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Claire Waldoff Skulptur eingeweiht

Auch wenn die Berliner Woche bereits berichtet und viele interessante Einzelheiten aus dem Leben der portraitierten Sängerin dargestellt hat, wollen wir die Einweihung der Portrait-Skulptur von Claire Waldoff über dem Hauseingang der Unionstraße 8 zum Anlass nehmen, die Rede des früheren Tiergartener Bürgermeisters Jörn Jensen (Grüne) zu dokumentieren. Schon lange hat sich die Künstlerin Bärbel Rothhaar mit Claire Waldoff auseinandergesetzt. Besonders fasziniert hat sie das asymetrische Gesicht, das so gut zu ihren schrägen, frechen Liedern passt, mit denen sie in den 1920er Jahren das Publikum der großen Varieté-Bühnen begeisterte. Viele Nachbarinnen und Nachbarn aus der Mietergenossenschaft Unionplatz Tiergarten sowie Freundinnen und Freunde waren am 3. Oktober dabei, lauschten den Reden und sangen den Refrain des Liedes mit, dessen erste Zeilen das Portrait umrahmen: „Wer schmeißt denn hier mit Lehm„, das wohl bekannteste von Claire Waldoff.

Wir dokumentieren die Rede Jörn Jensens zur Einweihung der Portrait-Skulptur Claire Waldoff:

Sehr geehrte Genossinnen und Genossen, werte Anwesende, liebe Bärbel und lieber Wolfgang!

Unsere Ziehtochter hat 2011 beim Bundeswettbewerb Gesang das Lied von „Emil seiner unanständjen Lust“ gesungen und damit reüssiert. Zu schön wäre es gewesen, wenn sie heute hier dieses Lied gesungen hätte, denn Claire Waldoff – ich verwende hier einfach ihren Künstlerinnennamen, denn wenn ich von Clara Wortmann spräche, glaubten sich die meisten von Ihnen und euch wahrscheinlich im falschen Film – Claire Waldoff also hat es bei vielen ihrer Auftritte gesungen. Aber unsere Ziehtochter hat ein Engagement in Leipzig – und so müssen wir auf diese musikalische Einstimmung verzichten.

Wir weihen heute die Portrait-Skulptur von Claire Waldoff ein, die Bärbel Rothhaar geschaffen hat.

Claire Waldoff hat nie in Moabit gewohnt, noch nicht einmal in Tiergarten, sondern südlicher in Schöneberg. Aber sie hat in den meisten ihrer Lieder – etliche davon hat Kurt Tucholsky für sie geschrieben – die „Kleinen Leute“ besungen mit ihren kleinen Freuden und mehr noch mit ihren vielen Beschwernissen und Nöten. Und die lebten damals in Moabit im wahrsten Sinne des Wortes zuhauf. Der Bezirk Tiergarten hatte damals doppelt so viele Einwohnerinnen und Einwohner wie heute. Und Moabit war durch die berüchtigten Mietskasernen geprägt mit Seitenflügeln, Quergebäuden und zwei, drei Hinterhöfen. Das echte „Milljöh“ also, das Heinrich Zille gezeichnet und beschrieben hat und mit dem sich Claire Waldoff sicherlich immer wieder ausgetauscht hat, denn sie waren gut befreundet. Deshalb ist die Skulptur hier richtig und ausgesprochen passend.

Claire Waldoff hat sich als „unpolitisch“ empfunden und so weit ich das recherchieren konnte, war sie das auch – jedenfalls was die Parteienpolitik angeht. Aber auch wieder nicht ganz. Sie sang auf Solidaritätsveranstaltungen, deren Erlös den Arbeitslosen zu Gute kam, und für die Rote Hilfe. Gesellschaftspolitisch war sie auf jeden Fall engagiert und zwar auf der Seite der sozial Schwachen wie wir heute sagen. Früher war das schlicht und sehr zutreffend die Arbeiterklasse. Das konnte ja auch gar nicht anders sein bei ihren Freundschaften mit Heinrich Zille, Kurt Tucholsky und Ringelnatz und den Themen ihrer Lieder. Das waren die sogenannten „Kleinen Leute“. – Also nochmal ein Moabit-Bezug!

Zugleich liebte sie es, auf „der großen Bühne“ aufzutreten – und so sang sie auch im Großen Schauspielhaus, im Metropol, im Plaza, in der Scala, im Wintergarten und spielte auch in Operetten mit. Wegen ihrer Themen fiel sie bei den Nazis in Ungnade. Die passten nicht in die Ideologie des einen in sich geschlossenen Volkes, das seinem Führer bedingungslos folgen sollte. Sie wurde nicht verboten, erhielt aber immer weniger Engagements. Und so zog sie 1940 mit ihrer Frau in ihr Haus in Bayrisch-Gmain.

Nach der Befreiung vom Faschismus ist sie nur noch einmal nach Berlin gekommen. Um so wichtiger ist, dass jetzt hier an sie erinnert wird.

Danke Bärbel!“

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