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»Wir waren selber unsere erste Zielgruppe«

Oumar Diallo gründete 1993 das Afrika-Haus in der Bochumer Straße 25, um Afrikanern und Afrika-Interessierten ein Dach für Veranstaltungen und Treffen zu bieten. Mittlerweile ist das Haus zu einer etablierten Einrichtung für politische Bildung geworden: selbst das Außenministerium ruft regelmäßig an.

Die Tische sind alle gut besetzt, im Hintergrund läuft dezenter AfroPop: Im Afrikahaus findet heute ein Dodo-Event statt. Die im englischsprachigen Teil Kameruns geborene Vivian Bender steht am Eingang des Raumes hinter einem Tisch und bereitet die von ihr kreierten Dodo-Wraps namens »dodo roll« selbst zu: Dodo heißt gegrillte Kochbanane, und genau die ist neben Ziegenkäse, Rindfleisch oder Paprikagemüse eine Hauptzutat der Wraps.

»Das erste afropolitan Mainstream-Produkt der Kategorie Fastfood«, nennt Vivian Bender ihre Gourmet-Wraps selber. Sie sind so etwas wie der afrikanische Döner, mit dem feinen Unterschied, dass alles, was drin ist, bio und/oder frisch ist: Made in Berlin aus Zutaten westafrikanisch-kreolischer Küche, abgestimmt auf den internationalen Geschmack.

Vivian Bender, die mit ihren Gourmet-Wraps heute vor allem Berliner und europäischstämmige Anwohner aus dem unmittelbaren Moabiter Kiez angelockt hat, ist eine von mehr als hundert Kooperationspartnern des AfrikaHauses, die die Räumlichkeiten nutzen. In diesem Rahmen findet das Dodo-Event der Wahlberlinerin an jedem letzten Freitag des Monats im Afrika-Haus statt.

oumar-diallo-250Das Afrika-Haus ist ein gemeinnütziger Verein und zugleich Veranstaltungs- und Versammlungsort verschiedener Vereine, die sich um Afrika drehen. Gegründet wurden das Haus und sein Trägerverein Farafina – was in der westafrikanischen Sprache Malinke Afrika bedeutet – 1996 von dem aus Guinea stammenden Oumar Diallo.

Diallo, der in Frankreich Soziologie studiert hatte, ist seinem Bruder zu Beginn der 90er Jahre nach Berlin gefolgt und geblieben. Deutschland hat ihn schon in Guinea interessiert: »Da habe so viel Schlechtes gelesen, dass ich neugierig wurde, das Land kennenzulernen.«

In Berlin angekommen, stellte Diallo fest, dass es in Deutschland und Europa an Wissen über Afrika hapert und es nicht einmal Begegnungsstätten für Afrikaner gab. »Afrika wurde immer nur mit Hunger assoziiert. Das war nicht mein Afrika. Ich wollte zeigen, wie ich Afrika sehe.«

Mit dem Afrika-Haus wollte Diallo eine Begegnungsstätte für alle Afrikaner und Afrika-Interessierten schaffen, einen Ort mit politischem Bildungsauftrag und regelmäßigen Veranstaltungen, die die Vielfalt der afrikanischen Länder abbilden. Nachdenklich fügt er hinzu: »Wobei ich selber Afrika auch erst in Europa kennengelernt habe. Erst hier bin ich Menschen aus anderen afrikanischen Ländern begegnet.«

Mittlerweile ist sein Haus ein etablierter Bildungsträger: Selbst das Außenministerium ruft Diallo an, wenn es um Afrika-Themen geht. Wenn beispielsweise eine Delegation kommt, um das deutsche Bildungssystem kennenzulernen, wird Diallo gebeten, einen Kontakt zu hier lebenden Afrikastämmigen herzustellen, die aus eigenen Erfahrungen berichten können.

»Wir sind zwar nicht der einzige afrikanische Kulturverein, aber das Außenministerium wendet sich an mich, weil sie einfach sagen: ›Dem können wir trauen. Der hält seit Jahren das Afrika-Haus am Laufen.‹« Das AfrikaHaus ist eines der wenigen Kulturzentren Berlins, die sich ohne staatliche Unterstützung selbst tragen können: Die Miete wird von allen Vereinen, die die Räumlichkeiten nutzen, anteilig bezahlt.

Jedes Jahr finden im Afrika-Haus über 300 Veranstaltungen unterschiedlichster Art statt: von Lesungen über Vorträge, Filme, Musikveranstaltungen, Ausstellungen, Workshops, Lecture Performances bis hin zu Gastvorträgen über aktuelle politische Themen in den einzelnen afrikanischen Ländern. Zurzeit ist neben den laufenden Veranstaltungen auch eine Dauerausstellung über afrikanische Politikerinnen zu sehen: Fotos mit kurzen Texten über Biografie und Wirken. Diallo selbst kümmert sich neben gelegentlichen Anfragen des Außenministeriums hauptsächlich um die organisatorischen Belange seines Vereins: Welcher Verein wann um welche Zeit die Räumlichkeiten zur Nutzung zur Verfügung gestellt bekommt und was das nächste Ausstellungsthema werden könnte. Nebenbei hilft er Menschen afrikanischer Herkunft beim Umgang mit Behörden.

Es kommen aber auch immer mehr Lehrer benachbarter Schulen direkt auf ihn zu, erzählt er. Entweder wird Diallo von ihnen gebeten, für Vorträge zu bestimmten Themen in die Schulen zu kommen, oder die Lehrer kommen mit ihren Schülern direkt ins Afrika-Haus. »Da zeige ich ihnen dann konkrete Dinge, mache quasi Unterricht zum Anfassen«, lächelt der 65-Jährige, der um die 20 Jahre jünger wirkt.

»Zum Beispiel zeige ich ihnen dann, wie man typische Fruchtshakes macht. Oder wie man ›Awale‹ spielt, eines der beliebtesten afrikanischen Brettspiele.« Aktuell denkt Diallo darüber nach, sein Angebot auszuweiten und etwas für Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern auf die Beine zu stellen: »Sobald ich die Zeit finde, will ich etwas ganz Konkretes anbieten, so etwas wie einmal die Woche zusammen kochen. Wichtig ist, dass die Neuangekommenen einen Raum bekommen, in dem sie ankommen und etwas über das Leben hier erfahren können.«

Text: Eva-Lena Lörzer, Bild: Christoph Eckelt, bildmitte
Zuerst erschienen in der »ecke turmstraße«, nr. 2, märz/april 2016

Afrika-Haus, Bochumer Straße 25, Telefon 3922010, www.afrikahaus-berlin.de, bei Facebook

Nachtrag:
Farafina e.V./Afrika Haus Berlin hat 2016 den Hauptstadtpreis für Integration und Toleranz erhalten.

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