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Hipsterfreies Streetfood

Nein, Moabit ist noch nicht »das neue Kreuzberg«, wie es eine große Bio-Supermarktkette vor einigen Monaten in einer Werbekampagne verkündete. Zwar ist der vom Rand Westberlins ins Zentrum der vereinigten Hauptstadt gerückte alte Arbeiterbezirk längst im Fokus von Immobilienspekulanten, betuchten Zuzüglern und nervigen Hipstern, aber noch läuft hier alles ein bisschen unaufgeregter und beschaulicher ab.

Das gilt sogar für den Ökomarkt, der nach baubedingter Pause wieder jeden Mittwoch vor der Heilandskirche in der Thusnelda-Allee, der mit 50 Metern kürzesten Straße Berlins, seine Zelte aufbaut. Zwei Obststände, ein Käsehändler, dazu ein Bäcker, ein paar Spezialitäten und der unvermeidliche Ökostrom-Werber – das war’s eigentlich schon. Und da es ein paar einfache Tische, Bänke und Stühle gibt, ist der Markt an sonnigen Tagen ein ausgesprochen relaxter Kieztreff und zudem fast komplett hipsterfrei. Manchmal kommt auch der örtliche Pfarrer aus seiner göttlichen Trutzburg und sucht den Plausch mit Anwohnern, denn die stellen nach wie vor das Gros der Besucher.

Ein Besuch – auch für Gäste von außerhalb Moabits – lohnt sich auf alle Fälle. Denn Fabios stets frisch zubereitete Bio-Pasta ist nahezu unvergleichlich gut. Angeboten werden nur wenige Varianten, je nach Saison. Die gebutterten Tagliatelle mit frisch am Tisch gehobelten Sommertrüffeln sorgen dabei ebenso für Verzückung wie die kleinen Teigtaschen mit Steinpilz-Trüffel-Mousse. Noch ein paar Schritte weiter aufwärts zum Pasta-Olymp geht es dann mit den in Zitronenbutter und Speck geschwenkten Ravioli mit einer Ruccola-Ziegenkäse-Füllung. Nur schlappe zehn Euro muss man für dieses kulinarische Gedicht investieren. Wir pflegen das stets mit mit lauten »Aahss« und »Oohs« zu kommentieren.

Wem ausnahmsweise mal nicht nach Fabios großartiger Pasta zumute ist, der hat am anderen Ende des Marktes, also 30 Meter weiter, eine weitere Möglichkeit für einen Mittagsimbiss. Dort wird mongolisch gekocht, wenigstens wird das behauptet. Immerhin kommt die Betreiberin aus der Äußeren Mongolei. Bei der durchaus leckeren Rinderkraftbrühe mit Nudeln hat man allerdings das Gefühl, dass mit angezogener Handbremse gewürzt wurde. Etwas deftiger und irgendwie »exotischer« dann die Lammfleisch-Gemüse-Pfanne und die selbst gemachten Teigtaschen mit Rinderhackfüllung.

Doch egal ob italienisch oder mongolisch: Hinterher sollte man sich noch eine der Espresso- und Kaffeespezialitäten gönnen, die von der Weddinger Anarcho-Rösterei »Flying Roasters« offeriert werden. Hier gibt es den vermutlich besten Cappuccino von ganz Moabit. Und so lässt man es sich in dieser kleinen Oase gut gehen, macht sich abfällige Gedanken über den aufgeblasenen Öko- und Streetfood-Scheiß in den Szene-Kiezen und schwört sich, alles zu tun, damit es in Moabit noch eine Weile so bleibt. So gesehen, ist die Empfehlung für den schnuckligen Ökomarkt (mittwochs, 12-18 Uhr) eigentlich ein Riesenfehler.

Text: Rainer Balcerowiak, Fotos: Susanne Torka

Zuerst erschienen am 30. August 2017 in Neues Deutschland in der Kolumne „Essen fassen“: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1062148.hipsterfreies-streetfood.html

Nachtrag:
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Ein Kommentar auf "Hipsterfreies Streetfood"

  1. 1
    Susanne says:

    Eigentlich sollte dringend auch noch der Fischmann erwähnt werden, denn der ist ja (fast) der einzige, der nach der jahrelangen Pause wieder gekommen ist. Foto wenigstens dabei.

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