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Moabiter Ecken

Wie schmeckt Moabit? In Manuela Schneiders Interpretation erst herb, dann überraschend frisch, mit dezenter Süße. Erst knackig, danach zart schmelzend. Moabit hat Ecken und Kanten, deshalb ist die „Moabiter Ecke“ als eigenwilliges, unregelmäßiges Dreieck geformt – und sehr verlockend mit seinem hell-dunklen Schokoladenüberzug.

pralinsche-250Extra für Moabit hat Manuela Schneider diese besondere Praline kreiert: Die „Moabiter Ecke“ hatte im letzten Jahr beim Stadtteilfest ihr Debüt. Und wie Moabit, polarisiert auch die Praline: Manche lieben sie, andere können sich mit der Geschmacksrichtung nicht so recht anfreunden.

Gut so, findet Manuela Schneider. Denn mit uniformen, inflationären Allerweltssachen will sie ihre Zeit nicht verschwenden – das wäre ihr viel zu langweilig: „Whiskypralinen wird es bei mir nicht geben, sowas produzieren doch alle. Ich möchte Kreationen machen, das es nirgendwo anders gibt.“

Manuela Schneider, die hauptberuflich 40 Stunden pro Woche für ein Anwalts-Internetportal arbeitet, hat sich ein ungewöhnliches nebenberufliches Feld geschaffen: Sie fertigt maßgeschneiderte Pralinen. Unikate für Firmen, Geschäfte oder Einzelpersonen, für bestimmte Anlässe oder eben auch für Moabit, wo die gebürtige Ostberlinerin – nach etlichen Jahren in Dresden – mit ihrem Mann seit drei Jahren und anstrengender Wohnungssuche lebt. Ihre „Pralinsche Manufaktur“ ist inzwischen gut nachgefragt: „Pralinsche war früher mein Spitzname“, erklärt Manuela Schneider den Namen.

Gerade ist sie ein bisschen hibbelig, weil sie am Wochenende noch Pralinen für eine Charity-Veranstaltung fertigen will, wo Geld für brasilianische Favelas und afrikanische Entwicklungsprojekte gesammelt wird. Entsprechend komponiert sie eine spezielle Kreation mit regional passenden Zutaten.

Ihre Manufaktur betreibt Manuela Schneider nach Feierabend und am Wochenende in ihrer Küche. Alles ist offiziell genehmigt, die Küche muss strengsten Hygienebestimmungen entsprechen. Professionalität ist für sie selbstverständlich, bei der Hygiene ebenso wie beim Handwerk und beim Marketing. Leidenschaft und Experimentierlust machen aber die Seele aus: Das Spannende für Manuela Schneider ist, das Wesen des Auftraggebers oder den besonderen Charakter des Anlasses zu analysieren, dazu passende Zutaten zu recherchieren und eine ganz individuelle Kreation zu entwickeln. Für das Moabiter Ladencafé „Georgetown Muffins“ etwa entwickelte sie eine maßgeschneiderte Haus-Praline aus einem speziellen arabischen Kaffeegewürz („das passt zum Angebot und zu Moabit“) und südamerikanischen Tonkabohnen mit ihrem betörenden Aroma. Die Georgetown-Praline wurde passend in Muffin-Optik gestaltet; die Kuvertüre ähnelt in seiner Marmorierung so perfekt dem typischen Muffin-Papier, „dass viele Gäste automatisch versuchen, erstmal das Papier abzumachen“, erzählt sie.

„Schokolade als Material hat mich schon immer fasziniert.“ Vor elf Jahren begann sie mit eigenen Experimenten: Erst als Geschenk für Freunde, dann – vom Erfolg ermutigt – auch für Auftraggeber. Autodidaktisch hat sie sich umfassende Chocolatiere-Kenntnisse angeeignet, geübt und experimentiert, „anfangs war das eine ganz schöne Sauerei in der Küche“. Handwerk ist wichtig: Lange kann Manuela Schneider fachsimpeln über Formen, Kuvertüre (den kunstvollen Überzug), Garnache (die Pralinenfüllung), über Temperaturen, Materialtexturen, Geschmackskompositionen, Design – und Zeit: „Jede Praline mit ihren Schichten braucht ihre Zeit. Mindestens drei Tage.“

Die meisten handelsüblichen Pralinen sind ihr viel zu geschmacklos-überzuckert, und von Billigalkohol-Füllungen oder künstlichen Geschmacksstoffen hält sie nichts: „Ich habe schließlich nicht Chemie studiert.“ Zu ihren unkonventionellen Ideen gehören deshalb auch allerbeste Zutaten, wofür sie ein hervorragendes Lieferantenetz aufgebaut hat – und weil Manuela Schneider ihnen Respekt und Achtung zollt, sind die Zulieferer selbstverständlich auch auf ihrer Website aufgeführt.

Sie verarbeitet hochwertige Schokoladenzutaten aus Belgien und Frankreich, beste Sahne, frische Früchte, natürliche Gewürze. Ihre Phantasie scheint unerschöpflich: Thymian, Salbei, Ingwer, roter Pfeffer, Zitronengras, Walnüsse, bester Balsamico-Essig kommen ebenso zum Einsatz wie Lavendel, Earl Grey, Holunder. Oder Hopfenblüten und Malz in der „Bierpraline“, oder Spargel und Vanille – eine spontane Kreation.

Um Geld geht es Manuela Schneider mit ihrer Manufaktur nicht (die Gewinnmarge ist äußerst gering), sondern – neben der persönlichen Leidenschaft – auch um soziale Anliegen. Man kann sagen, dass in jeder ihrer Pralinen neben Kreativität, besten Zutaten und Qualität auch Philosophie, moralische Haltung und Einfühlung stecken. Seit ihre erwachsene Tochter ausgezogen ist, investiert sie die neue Freizeit umstandslos auch in ehrenamtliches Engagement. So hat sie für die Berliner Obdachlosenhilfe Pralinen kreiert, die für einen Euro pro Stück verkauft werden. Der Erlös geht komplett an die Obdachlosenhilfe, innerhalb von nur sechs Wochen sind allein durch ihre Manufaktur 155 Euro zusammengekommen. Auch um die Flüchtlinge in Moabit kümmert sie sich mit vielen Aktivitäten. „Neulich haben wir mit 40 Kindern bei nur drei Betreuern Schokolade gemacht. Das war sehr abenteuerlich, hat aber einen Riesenspaß gemacht! Die Kinder waren hellauf begeistert.“

In der „Moabiter Ecke“ mit den Ecken und Kanten stecken übrigens unter anderem Kardamom, passend zur würzigen Mischung des Quartiers, und Kaffir-Limettenblätter – weil Moabit auch so frisch und grün ist, sagt Manuela Schneider.

Text: Ulrike Steglich, Foto: Christoph Eckelt, bildmitte

„Pralinsche Manufaktur“, Manuela Schneider, Tel. 53045579, www.pralinsche.de und bei facebook

Zuerst erschienen in der „ecke turmstraße“, Nr. 5 – august 2015

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