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Der Petersburg Artspace – ein Geheimtipp

Der „Petersburg Artspace“ ist ein Geheimtipp, der sich noch kaum herumgesprochen hat. Auf dem Hinterhof des Spreeloft-Areals – einem ehemaligen Fabrikgelände am Moabiter Spreeufer – gelegen, ist die Loftetage im ersten Stock aber auch nicht gerade leicht zu finden, geschweige denn ihre Existenz von der Straße aus zu erahnen…

Alexei, der den Artspace zusammen mit seiner Frau Olga und einem Team vieler guter Freunde und Unterstützer als Ver­an­stal­tungs­raum für Kreative mit Ateliers, Probe­räumen, Bühne, offener Küche und Wohnfläche ins Leben gerufen hat, ist weit davon entfernt, diesen Umstand zu bedauern, da er bewusst auf den Reiz des Geheim­nis­vollen setzt. Aus diesem Grund hat er bislang darauf verzichtet, sich um Werbung zu bemühen: „Ich tendiere dazu, lieber etwas privater zu bleiben, weil ich glaube, dass ein Ort mit Geheim­nissen viel interes­santer ist“, vertraut er mir an. Alexei spricht leise und mit etwas gedämpfter Stimme, die das Gesagte unterstreicht.

Sucht man im Netz, findet man nur eine Facebook-Seite als Eintrag über den Petersburg Artspace. „Manchmal frage ich mich, wie die Leute uns trotzdem finden“, wundert sich Alexei, räumt aber ein, dass die Facebook-Fangruppe sehr schnell wachse. Als Insidertipp breite sich der Artspace bisher nur über die Freunde der Künstler aus und bleibe somit in der Künstlerszene, die für Alexei das wichtigste Netzwerk darstelle. Mit unserem Interview und dem Erscheinen des Artikels auf der Kultur-Plattform möchte er sich nun aber auch der Nachbarschaft in Moabit öffnen und ein kleines „Hallo“ sagen, wie er erklärt.

In Moabit und auf dem Areal des Moabiter Spreelofts fühle er sich sehr wohl, zumal die Lage direkt am Wasser den Ort einzigartig mache. „Der Fluss ist sehr inspirierend fürs Arbeiten und gut zum Entspannen. Man kann von der Hektik der Stadt Abstand nehmen und abschalten und hat viel Licht und Sonne.“ Alexei deutet auf die Wände gegenüber der breiten Fenster­front: „An der Decke entstehen Lichtspiele, verursacht durch die Reflexionen der Sonne auf dem Wasser.“ Ans Fenster gelehnt, werfe ich einen prüfenden Blick hinab in die Tiefe, die sich mir glitzernd und funkelnd, mit kleinen Wellen und Schaumkronen präsentiert. Beinahe fühle ich mich wie an Bord einer Fähre und frage mich, ob es wohl möglich sei, der schnellen Strömung der Spree und ihrer Verzweigung in weitere Wasserstraßen bis hin zu ihrer Mündung ins Meer zu folgen und weiter auf dem Seeweg bis zur Namensgeberin des Artspaces, der großen Kunst- und Kulturmetropole Petersburg, zu gelangen …

Geboren in Moskau, habe es ihn bald nach Petersburg gezogen, fährt Alexei fort, zu erzählen. In Berlin sei er seit sechs Jahren, habe davor aber auch in anderen deutschen Städten wie in Hannover, Frankfurt und München gelebt. „Für mich hat Petersburg große Ähnlichkeiten mit Berlin.“ Den Namen „Petersburg Artspace“ habe er aber auch gewählt, um eine Brücke nach Russland zu schlagen und den Austausch mit Petersburger Künstlern anzustoßen. „Am Wasser gelegen und durch Schiffe mit der Welt verknüpft, wurde Petersburg von Peter dem Großen als Fenster zu Europa gebaut“, erinnert sich Alexei an die Geschichte seines Landes. Mit dem Artspace möchte Alexei diesen Gedanken in gewisser Weise aufgreifen. „Meine Idee war, auch hier ‚Hallo‘ zu sagen, ein Fenster zu öffnen.“

Was ihn gerade nach Moabit geführt habe, möchte ich nun wissen. „Moabit interessiert mich als Ort, wo es noch nicht so viel gibt, dafür aber viel am Entstehen ist“, antwortet mir Alexei. Eine Übersättigung an kulturellen Angeboten und Szene-Bars wie in Neukölln oder Friedrichshain finde er langweilig. Allerdings berge Moabit und insbesondere die weit abgelegene Kaiserin-Augusta-Allee als Standort für einen kulturellen Veranstaltungsort auch ein gewisses Risiko, räumt Alexei ein. Zwar finde man hier noch „ein Stück natürliches Berlin“, doch sei hier auch nicht mit „Laufkundschaft“ zu rechnen.

Das bunte Programm mit verschiedenen Veranstaltungen, darunter Tanz-, Per­cussion-, Yoga-, Skizzen- und Koch-Workshops, Film­abenden, Aus­stel­lungen, Konzerten, Jams­essions sowie Per­for­mance- und Theateraufführungen läuft nun seit fast vier Monaten. Alexei und sein Team sind dabei, einen festen Rhythmus für das wöchentliche Kurs­an­gebot zu etablieren und zusätzlich neue Workshops und Programmideen zu entwickeln. Auch für Vorschläge von Außen sind sie offen und vermieten den großzügigen Veranstaltungsraum zu günstigen Konditionen. Finanziell tragen soll sich der Artspace durch die Vermietung von Atelier- und Proberäumen sowie zukünftig vor allem über eine Ferienwohnung, gedacht für Bands, Theatergruppen oder Besuchergruppen, die an der Berliner Kunstszene interessiert sind.

