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Geschichte neu entdecken

Mitte März präsentierten die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekts „Geschichte neu entdecken“ im arabischen Jugendclub Karame ihre Ergebnisse. Die Gruppe hat sich von Dezember 2009 bis März 2010 intensiv mit dem Nationalsozialismus und mit der arabisch-jüdisch-palästinensischen Geschichte, die 1948 zur Nakba führte, auseinander gesetzt. Jeden Freitag haben sich die Jugendlichen bei Karame getroffen. Sie haben die Arabische Liga besucht, an einer Führung der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz teilgenommen und einen dreitägigen Exkurs mit Workshops im Haus Kreisau durchgeführt. Dort begannen sie mit den Vorbereitungen für ihre Ausstellung über die jüdisch-arabische Geschichte und arabisch-jüdische Beziehungen von der Zeit des Osmanischen Reiches bis zum UN-Teilungsplan. Die Ausstellung ist noch etwa zwei Monate in den Räumen des Karame e.V.  in der Wilhelmshavener Straße 22 zu sehen. Ermöglicht wurde dieses Projekt durch die Förderung des Kulturamt Mitte aus dem Projektfonds Kulturelle Bildung des Landes Berlin.

Bereits vor zwei Jahren hatten sich Jugendliche von Karame im Projekt „Eine Reise in die Vergangenheit“ in Kooperation mit dem Haus der Wannsee-Konferenz mit der Geschichte des Nationalsozialismus und der Geschichte der Palästinenser von den 1920er Jahren bis heute beschäftigt. Ein Höhepunkt des damaligen Projektes war eine Reise nach Israel ermöglicht durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft„.

Zu Beginn der Präsentation erklärten alle TeinehmerInnen (Namen siehe unten) ganz knapp die Herkunft ihrer eigenen Familie. In verteilten Rollen wurde dann eine Zusammenfassung ihrer Geschichtsforschungen präsentiert. Besonders beeindruckt stellten sie heraus, wie Khaled Abdelwahhab im Tunesien während des 2. Weltkriegs eine jüdische Familie vor deutschen Soldaten rettete, hier für Interessierte das zusammengefasste Material zu Juden in Tunesien unter Deutscher Besatzung aus dem Dokumentenkoffer GeschichteN teilen. Hier ist auch der Text der Lesung der Jugendlichen herunterzuladen. Khaled ist der erste Araber der von der Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt wurde. 2007, 10 Jahre nach seinem Tod, wurde ihm der Courage to Care Award der Anti Defamation League verliehen. Ein Interview mit seiner Tochter Faiza ist hier zu hören. Nach einem fröhlichen Dabke-Tanz,  standen die Jugendlichen vor den von ihnen erarbeiteten Plakaten zur Geschichte Palästinas bereit die Fragen der BesucherInnen zu beantworten.

Ich hatte Gelegenheit mit zwei der Teilnehmerinnen über das Projekt zu sprechen. Lyla, 16 Jahre, erlärte mir, dass sie sich zum ersten Mal ausführlich mit der Geschichte ihrer Familie auseinander gesetzt hat. Obwohl es schon ihre Urgroßeltern waren, die 1948 die „Nakba„, die Katastrophe der Flucht und Vertreibung aus dem neu gegründeten Staat Israel erlebten, prägt dieses geschichtliche Ereignis unausgesprochen bis heute die Familie. Die Großeltern waren damals Kleinkinder, die ihr weiteres Leben in Flüchtlingslagern verbringen mussten. Es war wichtig für Lyla, sich so intensiv mit der komplizierten Geschichte Palästinas auseinanderzusetzen, um zu verstehen, wie sich die Geschichte entwickelt hat, und warum eine Lösung für den Nahost-Konflikt so schwierig ist. Vor diesem Geschichtsworkshop hatte sie noch nie davon gehört, wie durch die Interessen der Kolonialmächte England und Frankreich der Konflikt geschürt wurde. Sie hat das Plakat über das schwierige Thema,  Balfour Deklaration,  erarbeitet. In der Schule ihr Wissen anzubringen, fällt ihr allerdings gar nicht leicht, denn Lehrer stellen die Geschichte oft ganz anders dar und haben auch schon falsche Dinge behauptet. Da ist sie froh jetzt genug Faktenwissen zu haben.

