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Der Bezirk kämpft um Wohnungen

Ein Gespräch mit Stadtrat Stephan von Dassel zum Zweckentfremdungsverbot bei Wohnungen

Seit dem 1.Mai 2014 ist die Zweckentfremdung von Wohnraum in Berlin erneut gesetzlich verboten. Die Umwandlung von Wohnraum in Gewerberaum und lang anhaltender Leerstand von Wohnungen bedürfen nun spezieller Genehmigungen. Vor allem aber ist die Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnung seitdem untersagt. Besonders betrifft das den Bezirk Mitte, in dem nach Senatsschätzung ca. 4000 Wohnungen als Ferienwohnungen vermietet werden – in ganz Berlin sollen rund 12.000 Wohnungen betroffen sein. In Mitte ist der Stadtrat für Soziales und Bürgerdienste, Stephan von Dassel (Die Grünen), für die Umsetzung des neuen Gesetzes zuständig. Er berichtet von ersten greifbaren Erfolgen, klärt über die Rechtslage bei Untervermietung auf und bedankt sich für die Hinweise vieler Bürger.

von-Dassel-250Stephan von Dassel, bis Ende Juli 2014 konnten den Wohnungsämtern Ferien­wohnungen gemeldet werden, damit diese noch zwei Jahre lang legal als solche ver­mietet werden dürfen. Gibt es auch Fälle, wo das untersagt wird?

Im Bezirk Mitte gingen bislang rund 1700 solcher Anmeldungen ein. Wenn die Unter­lagen voll­ständig waren, dürfen die Wohnungen noch bis zum 30. April 2016 weiter als Ferien­wohnungen betrieben werden. Es gab aber auch rund 400 Selbst­anzeigen von Mietern, die ihre Wohnungen als Ferienwohnungen untervermieten und bei denen die Unterschrift des »Ver­fügungs­berech­tigten« fehlte, also in der Regel die des Hauseigentümers oder einer von ihm bevollmächtigten Hausverwaltung. Als wir diese Unterschriften nachforderten, ließen die Anzeigesteller meist nichts mehr von sich hören. Da vermieten die Mieter also offenbar ohne Zustimmung des Vermieters ihre Wohnungen als Ferienwohnungen, während sie in Wirklichkeit woanders wohnen. Das ist nicht zulässig und dafür gibt es auch keine Übergangsfrist. Wir fordern daraufhin den Nachweis, dass die Wohnung wieder regulär vermietet wird – ggf. auch mit einem Untermietvertrag von mindestens zwei Monaten. Auf diese Art werden bereits jetzt viele hundert Wohnungen wieder dem regulären Wohnungsmarkt zugeführt.
 
Darf ich denn meine Wohnung als Ferienwohnung weitervermieten, wenn ich z.B. in Urlaub fahre?
 
Die Rechtslage ist klar: Man darf seine Wohnung nur »einmal« kurzzeitig als Ferienwohnung untervermieten, das heißt einmal im Leben, ein zweites Mal nicht. Ich fände es allerdings besser, wenn da »einmal im Jahr« stünde, denn auf den Berliner Wohnungsmarkt wirkt sich die kurzzeitige Vermietung während des eigenen Urlaubs ja nicht negativ aus. Wir müssen uns aber an die Ausführungsvorschriften des Landes Berlin halten und haben hier keinen Ermessensspielraum. Keine Zweckentfremdung liegt dagegen vor, wenn man weniger als die Hälfte seiner Wohnung kurzzeitig untervermietet und sie ansonsten mehrheitlich selbst nutzt.
 
Zusammen mit der Meldung haben einige gleichzeitig die Genehmigung ihrer Ferienwohnungen beantragt. Wie stehen die Chancen da?
 
Das haben bislang nur relativ wenige gemacht, die meisten warten wohl noch ab, wie sich die Rechtsprechung entwickelt. Bisher wurde kein Antrag auf Zweckentfremdung von Wohnraum genehmigt, mit Ausnahme von Gästewohnungen, die ausdrücklich vom Gesetz ausgenommen sind. Auch die Widersprüche, die daraufhin eingingen, sind fast alle schon negativ beschieden. Jetzt rechnen wir mit den ersten Klagen. Viele Begründungen lauten ungefähr so: »Wir wohnen nicht in Berlin und haben uns hier eine Eigentumswohnung gekauft, damit wir, wenn wir unsere Kinder in Berlin besuchen, nicht ins Hotel müssen. Wenn wir nicht in Berlin sind, vermieten wir sie zwischenzeitlich kurzzeitig als Ferienwohnung.« Das mag verständlich sein, aber ist nicht mehr zulässig und wir lehnen das ab. Denn diese Wohnungen stehen nicht dem Wohnungsmarkt zur Verfügung. Die kann man auch normal vermieten und bei gelegentlichen Berlin-Besuchen ein Hotel nutzen.
 
