Von Natur aus high
Ein Hauch Karibik in der Gotzkowskystraße
Im Ya-Man in der Gotzkowskystraße 17 kann man Urlaub machen: Das jamaikanische Restaurant ist eine Insel der Ruhe und Fröhlichkeit. Eigentümerin Barbara Saltmann hat ihr Restaurant so gemütlich eingerichtet wie ihre Wohnung. An den bunten Wänden hängen zeitgenössische jamaikanische Kunstdrucke, die Küche ist gehoben: Hier geht selbst der jamaikanische Botschafter essen.
Vor dem Fenster des Ya-Man steht eine Frau mit einem Kiezguide in der Hand und betrachtet die rot-grün-gelb gestrichene Terrasse. Gerade beginnt es zu regnen. Eigentümerin Barbara Saltmann öffnet die Tür und ruft: »Welcome to Jamaika!« Die Frau tritt zögerlich in den leuchtend grün und gelb gestrichenen Restaurantraum. Sie hat das YaMan im Guide entdeckt und möchte sich nur kurz einen persönlichen Eindruck verschaffen. Saltmann bringt ihr die Karte und zieht sich zurück.
Die Frau betrachtet die Bambusüberdachung der Theke, die große Kunstpalme mit der Bananenstaude, die jamaikanischen Kunstdrucke und das kleine Schild mit Wörtern in Patois, einer auf Jamaika verbreiteten Kreolsprache mit englischen Einflüssen. Als Saltmann zurück an ihren Tisch kommt, sagt sie: »Wow. Ich bin ja echt in der Karibik! Das hat Berlin gefehlt, ein bisschen Jamaika.«
Sie lässt sich vegetarische Gerichte zeigen. Saltmann empfiehlt Akkee, eine jamaikanische Frucht, die sie mit oder ohne Salzfisch anbietet. Die Spezialität des Hauses ist jerk chicken, das ausgefallenste auf der Karte sind Ziege und Ochsenschwanz, beide halal, vom türkischen Großhandel an der Beusselstraße. An Beilagen finden sich auf der Karte Reis, Kartoffeln. Mehlklöße und gebackene Kochbananen oder Dumplings, an Getränken neben den Klassikern alkoholische und alkoholfreie Cocktails sowie Red Stripe, ein jamaikanisches Lager.
Eigentlich wollte Saltmann das Ya-Man nur vor einem kulturellen Ausverkauf retten. Die gelernte Lehrerin hatte bereits einen guten Job, als der Eigentümer eines jamaikanischen Imbisses, in dem sie Stammkundin war, an eine Deutsche verkaufen wollte, die eine Menge dafür bot, alles zu übernehmen: Interieur und Rezepte. »Das wäre doch, als würde man das Erbe seiner Oma verkaufen«, sagte Saltmann dem Landsmann und fügte ohne nachzudenken hinzu: »Überlass den Laden lieber mir.«
Sie bekam den Zuschlag und verwandelte den Imbiss in ein Restaurant. Zunächst stellte sie sich vor, in ihrem Beruf als Arbeitsvermittlerin weiter zu arbeiten wie zuvor, den Restaurantbetrieb laufen zu lassen und abends vorbeizugehen und Kasse zu machen. Ein paar Monate lang finanzierte sie mit fast dem gesamten Gehalt, das sie mit ihrem Job verdiente, die Angestellten, die das Restaurant am Laufen hielten. Dann merkte sie, dass ihr nur eine Option blieb, das Ya-Man zu halten: selbst dort zu arbeiten.
Acht Jahre später steht Barbara Saltmann hinter dem Tresen, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. »Das ist mein Wohnzimmer«, sagt sie mit charmantem Akzent und stellt die Musik lauter: »One love« von Bob Marley. Die sechsfache Großmutter, deren Enkel ihre Kinder sein könnten, ist die geborene Unterhalterin.
Auf urkomische Weise erzählt sie, wie ihr Restaurant im ersten Jahr von der Kripo für einen Coffeeshop gehalten und observiert wurde. Sie macht die Kripobeamten nach, die zu ihr kamen, um was zu kaufen: der erste trat schick und schüchtern auf, der zweite in Gangstermanier, der dritte und vierte waren ein Team im Business-Look. Als die beiden nach einer halben Stunde immer noch nichts bestellen wollten, sprach Saltmann sie an: »Wie kann ich Ihnen helfen?« »Wir wollen was rauchen«, sagte einer der beiden. »Ich verkaufe nichts«, antwortete sie. Die beiden gaben sich damit nicht zufrieden und zeigten auf einen Freund Saltmanns an einem Tisch in der Mitte des Raums. »Und der Rastamann da?« Saltmann platzte der Kragen. Sie fragte die beiden: »Sie sind keine Polizisten, oder?« Die beiden verneinten. »Na, dann kann ich’s ja frei heraus sagen: Bullen wären hier falsch. Hier gibt’s keine Drogen. Ich bin von Natur aus high.«
Als Rassismuserfahrung sieht Saltmann, die es vor mehr als 35 Jahren durch einen Tourismus-Job nach Berlin verschlagen hat, den Vorfall nicht. Rassismus ist für sie was anderes. Gegenüber der Bar hat sie eine antike Garderobe aus dunklem Holz angebracht: »Die hat mich an eine Herrenankleide der Kolonialzeit erinnert. Ich selber habe die Sklaverei ja zum Glück nicht mehr erlebt, aber die Garderobe soll mich daran erinnern, dass ich niemandes Sklave bin, auch nicht mein eigener oder der meines Restaurants.«
Nach diesem Credo lebt Saltmann auch: Als es ihr einmal zuviel wurde, schloss sie zwei Wochen und flog nach Jamaika. »Ich fühle mich auf Jamaica und in Berlin zuhause. Besonders in Moabit, weil man sich in der Stadt befindet und trotzdem wie auf dem Dorf fühlt. Die Moabiter sind wie eine Familie.«
Auf ihre Stammkunden trifft das wirklich zu. »Einmal war ich allein, und der Laden war voll, ich kam mit Abräumen nicht mehr hinterher«, erzählt Saltmann. Einer meiner Stammgäste kam mit sechs Gästen. Plötzlich hörte ich von hinten jemanden rufen: ›Was ist denn das für ein Scheißladen?‹ Als ich nach vorne kam, stand da ein lieber Stammgast, lachte und sagte: ›War ein Witz. Ich helfe dir jetzt. Man kommt hier einmal als Gast. Das zweite Mal ist man Familie.‹«
Text: Eva-Lena Lörzer, Foto: Christoph Eckelt, bildmitte
Zuerst erschienen in der »ecke turmstraße«, nr. 4, juni/juli 2016
Ya-Man, Gotzkowskystraße 17, Telefon 39808917, www.ya-man.info, Mo–Sa 12–23 Uhr, So 12–22 Uhr
Auch noch lesenswert: Schon vor 4 Jahren hat die moabiter INSELPOST begeistert über Ya-Man berichtet.
Tolles, sehr familiäres Restaurant. Ich kann einen Besuch dort wirklich nur empfehlen!