurieren, könnte es z.B. auch an einem besseren Standort sichtbarer zur Geltung kommen?
Und schließlich und zu aller Freude ein Trinkbrunnen, wie Sie sie in der letzten Ausgabe beschrieben haben!
Vielleicht gibt es an der UdK Bildhauerprojekte, die das als Studienaufgabe mitmachen könnten? Am wichtigsten bleibt natürlich die Arbeit der Gartenpfleger/innen, so dass der Park hoffentlich den Klimawandel überstehen wird…
Alles Gute wünscht Ihnen mit freundlichen Grüßen
Doris Shambu
Angeregt von diesen Zeilen, versuchten wir zu recherchieren, was es damit auf sich hatte, um die zahlreichen Fragen von Frau Shambu zu beantworten.
Die Skulptur befindet sich am Rand des Östlichen Kleinen Tiergartens, nahe der Johanniskirche. Viel ist es leider nicht, was sich in Erfahrung bringen ließ. Fündig wurden wir in der Datenbank der Seite »Bildhauerei in Berlin« (BiB). Träger ist die Hochschule für Technik und Wissenschaft Berlin – Verein für die Geschicht e Berlins e.V., gegr. 1865. Die Datenbank verzeichnet die Skulptur unter dem Namen »Puttengruppe mit zwei Hasen«. Geschaffen hat sie ein Künstler, dessen Name unbekannt ist, ebenso wie das genaue Entstehungsdatum und der ursprüngliche Kontext, in dem die Gruppe gestanden hat. Die Skulptur besteht samt dem rechteckigen Sockel, auf dem die Figuren sitzen, aus Muschelkalk. Geschätzt wird, dass das Werk Anfang des letzten Jahrhunderts entstand, noch vor dem 1. Weltkrieg, ca. um 1910. Die Verwendung des stark strukturierten Materials Muschelkalk ist charakteristisch für Reformkunst in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, heißt es dazu in der Datenbank:
»Die stark anrührende Darstellung der puttenartigen Kinder verweist noch auf den Neubarock des 19. Jahrhunderts bzw. auf Kinderdarstellung im Jugendstil. Eine Datierung auf um 1910 scheint bezugnehmend auf Materialwahl und Formulierung der Gruppe statthaft. Der Künstler der Figurengruppe ist im Umkreis des von 1896 bis 1924 amtierenden Stadtbaumeisters Ludwig Hoffmann und des vielfach im Bereich der Bau- und Brunnenplastik tätigen Georg Wrba zu suchen.«
Denkbar sei, dass »die Skulptur von einer Brunnenanlage oder einer umfangreicheren Parkgestaltung stammt. Der Kontext wird einen starken Bezug zum Thema Kinder gehabt haben.« Das würde natürlich den Standort im gestalteten Kleinen Tiergarten (der teilweise ein eingetragenes Gartendenkmal ist) und die Nähe zum Kinderspielplatz erklären, wobei nicht klar ist, ob dies auch der ursprüngliche Standort der Skulptur ist.
Die Datenbank verzeichnet auch den etwas kläglichen Zustand der Skulptur: der dargestellten Mädchenfigur fehlen inzwischen die Füße, auch wurde das Werk verschmiert und ist beschmutzt. In die Berliner Denkmalliste wurde die Skulptur nicht aufgenommen, weil es wohl als nicht zwingend denkmalwert im Sinne eines wichtigen Zeitdokuments erachtet wurde – zu dieser Zeit entstanden viele Skulpturen im ähnlichen Stil.
Ob sich nun jemand der Skulptur nach den Vorschlägen Frau Shambus annehmen möchte, können wir freilich nicht beeinflussen – aber vielleicht nimmt jemand die Anregung auf?
Text: Ulrike Steglich, Foto: Christoph Eckelt, bildmitte
Zuerst erschienen in der „ecke turmstraße„, Nr. 2 – juni 2020
Ich dachte immer, diese Skulptur wäre von Walther Schmarje, von dem u.a. auch die Gänse an der Putlitzbrücke, die Skuplturen an der Gotzkowskybrücke und die Hansekogge an der Hansabrücke stammen.