Dennis auf dem Strich
Dennis ist 16 Jahre alt und geht in Berlin auf den Strich. Der Text ist die Zusammenfassung eines Interviews mit ihm.
Ich komme eigentlich nicht aus Berlin, aber seit zwei Jahren bin ich nicht mehr Zuhause gewesen. Ich will da auch nicht mehr hin. Das war auf dem Land und ich habe auch immer Angst, dass ich hier mal gesehen werde von Verwandten oder Freunden meiner Eltern, wenn sie mal nach Berlin kommen. Oder dass die Polizei mich kontrolliert. Das ist auch schon ein paarmal passiert, aber bis jetzt konnte ich mich immer rausreden.
Hier in Berlin arbeite ich auf der Straße als Stricher. Callboy hört sich besser an oder? Ein paar Freier haben auch meine Handynummer, die rufen mich an, wenn ich hinkommen soll. Meistens arbeite ich in Moabit auf der Straße. Am U-Bahnhof Turmstraße, das ist nicht so ein offener Strich wie am Zoo oder in der Joachimstaler, sondern mehr so unter der Oberfläche. Da bin ich meistens mit zwei Kumpels, wir stehen einfach nur rum und wenn einer kommt der einen Stricher sucht, dann läuft das schon, so über Blickkontakt. Hier ist das besser als am Zoo, obwohl hier auch viele Junkies rumrennen. Aber die schaffen hier nicht an, die stehen in der Jebens oder die Mädchen auf der Kurfürsten. Hier kommen manchmal auch noch richtige Kinder her, 13, 14 Jahre oder so, nach der Schule. Die verdienen sich dann was dazu. Die meisten Freier denken auch, dass ich erst 14 bin, weil ich jünger aussehe.
Als Stricher zu arbeiten ist eigentlich kein schlechter Job, außer wenn man ein richtiges Schwein erwischt. Das gibts leider auch manchmal, manche Freier sind Arschlöcher. Aber das gehört leider dazu. Dann muss man stark sein und sich nicht alles gefallen lassen. Ich mache auch nicht alles mit, wenns sein muss, kann ich auch auf einen Freier verzichten. Die Junkies müssen jeden nehmen, die machen es auch für 10 oder 20 Euro und manchmal werden sie noch um ihr Geld betrogen. Aber was soll man machen. Ich bin froh, dass ich nicht so abgeranzt bin und so werde ich auch nie.
Eine eigene Wohnung hab ich nicht, aber das wäre schon mein Traum. Richtig cool, mit Badewanne, Whirlpool haha, amerikanischer Küche und so. Mindestens 100 Quadratmeter oder 150, da gründe ich dann eine Familie. Aber nicht hier in Moabit, sondern irgendwo am Meer in Schleswig-Holstein. Im Moment wohne ich mit zwei Kumpels zusammen in einer 1-Raum-Wohnung gleich um die Ecke. Die gehörte einem Freier, aber der ist schon seit Monaten verschwunden, irgendwo in Asien oder so. Vorher hatten wir eine leere Wohnung aufgemacht, auch hier, gleich in der Lübecker. Da sind wir aber nach ein paar Wochen rausgeflogen, weil der Hausmeister was gemerkt hat. Und davor war ich in einem Wohnheim, aber nicht so legal, hahaha. Jetzt ist es viel besser und die Wohnung ist cool.
Manchmal versucht ein Freier mich zu locken, weil ich süß bin und er mich für sich allein haben will. Aber das mache ich nicht, außer er würde mir 80 Euro für jede Stunde zahlen. Aber das kann sich keiner leisten, das sind ja über 1000 Euro am Tag, oder? Manche Freier sind ja auch ganz in Ordnung, aber ein so Idiot hat mal versucht, mich wie eine Hure zu halten. Er wollte mich zwingen und da hab ich ihm gedroht, zur Polizei zu gehen. Ich hab gesagt, dass ich erst 13 bin und er dann tierischen Ärger kriegt. Da hat er dann aufgegeben. Aber sonst ist der Job ganz ok. Mal sehen, wie lange ich das mache. Auf jeden Fall nicht mein ganzes Leben lang.
hallo dennis!
dass ich deinen bericht gelesen habe, ist purer zufall. dennoch berührt er mich sehr. ich bin selbst leicht bisexuel, gelte als optisch vorzeigbar (sorry!) und lebe in geordneten und sicheren verhältnissen.
ich wünsche dir, dass du bald deine wohnung am meer und deine familie hast. und einen krisensicheren beruf.
„Auf jeden Fall nicht mein ganzes Leben lang.“ schreibst du am schluss. dass ist natürlich voll richtig! im ersten moment habe ich aber an einen fall gedacht, von dem ich vor ein paar jahren gelesen hatte, wo ein stricher, vllt in deinem alter, von seinem freier getötet wurde. ich glaube erstochen. der wollte sicher auch nicht sein leben lang anschaffen gehen. dann wars doch so…
also, pass auf dich auf! und mache den absprung lieber zu früh als zu spät!
liebe grüße, der maron (23 jahre, köln)