Als studierter Architekt hat Alexei die Ferienwohnung selbst entworfen, dafür Teile der vorgefundenen Bürostruktur aufgebrochen und komplett neu gestaltet. In der großzügig gestalteten Wohnfläche hat er diverse Hochebenen mit separaten Sitzecken und Schlafnischen eingebaut, die wie Baumhäuser oder Kojen anmuten. Unter Verwendung ausgesuchter Hölzer und offensichtlich mit viel Liebe zum Detail scheint er sich bei der Planung an der Ferienwohnung kreativ verwirklicht zu haben. Sein großes Glück sei die Gemeinschaft von Freunden und Unterstützern, die an das Projekt glauben. „Ohne deren Hilfe wäre das alles nicht möglich“, betont Alexei und gibt zu Bedenken, dass vieles nur entstehe, wenn man mit Liebe an eine Sache herangehe. Die Umbauten, die er an den Räumen vorgenommen hat, haben fast ein ganzes Jahr in Anspruch genommen. Dass er dafür viel Zeit und Geld investieren musste, nimmt Alexei gelassen hin. „Es geht nichts von heute auf morgen“, sagt er abgeklärt.

Aus der Zeit seiner kurzfristigen Mitarbeit in einem größeren Architekturbüro hat Alexei wichtige Einsichten gewonnen: „Es hat mir nicht gefallen, eine Schraube von vielen Schrauben zu sein, die du gar nicht kennst.“ Er habe erlebt, dass größere Architekturvorhaben nur für Investoren, nicht aber für die Menschen geplant würden und die Investoren meist gar nicht wüssten, für wen sie bauen, wer darin leben oder arbeiten werde. Es gehe nur ums Geld und die Planungs­regeln anstatt um die Menschen. Für Alexei seien solche Architektur­projekte vollkommen uninteressant. Er arbeite lieber mit den Menschen direkt zusammen und müsse zwar in Kauf nehmen, mehr Zeit und Energie zu investieren, erhalte dafür aber auch ganz andere Resultate. Für die meisten sei das leider zu unwirt­schaftlich „Aufgrund unseres Wirtschafts­systems ist diese Arbeits­weise fast unmöglich, jedenfalls sehr schwierig, denn keiner hat so viel Zeit“, bedauert Alexei.

Zum Glück bewege er sich ja nun nicht mehr im klassischen Architekturbetrieb. Für ihn sei der Begriff von Architektur breiter gehalten und schließe die Menschen im Raum mit ein, erklärt mir Alexei. „Mich interessieren vorrangig die menschlichen Prozesse, durch die sich Räume verändern und ihren Wert steigern.“ Alexei habe die Beobachtung gemacht, dass die Leute einen Raum und seine Einrichtung positiv wahrnehmen, wenn darin eine harmonische Atmosphäre herrsche. Wenn aber das Gegenteil der Fall und das Klima von Streit und Konflikt geprägt sei, nähmen die Leute den selben Raum und die gleiche Einrichtung als unharmonisch wahr. „Das hat nichts mit der Veränderung des Designs zu tun, sondern liegt nur an dem menschlichen Miteinander in den Räumen. Diese Wirkung finde ich sehr stark.“

Mit der Vorstellung, dass damit auch sämtliche Besucher eine tragende Rolle für die „Architektur“ des Petersburg Artspaces erhalten, beginne ich, den starken Gemein­schafts­gedanken von Alexeis Projekt zu begreifen. „Von Freunden für Freunde“ ist nicht ohne Grund das Motto auf den selbst ausgedruckten Pro­gramm­flyern, die vor Ort für die Besucher ausliegen und dazu einladen, am „Frei­raum für Kunst, Architektur, Tanzen, Performance, Theater, Film und Musik“ teilzunehmen.

Text: Sophie Westarp, Fotos: Petersburg Art Space

Zuerst erschienen auf der Plattform Kultur Mitte, im Magazin: Der Petersburg Artspace – ein Geheimtipp am 21. Januar 2018.

Petersburg Artspace, Kaiserin-Augusta-Allee 101, Aufgang II, 10553 Berlin, Facebook, Programm auf der Webseite: https://pas-berlin.org/programme/

Ein Kommentar auf "Der Petersburg Artspace – ein Geheimtipp"

  1. 1
    Susanne Torka says:

    Am 12. Juli 2023 waren wir mit einer Führung durch den Huttenkiez im Rahmen des Projekts Alt&Jung des B-Ladens hier im PAS zu Gast und sehr beeindruckt von den vielen Aktivitäten. Begeistert berichtete Wilhelm von den ganz besonderen Konzerten, die er besucht hat.
    https://moabitonline.de/events?event_id=26691&lang=de

    Das jeweilige Monatsprogramm von Alt&Jung:
    https://lehrter-strasse-berlin.net/projekte/alt-und-jung/

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