Mit Jazz in den Ruhestand
Wolfgang Golücke geht in Rente
Nach mehr als 50 Jahren wird Optikermeister Wolfgang Golücke sein Geschäft in der Turmstraße 80 schließen. Eigentlich nach mehr als 40 Jahren am Ort, denn die ersten 10 Jahre lag das Optikergeschäft in der Drontheimer Straße. Mit einem Jazzkonzert am dritten Adventssonntag (17. Dezember) verabschiedet sich der 82jährige in den Ruhestand. Von 11 bis 14 Uhr sind Nachbarn und Kunden eingeladen einem Swing-Quartett zu lauschen.
Früher organisierte der junggebliebene Jazzliebhaber regelmäßig Jazzkonzerte in seinem Brillengeschäft, das noch den gemütlichen Charme der 1970er Jahre ausstrahlt. Das letzte Jazzkonzert ist aber schon einige Jahre her.
Mit 82 seinen Laden schließen und in Ruhestand gehen, wird das nicht langsam Zeit? „Vor 10 Jahren habe ich einen Nachfolger für mein Geschäft gesucht, aber keinen gefunden. Die Turmstraße hatte keinen besonders guten Ruf“, erklärt Golücke. „Wir arbeiten sehr sorgfältig und widmen jedem unserer Kunden viel Zeit. Die Kontakte sind mir sehr wichtig, dafür hat auch meine Frau Verständnis, obwohl sie bereits vor eineinhalb Jahren in Pension gegangen ist.“
So ist auch nicht sein Alter der eigentliche Grund für die Geschäftsaufgabe, sondern sein neuer Vermieter bzw. dessen Hausverwaltung. Golücke hat die Kündigung zu Ende Februar 2018 bekommen und sieht keinerlei Verhandlungsbereitschaft von deren Seite. „Nie hatte ich Probleme mit dem Vorbesitzer, immer konnte alles geklärt werden.“
Golücke ist gebürtiger Moabiter und im Kiez aufgewachsen, seine Eltern hatten ein Tanzcafé in der Krefelder Straße, verrät er. „Nach Jahren im Ausland bin ich zurückgekommen und habe das Optikergeschäft eröffnet. Damals war die Turmstraße noch eine sehr gute Adresse mit vielen Fachgeschäften.“ Ende der 1970er und in den 1980er Jahren ging es bergab mit der Geschäftsstraße. „Ich hatte erwartet, dass es nach dem Fall der Mauer wieder aufwärts geht, aber das war leider ein Irrtum. Immer haben wir auf gute Qualität geachtet.“ Früher beschäftigte Golücke noch zwei angestellte Optikermeister. Aber die zeitintensive handwerkliche Qualitätsarbeit konnte mit den aufkommenden Ketten nicht konkurrieren, so arbeitet er seit langem nur noch mit einer Mitarbeiterin, Friederike Aulig, zusammen.
Moabit ist sein Zuhause. Er liebt den Kiez, die Vielfalt, den Dorfcharakter. So hat er sich auch immer wieder ehrenamtlich engagiert, sei es in Schulen oder Seniorenheimen. „Hier ist es einfach gemütlicher. Der Laden war mein Baby und meine Bühne. Ich gehe nicht betrübt weg, es war eine schöne Zeit. Ich bin froh, dass ich so viele wunderbare und interessante Menschen kennenlernen durfte und mir so viel menschliche Zuneigung entgegengeplätschert ist.“
Foto: Christoph Eckelt, bildmitte
Zuerst erschienen in der „ecke turmstraße„, Nr. 8, dez. 2017 /jan. 2018
Nachtrag:
Es war ein wunderschönes Abschiedkonzert mit dem Karl-Heinz Böhm Quartett, bei dem der kleine Laden aus allen Nähten platzte.
Reinhard Nake hatte ein Lied auf den „Augenmann“ gedichtet, das auf die gemeinsame Zeit bei der Stadtteilvertretung Turmstraße anspielt. Dank verteilter Texte sangen alle zusammen die Dankeshymne auf Wolfgang Golücke nach der Melodie von „Auf, Du junger Wandersmann“.
Familie, Freunde, Kunden und viele seiner früheren Auszubildenden waren gekommen. Die Musiker spielten mit Herz und großer Virtuasität bekannte Swing- und Latin-Jazz-Melodien. Das Publikum war begeistert.
Ein herzlicher Dank an Sabine Senftleben für die Fotos:
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Ein kleiner Nachtrag mit Fotos und Liedtext ist oben ergänzt.