Eine Leserin machte uns darauf aufmerksam, das selbst die landeseigene Berlinovo, die Bestände aus den Immobilienfonds der ehemaligen Berliner Bankgesellschaft verwaltet, im Internet möblierte Apartments mit Monatsmietverträgen anbietet. Dabei müssen Mietverträge mindestens zwei Monate dauern, um nicht unter die Zweckentfremdung zu fallen.
 
Wir haben dort bereits nachgefragt. Die Berlinovo behauptet, sie halte sich streng an Recht und Gesetz. Sie verwaltet jedoch auch Apartmenthäuser, sogenannte »Boarding Houses«, die baurechtlich nicht als Wohn-, sondern als Gewerberäume gelten. Die darf man natürlich auch kurzzeitig vermieten, denn die Zweckentfremdung betrifft ja nur Wohnraum.
 
Diese Leserin hat auch schon etliche Ferienwohnungen aus ihrer Nachbarschaft gemeldet. Sie beklagt sich darüber, dass sie nicht erfährt, was das Wohnungsamt mit den Informationen anfängt. Was soll man genau melden und wie geht das Amt dann vor?
 
Ich bitte um Verständnis: Detaillierte Informationen dürfen wir aus Datenschutzgründen nicht weiterleiten. Aber allgemeine Rückmeldungen etwa derart, dass wir Ermittlungen aufgenommen haben, schon – ich werde mich darum kümmern, dass das künftig geschieht. Wir haben eine eigene E-Mail-Adresse für Hinweise von Bürgern eingerichtet: zweckentfremdung@ba-mitte.berlin.de. Darüber erhalten wir kontinuierlich Meldungen. Wichtig ist, uns die Adresse der Ferienwohnung zu nennen! Die genaue Lage im Haus können die Mitarbeiter vor Ort auch selbst herausbekommen, die Namen und Adressen der Eigentümer ermitteln wir beim Grundbuchamt. Rund die Hälfte dieser Hinweise betrifft jedoch Wohnungen, die uns von den Eigentümern bereits angezeigt wurden. Bei der anderen Hälfte recherchieren wir zunächst in den Akten und Archiven des Bezirks: etwa ob da eventuell früher schon Genehmigungen erteilt wurden und ob es sich tatsächlich um Wohnraum und nicht doch vielleicht um Gewerberaum handelt. Dann beginnen die Anhörungsverfahren mit den Eigentümern. Bis zur Verhängung von Bußgeldern ist es bislang noch nicht gekommen, dazu brauchen die Verfahren noch zu lange – auch für uns ist das ja auch alles noch Neuland. Es wird aber nicht mehr lange dauern, bis die ersten Bußgeldbescheide rausgehen. Die Einnahmen gehen dann an den Senat und sollen z.B. für den Neubau von preisgünstigem Wohnraum eingesetzt werden. Der Bezirkshaushalt wird dadurch nicht aufgebessert.
 
Um effektiv zu recherchieren, bräuchten Sie eigentlich die Möglichkeit, den Markt für Ferienwohnungen im Internet mit Hilfe entsprechender Software zu überwachen. Der Berliner Datenschutzbeauftragte hat sich dabei anfangs quergestellt: Sind Sie inzwischen weitergekommen?
 
Ins Internet schauen dürfen wir immer. Aber es geht darum, die Daten zu bekommen, die nicht sichtbar auf den Seiten stehen – wie z.B. die genauen Adressen der angebotenen Wohnungen. Gerade hat uns der Datenschutzbeauftragte wieder Vorgaben gemacht, die ziemlich detailliert gewisse Programmabläufe betreffen. Ob diese Vorgaben mit der Praxis in Einklang zu bringen sind, ist noch unklar.
 
Auch anhaltender Wohnungsleerstand gilt ja als Zweckentfremdung. Wie sind die Erfahrungen in diesem Bereich?
 
Auch da sind wir für Hinweise aus der Bevölkerung dankbar. Wohnungen dürfen generell nicht länger als ein halbes Jahr leer stehen. Dabei gibt es allerdings Ausnahmen, etwa bei umfassenden Sanierungen oder wenn eine Abrissgenehmigung erteilt wurde. Einige Eigentümer argumentieren aber folgendermaßen: Sie planen, das Haus oder die Eigentumswohnung zu verkaufen und vermieten jetzt nicht mehr, um dem künftigen Eigentümer die Entscheidungsfreiheit über die Vermietung zu überlassen. Tatsächlich erhoffen sie sich aber einen höheren Verkaufspreis, denn leere Wohnungen lassen sich besser verkaufen. Das ist dann spekulativer Leerstand und unzulässig – den will das Zweckentfremdungsgesetz ja gerade verhindern!
 
