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„Ruth.Moabit“ von Anna Opel

Zum 40järigen Jubiläum der Dorotheenstädtischen Buchhandlung hat Klaus-Peter Rimpel unter anderem Moabiter Autorinnen und Autoren zu Lesungen eingeladen. Morgen, am 10. Mai um 20 Uhr liest die Moabiterin Anna Opel aus ihrem ersten Roman „Ruth.Moabit„.

Erzählt wird aus den ganz unterschiedlichen Perspektiven zweier Frauen: der Moabiterin Noemi, die nahe Alt-Moabit wohnt, und der jungen Eritreerin Rahua, die im Sommer 2015 mit vielen anderen Geflüchteten in Berlin ankommt und die Warteschlangen vor dem LaGeSo in der Turmstraße überwinden muss. Die Erschöpfung der Menschen, ihre Hoffnungen, Hilfsbereitschaft vieler Nachbarn und Nachbarinnen, aber auch die Demütigungen, die zum alltäglichen Bild gehörten, werden hier wieder lebendig. Die beiden Frauen begegnen sich, weil ein langjähriger Bekannter Noemi bittet Rahua für eine Zeit aufzunehmen im leeren Zimmer von Jule, der erwachsenen Tochter, die gerade ausgezogen ist in eine Wohngemeinschaft junger Leute und frisch verliebt. Auch Jules Perspektive nimmt einen wichtigen Platz ein, ebenso wie die von Tom, dem „untreuen“ Ehemann von Noemi.

Gleich zu Beginn des Romans erfährt Noemi von der nicht mehr therapierbaren Krebserkrankung ihrer Mutter, die in einer westdeutschen Kleinstadt lebt. Doch nicht nur dieser eine Schicksalsschlag ist zu bewältigen. Es geht um Krankheit, Unfall und Tod, Zufall oder Schicksal, Selbstbestimmung und Freiheit.

Die Handlung ist angelehnt an das biblische Buch Rut des Alten Testaments, dessen Vers „Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott der meine. Wo du stirbst, will auch ich sterben und begraben werden. Wenn etwas anderes als der Tod mich von dir trennt, soll der Zorn des Herrn mich treffen.“ Insofern wirken die vielen zufälligen oder schicksalhaften Begegnungen ein wenig konstruiert, aber das ist durchaus beabsichtigt.

Erinnerungen und Gefühle der Menschen sind in kurze Sätze gegossen – wie die Gedankenfetzen, die beim Grübeln schnell vorbeifliegen. Manches wird nur angedeutet, doch die Leserin „weiß Bescheid“, manchmal früher als die Figuren der Geschichte. Wie leben wir im industrialisierten Norden, können wir uns fragen. Warum  fügen wir uns in die beruflichen Anforderungen, selbst wenn wir den Sinn der Projekte nicht mehr sehen, wie Tom bei seiner Arbeit für die Entwicklungshilfe? Warum reagieren wir sachlich, sind „vermünftig“, lassen Gefühle nicht mehr zu oder verstecken sie vor unseren Liebsten, gegen die wir uns auch wehren müssen um individuelle Freiheiten zu verteidigen? Nur die gerade erwachsen gewordene Tochter Jule reagiert emotionaler. Ihre Eltern Noemi und Tom verstecken ihre Gefühle im Innern – einige auch vor sich selbst. Es ist ein ehrliches Buch, das Zweifel, Schuldgefühle, Selbstbetrug und Selbstrechfertigung anspricht, selbst wenn die Menschen nur manchmal eine Form finden sie offen anzugehen.

Rahua dagegen hat zunächst alle Brücken zur Heimat abgebrochen, als einzige Verbindung bleibt das Halstuch der Mutter. Sie muss sich behaupten, sie musste lernen hart zu sein auch gegen sich selbst, um nicht unterzugehen, auf ihrem langen Weg als alleinstehende Frau auf der Flucht. Ankommen in Moabit kann sie aber nicht, trotz zaghafter Freundschaft mit Noemi, der sie in schweren Situationen beisteht. Rahua zieht weiter und Noemi folgt ihr.

Die Geschichte zieht von Anfang an in Bann und lässt einen nicht mehr so leicht wieder los. Moabit ist als Ort präsent, knapp und zutreffend beschrieben ohne Schnörkel. Auch die Geschichte Moabits kommt nicht zu kurz, genial eingeflochten in die geraffte Lebensgeschichte Noemis. So sind kleine Fehler verzeihlich, wenn z.B. die Bronzebüste des Direktors des Luisengymnasiums rechts statt links im Gebüsch steht auf Rahuas Weg vom Hauptbahnhof zum LaGeSo in der Turmstraße oder das Poststadion und Schwimmbadgelände kurzerhand auf den Trümmerberg des Fritz-Schloß-Parks gelegt wird.

Lesen Sie auch die Rezension in der „ecke turmstraße„, nr. 2 – mai/juni 2019 (pdf, auf S. 9), aber nur, wenn Sie die Handlung in groben Zügen schon vorher kennen möchten, hier wird einiges mehr verraten.
Auf der gleichen Seite auch die Ankündigung des Audiowalk „“Ich war, ich bin, ich werde sein“ Rosa Luxemburg auf der Spur“ von Anna Opel und Ruth Johanna Benrath für das Mitte Museum. Die monatlichen Termine sind im Veranstaltungskalender von MoabitOnline verzeichnet.

2 Kommentare auf "„Ruth.Moabit“ von Anna Opel"

  1. 1
    Zeitungsleser says:

    Rezension in der TAZ – ganz anders:
    https://taz.de/Archiv-Suche/!5602296&s/

  2. 2
    Susanne says:

    Dieser TAZ-Artikel vom Mai 2019 über den Audiowalk Rosa Luxemburg:
    https://taz.de/Auf-den-Spuren-von-Rosa-Luxemburg/!5596472/

    Am Todestag 15. Januar findet wieder ein Audiowalk statt – die Termine für 2020 auf der Seite des Mitte Museums:
    http://mittemuseum.de/deutsch/veranstaltung/rosa-luxemburg-auf-der-spur/rosa-luxemburg-auf-der-spur.html

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