Auch für Nadine, 17 Jahre, war das Projekt eine wichtige Erfahrung. Früher hat sie die Geschichte Palästinas überhaupt nicht interessiert. Nun kann sie nachvollziehen, wie der Nahost-Konflikt entstanden ist, welche Einflüsse eine Rolle spielten. Sie versteht, dass weder Araber noch Juden böse sind, wie viele Menschen je nach Blickwinkel von der einen oder der anderen Seite behaupten. „Man muss damit aufhören den Schuldigen zu suchen,“ sagt sie und will etwas gegen den Hass tun. Denn viele der arabischen Jugendlichen, die in Berlin leben, hassen Juden, weil Palästina jetzt Israel ist. „Aber sie wissen gar nicht, warum es so gekommen ist“ sagt sie und erklärt wie schwierig es ist andere zu überzeugen.

Die Projekt-TeilnehmerInnen:
Hamza Abdallah, Batoul Abu-Yahya, Lyla Abu-Yahya,  Mazen Ahmed, Zeynap Al-Bakary, Nora Chaachouh, Iman Chaachouh,  Habiba Darwich, Mari Elaian, Kaussar El-Hussein, Mageda El-Hussein, Nadine El-Jamal, Sally El-Jamal, Kevin Ali  Hadrous und Antonia Pischke
bedankten sich mit dieser Abschluss-Veranstaltung am 12. März 2010 für die Unterstützung bei den WorkshopleiterInnen:
Claudia de Coster, Gabriel Freville und Giuseppina Lettieri, amira – Antisemitismus im Kontext von Migration und Rassismus, Elke Gryglewski, Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee Konferenz, Shemi Shabat und Mohammed Ibrahim, Jerusalemkirche, Forum für interreligiöse Bildung, Esra Özyürek, Associate Professor, Department of Anthropology, UC San Diego, sowie Victoria Loß, Elisabeth Kahn und Fred Pliewischkies, Karame e.V.

Ausführliche Informationen zum Nahost-Konflikt finden sich auf der Seite der Anti Defamation Kommission.

Fotos von Christoph Eckelt

4 Kommentare auf "Geschichte neu entdecken"

  1. 1
    Rané says:

    Bravo, so ein Projekt verdient höchste Anerkennung, denn irgendwann werden alle verstehen, es geht nicht um Religion, sondern um Macht und Geld. Da Moses in allen Weltreligionen anerkannt ist, erinnere ich an „den Tanz um das goldene Kalb“,
    dies wiederholt sich gerade auf den globalen Finanzmärkten und nur gemeinsam, unabhängig von Religion und Herkunft können wir etwas verändern. Jenseits von allen Parteien haben wir die Kraft etwas zu verändern. Wir sind die Mehrheit
    und lassen uns hoffentlich nicht für dumm verkaufen.

  2. 2
    Ute Seifert says:

    Rene hat mir aus dem Herzen gesprochen.
    Da ich schon ein bißchen älter bin, ist mir die Zeit der Gründung Israels ein bißchen in Erinnerung und ich wußte auch immer, daß dies nur auf dem Rücken der Palästinenser geschehen konnte, den Begriff Nakba kannte zwar ich nicht ,habe mich aber immer wieder mit der Geschichte und dem Leiden der Palästinenser beschäftigt. Es ist schwer sein Wissen über all die Jahre zu verteidigen. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, daß viele Menschen die Geschichte falsch darstellen und ich wünsche Euch viel Kraft Euch zu behaupten und Eure Erkenntnisse anderen zu vermitteln.
    ute

  3. 3
    Unblind says:

    Ach Rane,

    Solange ein Teil der Menschheit den anderen fuer UNREIN haelt, wird es nichts mit deiner rosaroten Traumwelt.

  4. 4
    Rané says:

    Gerade so ein Projekt ist hilfreich, um die Fundamentalisten in allen Religionen zurückzudrängen, denn ich finde christliche
    Kreuzzüge auch nicht im Sinne des Glaubens. Meine Vision ist, das Positive aus allen Weltreligionen herauszufiltern und ein „Neues Testament“ zu schreiben. Vor allem sind dabei die asiatischen Philosophen hinzuzuziehen, die ihrer Zeit weit voraus waren.

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