Sie haben sich ja auch persönlich stark für den Aufbau einer für ganz Berlin zuständigen »Task-Force gegen Zweckentfremdung« engagiert, die beim Bezirk Mitte angesiedelt werden sollte. Letztlich hat die Mehrheit im Bezirksamt aber anders entschieden. Wie stellt sich die Situation jetzt dar, haben Sie genügend Stellen für diese Aufgabe?
 
Ich bin ja auch für Soziales zuständig und bekomme deshalb mit, wie nahezu unmöglich es inzwischen geworden ist, für Menschen in Notlagen im Bezirk eine Wohnung anzumieten. Deshalb bin ich auch persönlich motiviert, diese Aufgabe anzugehen. Und natürlich bin ich in die Politik gegangen, um zu gestalten – auch wenn nicht immer alles aufgeht. Doch auch ohne »Task-Force« haben wir inzwischen ein gutes Team beisammen. Der Bezirk Mitte ist dabei führend, auch weil wir uns schon frühzeitig mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Derzeit haben wir sechseinhalb Stellen, vier davon werden vom Senat finanziert, die restlichen aus der sogenannten »Sprinterprämie« – also aus den Sondermitteln, die der Bezirk für die hohe Anzahl aus Wohnungsneubaugenehmigungen erhält, die hier erteilt werden, um dem akuten Wohnungsmangel entgegenzuwirken. Ich bin dem Kollegen Carsten Spallek sehr dankbar, dass er die Mittel zur Verfügung stellt. Im nächsten Jahr, wenn die Übergangsfrist für den Betrieb von Ferienwohnungen ausläuft, erwarten wir aber einen großen Schub von Anträgen, auf den wir auch personell vorbereitet sein müssen. Deshalb werden wir um weitere Stellen kämpfen müssen.
 
Das Interview führte Christoph Schaffelder, Foto: Christoph Eckelt, bildmitte.
Zuerst erschienen in: ecke turmstraße, Nr. 1: Februar/März 2015.
 
Ergänzung: Wer sich für die bisherige Diskussion des Themas interessiert, sollte hier reinschauen: „Ferienwohnungen auf dem Kieker„, „Was bedeutet das Zweckentfremdungsverbot„, „Umfrage Ferienwohnungen in der Nachbarschaft
 
Nachtrag:
Berliner Zeitung zu Ferienwohnungen in angesagten Bezirken.
Nun hat sich ein Jurist von der Freien Universität zum Zweckentfremdungsverbot geäußert (Berliner Morgenpost, Die Welt), der es für verfassungswidrig hält.
Der Tagesspiegel berichtet, dass es 699 Hinweise auf Zweckentfremdung gäbe und Ende des Jahres 362 Verfahren liefen. Meldungen vom 1. August bis 31. Dezember 2014. Fast alle Meldungen verteilen sich auf die Bezirke Mitte (203), Friedrichshain-Kreuzberg (122), Pankow (100), Tempelhof-Schöneberg (94) und Charlottenburg-Wilmersdorf (92) (Info Berl. Kurier).
Jetzt gibt es doch wieder Streit zwischen dem Datenschutzbeauftragten und Berliner Bezirken über die Online-Suche nach illegalen Ferienwohnungen (Berl. Morgenpost und Tagesspiegel).
Und ein weiterer juristischer Text, der sich mit der Zulässigkeit der Onlinesuche und Datenschutz beschäftigt.

Online-Formular der Senatsverwaltung zur Meldung möglicher Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat ab sofort ein berlinweit einheitliches Online-Formular zur Meldung von möglichen Gesetzesverstößen gegen das Zweckentfremdungsverbot eingerichtet (Pressemitteilung vom 20.4.2016). Bürgerinnen und Bürger können so auf einfachem Weg Online die Bezirksämter auf mögliche Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot mittels dieses Hinweisformulars aufmerksam machen.

6 Kommentare auf "Der Bezirk kämpft um Wohnungen"

  1. 1
    Max says:

    „Der Bezirk kämpft um Wohnungen“ – die Überschrift „Der Bezirk baut Wohnungen“ wäre besser.

  2. 2

    Das solltet Ihr mal lesen, zwar sehr lang, aber facettenreich:
    http://haeuserkampf.tagesspiegel.de/

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  4. 4

    Endlich hat der Bezirk Mitte eine Online-Recherche über illegale Ferienwohnungen durchführen lassen.Mehr dazu hier http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/illegale-ferienwohnungen.html

  5. 5
    Netzgucker says:

    hier geht’s zwar mehr um Termine beim Bürgeramt, aber trotzdem, Stephan von Dassel:
    https://www.berlin.de/ba-mitte/aktuelles/pressemitteilungen/2015/pressemitteilung.402086.php

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    Zeitungsleser says:

    Klagen gegen das Zweckentfremdungsverbot?
    http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2015/11/Zweckentfremdung-Plattform-Massenklagen.html

    Die Redaktion: weitere Kommentare bitte beim aktuellen Artikel
    https://moabitonline.de/24083