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Das Kinderparadies

Der kleine Spielzeugladen »Luna« in der Waldstraße 17 ist auch eine soziale Instanz

Ganz vorsichtig trägt Daniela King das Puppenhaus zum Schaufenster. Nichts soll umfallen im sorgfältig eingerichteten Häuschen mit den Figuren und Mini­-Möbeln. Jetzt denkt Daniela King darüber nach, für welchen Preis man das Puppenhaus anbieten kann, das eine Kiezbewohnerin vorbeigebracht hat, weil es nicht mehr benötigt wird. Das Dilemma ist wie immer: Als Neuware war es mal sehr teuer, aber Daniela Kings Kundschaft in Moabit, aus der Nachbarschaft, hat meist keine dicken Geldbeutel.

Vorbeikommende Kinder linsen durch die geöffnete Tür und durchs Schaufenster. »Spiel-zeug-laden!« ruft ein etwa Zweijähriger begeistert, und manchmal müssen Mütter ihre Kinder sanft an der Verlockung vorbeilotsen, weil Spielzeugkauf gerade nicht auf dem Tagesprogramm steht. Aber oft bleiben sie auch auf einen Plausch mit Daniela, oder sie suchen ein Geschenk, oder Second­-Hand­-Sommer­sachen für die Kids.

Die Kids wiederum interessieren die Klamottenfragen eher weniger. Der Spielzeugladen »Luna« in der Waldstraße ist – aus Kinderaugen gesehen – ein zauberhaftes, geheimnisvolles, paradiesisches Lädchen, in dem man stundenlang gucken könnte. Und in der Tat ist es verblüffend, welche Angebotsvielfalt Daniela King in ein paar Regalen unterbringt, wie liebevoll alles ausgewählt und arrangiert ist, wie ungewöhnlich viele Waren sind. Da gibt es Bücher, Holzspielzeug, handgefertigte Täschchen und Stofftiere, originelle Puzzles, Bausteine und vieles mehr für alle möglichen Altersstufen.
Dies ist eben kein Geschäft einer großen Kette – in dem kleinen Lädchen steckt Daniela Kings ganzes Herzblut. Und er ist wichtiger Teil des Waldstraßenkiezes: Er ist auch eine soziale Institution.

Setzt man sich auf die Bank vor dem Schaufenster, fällt auf, wie viele Kinder hier unterwegs sind – Mütter fahren Neugeborene und Kleinstkinder im Kinderwagen aus, Kinder im Kita-­ und Grundschulalter radeln durch die verkehrsberuhigte Straße, Teenager kommen in Grüppchen aus der Schule. Auch etliche schwangere Frauen sieht man. Viele bleiben stehen, um kurz mit Daniela zu schwatzen, viele grüßen, Daniela kennt sie fast alle: die Mütter, die Kinder, die Nachbarn.

Vor fünf Jahren hat sie »Luna« hier eröffnet. In ihrem früheren Berufsleben hatte die gelernte kaufmännische Sekretärin in der Sozialberatungsstelle der Caritas gearbeitet. Als diese geschlossen werden und ihre Stelle wegfallen sollte, fand Daniela King neue Arbeit in einem Spielzeugladen in der Oldenburger Straße. Als der schloss, machte sie sich selbstständig, fand den kleinen Erdgeschossladen in der Waldstraße, der leer stand und stark renovierungsbedürftig war. Sie richtete die Räume neu her und baute das Geschäft auf. All das mit ihren drei Kindern, die damals, vor fünf Jahren, 10, 9 und 4 Jahre alt waren. Seitdem ist sie auch alleinerziehend. Ihre Jüngste war im Kinderladen gleich nebenan.

Und weil man mit einem kleinen Spielzeugladen nicht reich wird, schon gar nicht in diesem Moabiter Kiez, muss sie – wie viele andere Selbstständige, vor allem Alleinerziehende mit Kindern – mit Hartz IV »aufstocken«. Doch das Amt macht jetzt Druck: Nach der eher abstrakten Auffassung des Jobcenters müsse ein Geschäft doch nach fünf Jahren ausreichend Gewinn abwerfen für eine Mutter mit drei heranwachsenden Kindern. Eine Frist ist ihr noch eingeräumt worden, dann wird es sehr eng. Die Ungewissheit, wie lange sie den Laden noch machen kann, bedrückt Daniela King. So viel Arbeit und Liebe stecken darin. Der Laden ist wie ihr viertes Kind, und er ist ein wichtiger Anlaufpunkt im Kiez.

»Nicht nur für die Kinder, von denen ich nicht wenige schon seit ihrer Geburt kenne – auch für die Mütter«, erzählt Daniela King. »Viele kommen, bringen Spielzeug und Sachen zum Weiterverkaufen. Manche bringen Selbstgenähtes oder Selbstgestricktes zum Verkauf auf Kommission. Und andere aus dem Kiez kommen manchmal einfach nur auf einen Kaffee und zum Reden vorbei.«
Das Hinterzimmer ist voller ordentlich sortierter Kinderkleidung. Kinder wachsen schnell aus Sachen heraus, die im Neuzustand meist teuer sind, und es ist sinnvoll, sie dann für kleines Geld weiterzugeben – junge Eltern haben ja meist nicht viel.

Eine Mutter mit kleiner Tochter kommt und sucht ein Geschenk für den Geburtstag des Kinderladenfreundes. Daniela verschwindet mit den beiden im Laden, es dauert gut zwanzig Minuten, bis die Entscheidung gefallen ist.
Auch das ist anders als bei großen Spielwaren­Ladenketten: Daniela King nimmt sich Zeit für die Beratung, fragt nach Wünschen, sucht Passendes. Familiär geht es hier zu. Aber das ist nicht der einzige Unterschied: Neben der Beratung sind Daniela King auch die Qualität und der Gebrauchswert des Angebots wichtig. »Ich brauche hier nicht den ganzen Merchandising­Ramsch oder Zeug, das im Kinderzimmer nur rumsteht oder sofort in die Ecke fliegt oder nach zwei Wochen kaputt ist.« Als Mutter kennt sie sich da auch praktisch aus. Und achtet auf funktionale und qualitative Details: abgerundete Kanten bei Spielautos für Kleinkinder etwa. Natürlich bekommt man hier auch beispielsweise Basics wie Lego­Bausteine. Aber wer Originelleres und Individuelles sucht, wird hier fündig – anders als bei bei »Spiele Max«.
Und vor allem trifft man hier eine warmherzige Frau, die sich an leuchtenden Kinderaugen freut und für den Kiez einfach da ist.

»Luna«, Waldstraße 17, 10551 Berlin, Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 10–14 Uhr, Telefon (030) 54849821
facebook.com/lunafuerkinder

Text: Ulrike Steglich, Foto: Christoph Eckelt, bildmitte

Zuerst erschienen in der »ecke turmstraße«, Nr.4, juni/juli 2017

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