Schmeckt wie Portugal
Schön ist es hier wirklich nicht. Zwischen einem hässlichen Einkaufszentrum und einer stark befahrenen Straße steht am Anfang der Putlitzstraße in Berlin-Moabit wie hingeworfen ein quadratischer Flachbau. Früher wurden hier mal Werkzeuge und Kfz-Zubehör verkauft. Jetzt gibt es dort zwar nicht alles, aber vieles, was Mittelmeer und Atlantik so zu bieten haben, und noch einiges mehr. »Delphin Fisch & Steak« nennt sich das Restaurant. Das klingt im besten Sinne puristisch – und so ist es auch. Im Mittelpunkt der Karte stehen gegrillte und gebratene Fische, dazu gibt es Salat und Brot, und wer mag, kann auch eine weitere Beilage ordern, zum Beispiel Reis, Rosmarinkartoffeln, Pommes oder Pfannengemüse.
Die Auswahl ist groß: Dorade, Sardellen, Sardinen, Wolfsbarsch, Merlan, um nur einige zu nennen. Natürlich gibt es auch Großgarnelen in diversen Varianten. Und wem die umfangreiche Karte nicht ausreicht, der kann einen Blick auf die Frischfischvitrine werfen, wo die Tagesangebote der Bestellung und Zubereitung harren. Wie der Name schon sagt, gibt es auch Steaks, aber die gibt es schließlich – anders als frischen Fisch – überall in der Stadt.
Als langjähriger Portugalfreund hatte ich es natürlich auf die gegrillten Sardinen abgesehen, die man dort ähnlich puristisch an jeder Ecke für wenig Geld bekommt. Und siehe da: Nicht nur die Zubereitung, sondern auch die Portion (vier große Sardinen nebst angenehmerweise knackigem Salat ohne Dressing-Firlefanz) und der Preis waren ziemlich portugiesisch. Die Rosmarinkartoffeln kann man sich allerdings sparen. Sie schmeckten weder nach Rosmarin noch nach irgendetwas anderem, sondern entpuppten sich als neutrale Langweiler, aber was soll’s. Es gehört ohnehin zu den ständigen Ärgernissen in der deutschen Gastronomie, dass Qualität und Zubereitung von Kartoffeln gering geschätzt werden. Die »Sättigungsbeilage« lässt grüßen. Und wenn ich schon beim Meckern bin: Die Weinkarte ist eindeutig überarbeitungsbedürftig.
Die Frischtheke habe ich leider erst nach dem Essen in Augenschein genommen, andernfalls hätte ich mir als Vorspeise bestimmt ein paar Austern gegönnt. Aber ich komme bestimmt wieder. Denn dass dieser neue Stern der einfachen, geradlinigen mediterranen Fischküche ausgerechnet in Berlin-Moabit aufgegangen ist, erhöht die Lebensqualität in diesem Kiez erheblich. Außerdem scheint es sich um ein noch weitgehend hipsterfreies Refugium zu handeln, denn diese Menschheitsplage tummelt sich inzwischen zwar auch in Moabit, konzentriert sich aber glücklicherweise auf die direkt gegenüberliegende Flaniermeile an der Birkenstraße und die aufgemotzte Markthalle. Das Ambiente Marke »Hafenromantik mit Resopal« scheint auf diese Klientel abschreckend genug zu wirken, zumal die Lärm- und Abgashölle im Außenbereich auch nicht jedermanns Sache ist. Hier geht man einfach gut und preiswert Fisch essen, denn man kann schließlich nicht ständig nach Portugal fahren.
Text: Rainer Balcerowiak, Foto: Susanne Torka
Zuerst erschienen im „neuen deutschland“ in der Rubrik „Essen fassen„: Schmeckt wie in Portugal (2017)